Das sind wir unsern Kindern schuldig. Jakob von Uexküll
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Zertifikate für fairen Handel, biologischen Anbau und schadstofffreie Kleidung sowie Produkte, die in biologische oder technische Kreisläufe zurückgehen (Cradle to Cradle), treffen den Nerv und den Wertekanon der Verbraucher, sodass weiterer Druck auf jene ausgeübt werden kann, die nach dem Motto leben: Nach mir die Sintflut. Auch wenn Jakob von Uexkülls Analyse der Weltmechanismen in diesem Buch düster ist, findet er doch immer wieder Ansätze, die Hoffnung machen und zu eigenem Engagement ermutigen. Nicht zuletzt sind das seine eigenen Ideen und Handlungen. Die vielen Preisträger des Alternativen Nobelpreises, die auch im Weltzukunftsrat sind, zeigen Lösungen, die funktionieren. So kann der Weltzukunftsrat eine glaubwürdige Lobby für das Leben und die Zukunft sein.
Werte in Zeiten globalen Wandels
Sie wird uns als alleinseligmachend gepriesen und als unausweichlich verkauft: die Globalisierung. Und doch genießt sie inzwischen vielerorts einen ziemlich schlechten Ruf. Was ist sie überhaupt? Das Durchbrechen von Grenzen, das Ende des Anderen, meint Ulrich Beck. Tony Blair glaubt, sie sei zugleich ein Naturereignis und das Ergebnis der Wahl von Einzelpersonen, „the result of choices of individuals“. Nimmt man diese Vorstellung ernst, leiden Globalisierungsgegner an einem psychologischen Problem: Sie flüchten aus der Wirklichkeit.
Andere behaupten, diese Globalisierung sei der politische Staatsstreich einer reichen Minderheit. Der US-Ökonom und Alternative Nobelpreisträger Hermann Daly nennt sie den letzten Versuch, den natürlichen Grenzen des Wachstums zu entkommen, indem man in den ökologischen und ökonomischen Raum anderer Länder hineinwächst. Es gibt Studien, die belegen, dass eine kleine Gruppe von US-Milliardären in den letzten zwanzig bis dreißig Jahren eine Milliarde Dollar investiert haben, um die entsprechenden Think Tanks aufzubauen, Karrieren, Politiker und Medien zu fördern, die gerade dieses ökonomische Modell der Globalisierung propagieren.
David Korten, langjähriger Chef der Ford Foundation in Asien, Lehrer an der Harvard Business School, offensichtlich also niemand, der dem politisch linken Lager zuzurechnen ist, schreibt, dass es nicht einfach war, eine Welt zu schaffen, in der eine kleine Zahl von Dollarmilliardären so viel besitzen wie die ärmere Hälfte der Menschheit.
Es hat sehr große Anstrengungen dieser Milliardäre und ihrer Helfershelfer in Politik, Justiz und Medien gebraucht, diese Ordnung zu etablieren. Und es wird genauso große Anstrengungen der globalen Zivilgesellschaft brauchen, eine Globalisierung aufzubauen, die fair und nachhaltig ist.
Es gibt keinen Freihandel in diesem Globalisierungsmodell, es gibt einen kontrollierten Handel im Interesse einer mächtigen Minderheit. Denn wenn es wirklich um Freihandel ginge, wären die entsprechenden Abkommen, die die Übergangsfristen regeln, sehr kurz. Die Tatsache, dass sie Tausende von Seiten Umfang haben, zeigt, dass hier vielmehr der Schutz von Privilegien betrieben wird. Der amerikanische Ökonomie-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz hat darauf hingewiesen, dass wir einem globalen Wandel unterworfen sind, in dem sich das Kapital immer freier bewegen kann, aber nicht die Arbeit. Natürlich würde ein Modell mit anderen Regeln einen ganz anderen globalen Wandel, mit anderen Werten, Vorteilen und Nachteilen fördern.
Aber profitieren denn nicht alle irgendwie? Nein, nicht einmal nach den eigenen Kriterien dieser Globalisierung. Denn das Wirtschaftswachstum war, sowohl regional wie global, in den sechziger und siebziger Jahren überall bedeutend höher als in den letzten Jahrzehnten. Wir sollten nicht glauben, dass die Globalisierung, wie wir sie nun haben, „natürlich“ ist oder dass sie unser Leben „dereguliert“. Im Gegenteil: Es wird alles global detailliert reglementiert.
Eine Trägerin des Alternativen Nobelpreises, Vandana Shiva, erzählt, wie in Indien in den letzten Jahren eine sehr merkwürdige Kette von Speiseölvergiftungen auftrat. Man hatte so etwas vorher nie erlebt, die Verantwortlichen sind nie gefasst worden. Aber plötzlich hatte die Regierung einen Vorwand, den Handel mit lokal produziertem Speiseöl zu verbieten. Hunderttausende von Arbeitsplätzen gingen verloren. Gleichzeitig öffnete man die Grenzen für genmanipulierte amerikanische Sojaölimporte. Hier geht es nicht um mehr „Effizienz“. Es geht um Macht. Eine amerikanische Unternehmerin erzählte kürzlich, wie eine große Supermarktkette, die ihr ihre Produkte abkaufte, plötzlich forderte, von ihren besten Produkten schon im Voraus die Zeichnungen zu bekommen. Sie stellte dann fest, dass diese Zeichnungen nach Asien geschickt wurden, um herauszubekommen, wie billig man dort diese Produkte herstellen könnte. Dann kam ihr Großabnehmer und verlangte denselben Preis von ihr. Als sie sagte: „Na, dann kaufen Sie es doch in Asien“, antwortete er: „Nein, nein, wir wollen ja Ihren Service, Sie sind ja hier vor Ort.“ Also asiatische Preise, aber Service vor Ort. Die Betreffende ist keine Unternehmerin mehr, denn sie ging natürlich danach sehr schnell bankrott.
Diese Methoden bezeichnet David Korten als Selbstmordwirtschaft, denn wer die lokale, die regionale Wirtschaft zerstört, zerstört die Basis jeder nachhaltigen Ökonomie. Korten fragt, warum es denn besser sei, von privaten als von staatlichen Planwirtschaften regiert zu werden. Die staatlichen Planwirtschaften kommen wenigstens formell dem ganzen Volk zugute, die Privaten sind aber gesetzlich dazu verpflichtet, nur ihren Aktionären zu dienen. Korten berichtet, heute seien die 52 größten Planwirtschaften der Erde private Großunternehmen. An 53. Stelle kommt dann Kuba. In seinem Buch The Post-Corporate World – Life after Capitalism beschreibt Korten eine Welt nach dem Kapitalismus. Sieht man auf die rückseitige Klappe, findet man unter den Zitaten, die das Buch loben unter anderem folgendes: „Ein erfrischendes Signal für die Zukunft“, Klaus Schwab, World Economic Forum. Der Mann, der jährlich in Davos das größte Treffen der globalen Kapitalisten organisiert, empfindet also ein Buch über „das Leben nach dem Kapitalismus“ als erfrischendes Signal für die Zukunft!
Die Regeln der derzeitigen Globalisierung sind nicht da, um etwa aus den Interessen aller Menschen ein gemeinsames Projekt zu destillieren. Im Gegenteil, es sind Gesetze, die die Interessen einer kleinen Minderheit allen anderen aufzwingt. Wer versuchte, sich zurückzuziehen, wie Freunde von mir in Skandinavien nach Tschernobyl, die im Wald lebten und dort Gemüse anbauten und Fische fingen, war der radioaktiven Verseuchung nur noch mehr ausgesetzt als die Leute in den Städten, die importierte, nicht radioaktive Lebensmittel kaufen konnten. Den Folgen etwa der CO2-Emissionen können wir uns noch weniger entziehen.
Es heißt, der Weltmarkt schafft Arbeitsplätze, aber weniger als ein Prozent der globalen Arbeitsplätze wurde von den Großunternehmen geschaffen, die diese enorme Macht haben. Warum? Weil solche Arbeitsplätze sehr teuer sind. Weil in Indien zum Beispiel die Kosten eines Arbeitsplatzes für die regionale Wirtschaft ungefähr ein Prozent der Kosten eines Arbeitsplatzes für die globale Wirtschaft ausmachen. In Industrieländern wie Großbritannien ist der Unterschied immer noch eins zu fünf. Gustavo Esteva, ein Mexikaner, der lange für die UNESCO arbeitete und sich dann in die Slums von Mexiko City zurückzog, stellte fest, dass es in den achtziger Jahren den Armen und den Ärmsten besser ging, als „die Wirtschaft“ zusammenbrach, weil sie außerhalb dieser Weltwirtschaft lebten. Plötzlich entstand eine Situation, in der die Mittelschicht es sich nicht mehr leisten konnte, zu McDonald’s zu gehen, und die Armen machten kleine Imbissbuden auf und hatten plötzlich genügend Kunden. Die Vertreter für elektrische Geräte US-amerikanischer Herkunft machten ihre Büros in Mexiko zu, und die Mittelschicht wusste gar nicht mehr, wo sie diese Geräte reparieren lassen konnte, bis die Armen dann Reparaturwerkstätten gründeten. Das geht natürlich immer weniger, wenn der Grad der Weltmarkt-Integration wächst. Dann können die Ärmsten sich am wenigsten schützen. Das erlebten wir in den neunziger Jahren bei der Krise in Fernost. Es war zwar so, dass es zum Beispiel