Dr. Daniel Paket 2 – Arztroman. Marie Francoise
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»Er atmet nicht«, stieß Stefan hervor, dann trug er das Baby schnellstens nach nebenan. »Wo ist Dr. Leitner?«
»Ich weiß nicht, wo er bleibt«, erwiderte Schwester Irmgard, die ihm gefolgt war. »Er müßte längst hier sein.«
»Ist jetzt egal«, urteilte Stefan. »Dann müssen wir es eben ohne ihn schaffen. Der Kleine muß beatmet werden. Ich intubiere.«
Es war schwierig, bei dem Baby einen Tubus einzuführen, doch Stefan schaffte es schon beim ersten Versuch. Ungefragt übernahm Irmgard die künstliche Beatmung, während Stefan jetzt eine Spritze mit einem Atemstimulans aufzog und geschickt injizierte.
»Er braucht eine Glukoselösung«, murmelte Stefan.
»Er hat noch keine Venen«, gab Irmgard zu bedenken.
»Das weiß ich. Ich muß die Infusion am Kopf legen.«
Irmgard warf ihm einen kurzen Blick zu. »Haben Sie das denn schon mal gemacht?«
»Nein, aber ich habe auch noch nie zuvor einen Kaiserschnitt gemacht, und er ist mir trotzdem gelungen.«
Als Stefan die Infusionskanüle zur Hand nahm, hielt Irmgard unwillkürlich den Atem an, doch der junge Assistenzarzt bewies auch jetzt, daß ihm sein Beruf im Blut lag – genau wie es bei seinem Vater der Fall war.
»Infusion läuft«, erklärte er schließlich, und aus seiner Stimme klang dabei deutlich Erleichterung.
»Er wird langsam rosig«, meldete sich Irmgard, dann lächelte sie. »Ich glaube, Sie haben’s geschafft, Herr Doktor.«
Stefan nickte knapp. Seine Gedanken waren bereits bei Jana, die noch immer im Operationssaal lag und in der Zwischenzeit von Dr. Parker versorgt wurde – soweit das möglich war.
»Den Tubus festkleben und weiter beatmen«, ordnete Stefan an. »Wenn Dr. Leitner kommt…«
»Bin schon hier!« rief der Kinderarzt atemlos. »Tut mir leid, daß ich so spät komme, aber…«
Stefan hörte nur mit halbem Ohr hin. »Ich muß wieder hin-über. Irmgard, einen neuen Kittel bitte.«
Die Nachtschwester beeilte sich, der Aufforderung nachzukommen, dann folgte sie Stefan in den OP. Der Kinderarzt würde auch ohne sie fertig werden, aber Stefan brauchte sie wahrscheinlich noch.
»Wie sieht’s aus, Jeff?« fragte der Assistenzsarzt, kaum daß er den Operationssaal betreten hatte.
»Sie hat zwei Blutkonserven bekommen und einen Liter Kochsalzlösung«, antwortete Dr. Parker. »Der Blutdruck ist allerdings noch ziemlich niedrig. Achtzig zu fünfzig. Puls hundertzwölf.«
Stefan nickte. »Damit kann ich leben. Und sie kann es auch.«
Er trat an den OP-Tisch und machte da weiter, wo er zuvor aufgehört hatte. Vorsichtig entfernte er die Plazenta und vergewisserte sich, daß die Blutung zum Stillstand gekommen war, bevor er den Uterus gewissenhaft schloß.
»Blutdruck steigt«, erklärte Dr. Parker, dann sah er Stefan an. »Du hast ihr das Leben gerettet.«
Doch der junge Assistenzarzt schien das gar nicht zu hören. Er konzentrierte sich auf seine Arbeit, und erst als die Naht fertig war, nahm er seine eigene Erschöpfung überhaupt wahr. Er hatte das Gefühl, als würde er seit einer Ewigkeit im Operationssaal stehen, dabei war seit Beginn der Operation gerade mal eine Stunde vergangen.
»Jeff, bitte, sei so nett und bringe die Patientin auf Intensiv«, bat Stefan, während er mit müden Bewegungen den grünen Kittel und die Handschuhe abstreifte. »Ich kümmere mich dann gleich um sie.«
Dr. Parker, Schwester Irmgard und die Hebamme sahen ihm nach, wie er mit schleppenden Schritten in den Waschraum hinausging.
»Ganz der Vater«, urteilte Dr. Parker anerkennend. »Stefan ist fix und fertig, aber er will sich persönlich um die Patientin kümmern. Dr. Daniel hätte im gleichen Fall genauso gehandelt.«
»Er hätte auch alles andere so gemacht wie der junge Dr. Daniel«, fügte Irmgard hinzu. »Wahnsinn, was er da gerade geleistet hat.«
Dr. Parker und Anna Lüder nickten zustimmend.
»Ein Kaiserschnitt unter solchen Bedingungen hätte eigentlich einen erfahrenen Gynäkologen verlangt«, meinte die Hebamme. »Aber er hat nicht nur die Mutter beispielhaft operiert, sondern auch noch das Baby gerettet.« Sie sah Dr. Parker an. »Sie haben recht, der junge Dr. Daniel wird als Arzt einmal genauso gut wie sein Vater.«
*
Völlig erschöpft saß Stefan im Waschraum. Er hatte es gerade noch geschafft, seine Hände zu waschen und Horst Kemmerer zu informieren, daß er einen gesunden Sohn hatte und der Zustand seiner Frau zufriedenstellend war. Jetzt saß Horst im Säuglingszimmer bei seinem Baby, und Stefan hatte das Gefühl, als wäre er zu keiner Bewegung mehr fähig.
»Frau Kemmerer liegt auf der Intensiv«, erklärte Dr. Parker und riß ihn damit aus seinen Gedanken.
Langsam hob Stefan den Kopf. »Danke, Jeff. Ich gehe sofort zu ihr.«
Doch der junge Anästhesist legte ihm beide Hände auf die Schultern. »Irmgard kümmert sich bereits um die Patientin. Laß dir also ruhig ein bißchen Zeit, Stefan.« Prüfend sah er den Assistenzarzt an. »Ich glaube, du könntest jetzt einen starken Kaffee vertragen.«
Stefan nickte. »Das ist im Augenblick wirklich der einzige Gedanke, der mich begeistern kann.«
Dr. Parker wusch sich die Hände, dann trat er zu Stefan und legte ihm einen Arm um die Schultern.
»Na komm, gehen wir ins Ärztezimmer.«
Aber Stefan zog es nun doch zuerst zur Intensivstation. Er kam gerade rechtzeitig, denn Jana schlug jetzt zum ersten Mal die Augen auf.
»Mein Baby«, flüsterte sie schwach.
»Alles in Ordnung, Frau Kemmerer«, beruhigte Stefan sie. »Ich habe Ihren kleinen Sohn mit einem Kaiserschnitt geholt. Anfangs gab es ein paar Probleme, aber jetzt geht es ihm gut. Ihr Mann ist bei ihm, und sobald es Ihnen bessergeht, dürfen er und der Kleine Sie besuchen.«
Jana atmete erleichtert auf, dann fielen ihr die Augen wieder zu. Stefan blieb noch einen Moment neben ihrem Bett stehen, dann verließ er die Intensivstation wieder. Er wußte, daß Schwester Irmgard ein besonderes Auge auf die Patientin haben würde.
Mit aller Macht zog es Stefan nun ins Ärztezimmer, weil er wußte, daß Dr. Parker ihm in der Zwischenzeit einen heißen Kaffee aufgebrüht haben würde, doch sein Pflichtbewußtsein den Patienten gegenüber war stärker, und so zwang er sich zu einem Rundgang durch die Station, aber hier war alles ruhig. Auch die Patienten, die Dr. Metzler ihm noch ans Herz gelegt hatte, schliefen, und so konnte sich Stefan schließlich beruhigt ins Ärztezimmer zurückziehen.
Eine Tasse dampfenden Kaffees stand auf dem Tisch, und daneben lag ein Zettel von Dr. Parker.
Bin gleich wieder zurück, um Dir Gesellschaft zu leisten.
Stefan