Dr. Daniel Paket 2 – Arztroman. Marie Francoise
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Elio Sandrini war erstaunt, als er nach Hause kam und feststellen mußte, daß Chiara nicht daheim war. Sein erster Gedanke war, daß sie vielleicht wieder zu ihren Eltern gegangen war, doch als er das Haus verlassen wollte, sah er seine Frau mit einem fremden blonden Mann die Straße heraufkommen.
Elios Stirn legte sich in bedrohliche Falten.
»Was hat das zu bedeuten?« wollte er wissen, kaum daß
Chiara in Hörweite war.
»Elio, das ist Dr. Daniel, ein deutscher Arzt, der hier gerade Urlaub macht«, erklärte Chiara sofort. »Monsignore Antonelli hat mich auf ihn aufmerksam gemacht. Dr. Daniel ist Frauenarzt.«
Die Falten auf Elios Stirn glätteten sich wieder. Mit einem freundlichen Lächeln reichte er Dr. Daniel die Hand.
»Buon giorno, dottore«, grüßte er höflich, doch weiter kam er nicht, denn Chiara mischte sich ein. »Dr. Daniel versteht leider kein Italienisch.«
»Ich fürchte, dann wird es schwierig«, meinte Elio. »Durch die deutschen Touristen, mit denen ich gelegentlich zu tun habe, kann ich zwar ein bißchen Deutsch, aber…«
»Sie beherrschen meine Sprache sogar ganz ausgezeichnet«, fiel Dr. Daniel ihm ins Wort. »Ich nehme an, Sie können sich denken, worüber sich Ihre Frau mit mir unterhalten hat.«
Elio nickte. »Natürlich kann ich mir das denken, Herr Doktor.«
Mit einer einladenden Handbewegung ließ er Dr. Daniel eintreten und bot ihm Platz an, dann setzten er und Chiara sich ihm gegenüber, und Dr. Daniel bemerkte, wie sie sich zärtlich bei den Händen hielten. Spätestens in diesem Moment wußte Dr. Daniel, daß Chiaras Angst, von Elio verlassen zu werden, wirklich grundlos war. Überhaupt machte der junge Mann einen äußerst sympathischen Eindruck auf ihn.
»Es kann natürlich eine Menge Gründe geben, weshalb Ihre Frau nicht schwanger wird«, meinte Dr. Daniel. »Genaueres kann ich erst nach einer gründlichen Untersuchung sagen, aber zumindest eines scheint mir jetzt schon bedenklich: Ihre Frau steht unter einem viel zu großen Leistungszwang.«
»Ich weiß«, erklärte Elio, und in seiner Stimme schwang ein ärgerlicher Unterton mit. »Erst heute habe ich mit meinen Schwiegereltern darüber gesprochen. Es geht einfach nicht, daß sie Chiara in dieser Art und Weise zusetzen, aber…« Er zuckte die Schultern. »Mein Schwiegervater ist eine sehr dominierende Persönlichkeit, und er hat seine Familie von Anfang an unterdrückt. Keines seiner Kinder wagt ihm zu widersprechen – nicht einmal sein ältester Sohn, und der ist mittlerweile schon fast dreißig.«
Dr. Daniel nickte. So ähnlich hatte er sich das vorgestellt, obwohl ein solches Verhalten für ihn überhaupt nicht nachzuvollziehen war. Er selbst hätte sich seinen Kindern gegenüber niemals zu einem despotischen Herrscher aufgeschwungen.
»Ich habe es vorhin zu Chiara schon gesagt«, meinte Dr. Daniel. »Der Zyklus einer Frau ist durch äußere Einflüsse sehr leicht durcheinanderzubringen. Das heißt in Ihrem Fall, daß Chiara möglicherweise gar keinen Eisprung hat. Und je massiver die Streßsituation wird, um so schwieriger kann es sein, diesen normalen Zyklus wieder in Gang zu bringen.«
Elio und Chiara tauschten einen Blick.
»Ich werde mich bemühen, für Chiara eine möglichst entspannte Atmosphäre zu schaffen«, versprach Elio, dann sah er Dr. Daniel an. »Werden Sie trotzdem eine Untersuchung vornehmen? Ich meine…, wenn es nur an dieser unglücklichen Situation liegt, dann müßte man Chiara doch nicht noch zusätzlich quälen.«
»Das ist letzten Endes eine Entscheidung, die nur Sie beide treffen können«, entgegnete Dr. Daniel. »Aufgrund des wenigen, was ich weiß, kann ich körperliche Gründe natürlich nicht ausschließen. Eine umfassende Untersuchung ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht unbedingt erforderlich. Sie können erst mal versuchen, ob es mit der Schwangerschaft klappt, wenn die störenden Faktoren beseitigt sind – sofern sich das angesichts der Eltern Chiaras überhaupt durchführen läßt.« Er schwieg einen Moment. »Wenn Sie sich dann aber doch zu einer gründlichen Untersuchung entschlie-ßen sollten, würde ich Ihnen dringend empfehlen, einen gu-ten Gynäkologen aufzusuchen.«
Wieder tauschten Elio und Chiara einen langen Blick.
»Ich glaube, ich würde mich lieber von Ihnen untersuchen lassen«, meldete sich Chiara mit leiser Stimme zu Wort.
»Das läßt sich machen«, stimmte Dr. Daniel bereitwillig zu. »Monsignore Antonelli hat gesagt, daß es hier in der Nähe eine Klinik gibt, die zu einem Kloster gehört. Ich weiß zwar nicht, wie gut diese Klinik auf derartige Untersuchungen eingerichtet ist, aber sie wird vielleicht für die ersten Tests genügen, mit denen ich mir einen genaueren Überblick über die Situation verschaffen kann.« Er erhob sich. »Ich werde mich mit dem Monsignore unterhalten und Ihnen dann Bescheid sagen, wann wir die Untersuchung vornehmen können.«
Auch Elio stand auf. »Ich begleite Sie hinaus.«
Dr. Daniel reichte Chiara die Hand, dann legte er impulsiv einen Arm um ihre Schultern und drückte sie einen Augenblick an sich.
»Keine Sorge, Chiara, wir kriegen das schon irgendwie in den Griff«, erklärte er mit dem ihm eigenen sehr warmherzigen Lächeln.
»Danke, Herr Doktor«, flüsterte die junge Frau.
Währenddessen war Elio schon vorangegangen und schloß nun gewissenhaft die Tür hinter sich und Dr. Daniel.
»Vor Chiara wollte ich es nicht sagen«, erklärte er leise. »Sie leidet unter dem Druck, den ihre Eltern ausüben, schon so sehr.« Er seufzte. »Es sind nicht nur die Cardellos, die mir zu schaffen machen, sondern auch meine Eltern. Sie drängen mich schon seit einem Jahr, die Ehe mit Chiara annullieren zu lassen.«
Aufmerksam sah Dr. Daniel ihn an. »Werden Sie es tun?«
Ohne einen Augenblick zu überlegen, schüttelte Elio den Kopf. »Nein, auf gar keinen Fall.« Dann machte er ein bekümmertes Gesicht. »Aber ich fürchte, ich werde es immer schwerer haben, mich mit dieser Einstellung durchzusetzen.« Er schwieg einen Moment. »Wissen Sie, Herr Doktor, ich bin ein Einzelkind. Meine Mutter hatte große Probleme, Kinder auszutragen. Die meisten sind kurz nach der Geburt oder innerhalb des ersten halben Jahres gestorben. Aus diesem Grund bin ich der einzige Erbe. Meinen Eltern gehört die kleine Pizzeria am Ortsrand. Vielleicht sind Sie mal daran vorbeigekommen.« Er senkte den Kopf. »Wenn meine Ehe kinderlos bleiben würde, wäre für die Pizzeria kein Erbe mehr da.« Mit ernstem Blick sah er Dr. Daniel an. »Ich persönlich würde mich nicht scheuen, ein Kind zu
adoptieren, aber für meine Eltern würde damit eine Welt zusammenbrechen. Vor allem mein Vater ist so stolz auf den Namen Sandrini, daß er ein adoptiertes Kind nie wirklich akzeptieren könnte.«
Spontan legte Dr. Daniel ihm eine Hand auf die Schulter. »Machen Sie sich im Moment noch keine zu großen Sorgen darüber, Herr Sandrini. Ich werde versuchen, Ihnen zu helfen.«
*
»Alena, haben Sie einen Augenblick Zeit für mich?« fragte Dr. Stefan Daniel, als ihm die Gynäkologin der Waldsee-Klinik in der Eingangshalle begegnete.
Alena Reintaler lächelte. »Natürlich, Stefan. Worum geht’s denn?«
»Um