Mansfield Park. Jane Austen
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«Es ist nur ein hübsches, kleines Heidekrautstöckchen, Kind, das mir der nette, alte Gärtner geradezu aufgedrängt hat – aber wenn es dich stört, nehme ich es gleich auf meine Knie. Da, Fanny, du kannst dafür dieses Paket halten. Paß auf, laß es nicht fallen. Es ist ein Rahmkäse, genau wie der ausgezeichnete Käse, den wir zum Dessert hatten. Diese brave, alte Mrs. Whitaker wollte sich nicht zufrieden geben, bis ich nicht einen Käse angenommen hatte. Ich habe mich so lange wie möglich gesträubt, bis ihr beinahe die Tränen kamen – aber ich weiß, daß euere Mama gerade solchen Käse besonders gern ißt. Diese Mrs. Whitaker ist ein Juwel! Sie war ganz entsetzt, als ich sie fragte, ob am ersten Gesindetisch Wein getrunken wird, und sie hat zwei Hausmädchen entlassen, weil sie weiße Kleider trugen. Paß auf den Käse auf, Fanny. Nein danke, das andere Paket und den Korb kann ich schon alleine halten.»
«Was haben Sie denn noch mitgehen lassen, Tante?» fragte Maria, die durch die Komplimente an die Adresse Sothertons versöhnlicher gestimmt wurde.
«Mitgehen lassen! Was für ein Ausdruck, liebes Kind! Es sind nur vier oder fünf Eier von diesen prächtigen Fasanen, die Mrs. Whitaker mir beinahe mit Gewalt aufgezwungen hat; sie wollte sich absolut nicht abweisen lassen und sagte, es müßte mir doch eine angenehme Zerstreuung sein, da ich so ganz allein lebe, ein paar von den schönen Geschöpfen um mich zu haben. Ich werde der Geflügelmagd sagen, daß sie die nächste Bruthenne auf die Eier setzt, und wenn die Küken ausschlüpfen, kann ich sie zu mir übersiedeln und mir ein Gatter für sie ausborgen. In meinen einsamen Stunden wird es mir eine große Freude sein, mich mit den Tierchen zu befassen, und wenn ich Glück mit ihnen habe, soll euere Mutter auch ein paar bekommen.»
Es war ein wunderbarer Abend, still und milde, und die Fahrt so angenehm wie möglich. Doch als Mrs. Norris nichts mehr zu sagen hatte, herrschte im Wagen tiefes Schweigen. Niemand war mehr in Stimmung, und die Frage, ob der heutige Tag mehr Freude oder Pein gebracht hätte, mochte jedes Gemüt hinlänglich beschäftigen.
11. Kapitel
Mit allen seinen Mängeln lieferte der in Sotherton verbrachte Tag den Fräulein Bertram Anlaß zu weit angenehmeren Gefühlen als die Briefe, die kurz darauf aus Antigua eintrafen. Es war viel vergnüglicher, an Henry Crawford zu denken als an ihren Vater, und die Vorstellung, daß dieser Vater, wie die Briefe es verhießen, bald wieder in England sein würde, war ihnen wenig willkommen.
November war der düstere Monat, für den er seine Heimkehr ankündigte. Sir Thomas schrieb es mit soviel Bestimmtheit, als seine Erfahrung und Vorsicht nur zuließen. Seine Geschäfte waren jetzt so weit gefördert, daß er sich vornehmen konnte, die Überfahrt auf dem September-Paketboot anzutreten, und er hoffte, im November wieder mit seiner geliebten Familie vereinigt zu sein.
Maria war mehr zu bedauern als Julia, denn ihr brachte Sir Thomas einen Gatten mit; die Heimkehr des Vaters, der so innig um ihr Glück besorgt war, bedeutete für sie die unlösbare Verbindung mit dem Mann ihrer Wahl, auf den sich dieses Glück gründen sollte. Es war eine finstere Aussicht, und sie wußte nichts Besseres zu tun, als sie mit einem Nebel zu verhüllen und zu hoffen, daß sie etwas anderes erblicken würde, wenn der Nebel sich wieder hob; es würde ja nicht gleich Anfang November sein – alle möglichen Verzögerungen waren denkbar – eine schlechte Überfahrt – oder sonst etwas; das beliebte Etwas, mit dem alle sich so gern trösten, die beim Schauen ihre Augen und beim Nachdenken ihren Verstand verschließen. Ja, es würde frühestens Mitte November sein, und bis Mitte November waren es noch drei Monate. Drei Monate bedeuteten dreizehn Wochen. In dreizehn Wochen konnte sich viel ereignen.
Sir Thomas wäre tief gekränkt gewesen, hätte er nur halbwegs die Gefühle geahnt, mit der seine Töchter seiner Heimkehr entgegensahen, und der Umstand, daß eben diese Heimkehr in der Brust einer anderen jungen Dame das höchste Interesse erregte, hätte ihn wohl kaum darüber zu trösten vermocht. Miss Crawford, die mit ihrem Bruder nach Mansfield Park spaziert war, um dort den Abend zu verbringen, vernahm alsbald die freudige Nachricht; und obwohl sie ihr scheinbar nicht mehr Beachtung schenkte, als die Höflichkeit erforderte, und ihre Anteilnahme nur durch ein paar gemessene Worte ausdrückte, lauschte sie mit einer Aufmerksamkeit, die nicht so leicht zu befriedigen war. Mrs. Norris gab den Inhalt der Briefe wieder, und das Thema wurde fallengelassen. Doch als nach dem Tee Miss Crawford mit Edmund und Fanny am offenen Fenster stand und in die Abenddämmerung hinausblickte, während die Fräulein Bertram, Mr. Rushworth und Henry Crawford sich mit den Kerzen am Klavier zu schaffen machten, kam sie plötzlich wieder darauf zurück und sagte, sich der Gruppe zuwendend: «Wie glücklich Mr. Rushworth heute aussieht! Er freut sich auf den November.»
Edmund sah ebenfalls zu Mr. Rushworth hinüber, hatte aber nichts zu bemerken.
«Die Rückkehr Ihres Vaters wird ein großes Ereignis sein.» «Ja gewiß! Nach einer so langen Abwesenheit, die mit mancherlei Gefahr verbunden war!»
«Und andere große Ereignisse werden folgen: die Hochzeit Ihrer Schwester und Ihre Ordinierung.»
«Jawohl.»
«Seien Sie nicht beleidigt», sagte sie lachend, «aber es erinnert mich an die Helden der antiken Sage, die in die Ferne zogen, um große Taten zu vollbringen, und dann nach ihrer glücklichen Heimkehr den Göttern Opfer darbrachten.»
«In diesem Fall gibt es keine Opfer», sagte Edmund mit ernstem Lächeln und einem neuerlichen Blick zum Klavier hinüber. «Es ist ihr eigener Wille.»
«O ja, das weiß ich. Es war nur ein Scherz. Sie hat getan, was jedes Mädchen an ihrer Stelle tun würde, und ich zweifle nicht daran, daß sie sehr glücklich wird. Mein zweites Opfer haben Sie natürlich nicht verstanden.»
«Ich versichere Ihnen, daß meine Berufswahl genau so freiwillig ist wie Marias Heirat.»
«Es trifft sich gut, daß Ihre Neigung so gut mit dem Interesse Ihres Vaters zusammenstimmt. Wie ich höre, wartet hier in der Gegend eine fette Pfründe auf Sie.»
«Und Sie nehmen an, daß mich das beeinflußt hat?» «Nein, ganz sicher nicht!» rief Fanny.
«Danke für deine gute Meinung, Fanny, aber es ist mehr, als ich selber beschwören möchte. Im Gegenteil, der Umstand, daß ich auf dieses Amt zählen durfte, hat mich wahrscheinlich stark beeinflußt. Doch daran kann ich nichts Schlimmes finden. Ich hatte keinerlei angeborene Abneigung gegen den Beruf zu überwinden, und ich sehe nicht ein, warum ein Mann ein schlechterer Pfarrer sein sollte, weil er weiß, daß er schon in jungen Jahren sein Auskommen haben wird. Ich war in guten Händen. Ich hoffe, ich selbst würde mich durch keinen Vorteil in eine falsche Richtung drängen lassen, und ganz sicher hätte mein Vater bei seiner großen Rechtlichkeit es niemals zugelassen. Ja, zweifellos haben auch äußere Umstände mich beeinflußt, aber ich glaube, ich habe mir deswegen nichts vorzuwerfen.»
«Es ist das gleiche», sagte Fanny nach kurzem Nachdenken, «wie wenn der Sohn eines Admirals zur See geht oder der Sohn eines Generals in die Armee eintritt, und darin sieht gewiß niemand etwas Unrechtes. Niemand wundert sich, wenn ein junger Mann den Beruf wählt, in dem seine Freunde ihn am besten fördern können, und niemand verdächtigt ihn darum, daß es ihm nicht ernst damit sei.»
«Nein, meine liebe Miss Price, und das aus guten Gründen. In Ihren beiden Beispielen liegt die Rechtfertigung in den Berufen selbst. Alles spricht zu ihren Gunsten: Heroismus, Wagemut, Abenteuerlust, ja sogar der gute Ton. Militärs und Seehelden stehen in der Gesellschaft hoch im Kurs. Darum gibt es nichts zu wundern, wenn junge Leute diese Berufe wählen.»
«Wenn dagegen ein Mann in der Gewißheit, sein Amt antreten zu können,