Liebeskunst. Ovid
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Küsse, Gewalt, männliche Initiative
Wer ist so dumm und mischt nicht Küsse unter die schmeichelnden Worte? Mag sie dir auch keine geben, nimm dir welche, ohne dass sie sie gibt. [665] Vielleicht wird sie zuerst dagegen ankämpfen und »Unverschämter!« sagen; sie wird aber im Kampf besiegt werden wollen. Nur nimm dich in Acht, dass ungeschickt geraubte Küsse den zarten Lippen nicht weh tun und dass sie sich nicht beklagen kann, sie seien grob gewesen. Wer sich Küsse nahm und das Übrige nicht nimmt, [670] verdient auch das, was ihm gegeben wurde, zu verlieren. Wie wenig hatte noch nach den Küssen bis zur vollen Wunscherfüllung gefehlt? Wehe mir, das war keine Scham, sondern Tölpelhaftigkeit. Magst du es auch Gewalt nennen, diese Art der Gewalt ist den Mädchen willkommen; was Freude macht, wollen sie oft geben, ohne es wahrhaben zu wollen. [675] Jede, der durch plötzlichen Liebesraub Gewalt angetan wurde, freut sich, und Unverschämtheit ist hier so viel wie ein Geschenk. Doch eine, die unberührt davonkam, obwohl sie hätte gezwungen werden können, wird traurig sein, mag auch ihr Gesicht Freude vortäuschen. Phoebe54 wurde vergewaltigt, Gewalt wurde ihrer Schwester angetan, [680] und beiden Geraubten war der Räuber lieb. Eine bekannte Geschichte, die aber erzählt zu werden verdient, handelt von der Verbindung zwischen dem Mädchen von Scyrus und dem haemonischen Mann55. Schon hatte die Göttin56, die zu Füßen des Idahügels über zwei andere Göttinnen den verdienten Sieg davontrug, den verhängnisvollen Lohn für das Lob ihrer Schönheit ausbezahlt. [685] Schon war die Schwiegertochter57 vom anderen Ende der Welt zu Priamus gekommen und lebte als griechische Ehefrau in Ilions Mauern. Alle schworen den Eid, den der gekränkte Gemahl vorsprach, denn die Kränkung des einen war Sache der Allgemeinheit. [689] Achills Männlichkeit war (eine Schande, aber er hatte es seiner Mutter auf ihre Bitte hin zugestanden) unter einem langen Frauengewand verheimlicht. Was tust du, Aeacus’ Spross58? Wollarbeiten sind nicht deine Aufgabe. Du wirst in einer anderen Kunst59 der Pallas nach Ruhmestiteln streben. Was hast du mit Körbchen zu tun? Deine Hand ist dazu geschaffen, einen Schild zu tragen. Was hältst du Wolle in der Hand, durch die Hektor fallen soll? [695] Wirf die Spindel weg, die mit fleißig gesponnenem Garn umwunden ist! Diese Hand muss die pelische Lanze60 schütteln. Gerade war die jungfräuliche Königstochter in demselben Gemach; sie erfuhr durch seine Gewalttat, dass er ein Mann war. Er besiegte sie zwar mit Gewalt (so ziemt es sich zu glauben), [700] aber sie wollte doch mit Gewalt besiegt werden. Oft sagte sie: »Bleib!«, als Achill schon enteilte; denn er hatte den Spinnrocken beiseite gelegt und sich die kriegerischen Waffen genommen. Wo ist nun die Gewalt, von der die Rede war? Was hältst du mit schmeichelnder Stimme den Mann auf, der dich schändete, Deïdamia? [705] Nicht wahr: Man schämt sich zwar, bei gewissen Dingen selbst den Anfang zu machen, aber man erduldet sie gern, wenn ein anderer damit beginnt. Ach, allzu viel bildet sich der junge Mann auf seine Schönheit ein, der abwartet, bis das Mädchen ihm zuerst einen Antrag macht. Der Mann tue den ersten Schritt, er spreche bittende Worte, [710] und sie möge die schmeichelnden Bitten liebenswürdig aufnehmen. Willst du sie erlangen, so bitte du sie! Sie will nur gebeten sein. Schaffe den Anlass und mache den Anfang zur Erfüllung deines Wunsches. Iuppiter ging als Bittflehender zu den Heroinen der Vorzeit; kein Mädchen hat von sich aus den großen Iuppiter verführt.
Gespielte Zurückhaltung
[715] Wenn du aber spürst, dass aus deinen Bitten hochmütige Sprödigkeit erwächst, so übe Zurückhaltung und ziehe dich etwas zurück. Was flieht, begehren viele, sie verabscheuen, was zudringlich ist; nimm ihr den Überdruss an dir, indem du sie sanfter bedrängst. Nicht immer muss der Werbende offen bekennen, dass er sich Liebe erhofft. [720] Lass Amor sich unter dem Decknamen der Freundschaft einschleichen. Ich habe gesehen, dass ein sprödes Mädchen sich durch diese Art der Einführung täuschen ließ; wer ein Verehrer gewesen war, war unversehens zum Liebhaber geworden.
Das Aussehen des Liebenden
Einem Seemann steht schneeweiße Hautfarbe übel zu Gesicht, er muss vom Meerwasser und den Strahlen des Tagesgestirns gebräunt sein. [725] Schlecht steht sie auch dem Bauern, der immer mit gekrümmter Pflugschar und wuchtiger Hacke unter Iuppiters freiem Himmel den Erdboden aufwühlt. Und wenn du nach dem Ruhm des Kranzes vom Baum der Pallas61 strebst und dabei einen schneeweißen Leib hast, steht dir das schlecht. Aber jeder Liebende sei bleich; diese Farbe passt zu dem Liebenden; [730] so gehört es sich; bedenke, dass sich dies für einen jeden bewährt hat!62 Bleich um der Side willen irrte Orion durch die Wälder; bleich um der unnachgiebigen Naïs willen war Daphnis. Auch Magerkeit verrate, wie es um dein Herz steht, und halte es nicht für eine Schande, eine Kapuze auf dein glänzendes Haar zu legen. [735] Durchwachte Nächte, Sorge und tiefer Liebeskummer zehren am Leib der jungen Männer. Um deinen Wunsch erfüllt zu sehen, musst du bejammernswert sein, so dass jeder, der dich sieht, sagen kann: »Du bist verliebt.«
Warnung vor Freunden
Soll ich klagen oder daran erinnern, dass es keine Schranke zwischen Recht und Unrecht gibt? [740] Freundschaft ist nur ein Name, Treue ein leeres Wort. Weh mir, es ist nicht gefahrlos, die Geliebte vor dem Freund zu loben. Hat er deinem Lob Glauben geschenkt, schleicht er sich selbst auf deinen Platz. »Aber der Actoride63 hat Achills Bett nicht entweiht; was Pirithous64 betraf, war Phaedra keusch; [745] Pylades65 liebte Hermione wie Phoebus die Pallas66 und wie Castor seine Zwillingsschwester Helena.« Hofft einer dasselbe, so mag er auch hoffen, dass Tamarisken Äpfel regnen lassen, und er mag mitten im Fluss Honig suchen. Nur das Böse macht Spaß; jeder denkt nur an sein Vergnügen; [750] und dieses ist auch willkommen, wenn es aus dem Leid eines Anderen entspringt. Wehe! Nicht vor dem Feind muss der Liebende sich fürchten; entkomme denen, die du für treu hältst: Erst dann bist du sicher. Hüte dich vor dem Verwandten, dem Bruder und dem lieben Freund: Diese Schar wird dir begründete Furcht einjagen.
Der Liebende als Verwandlungskünstler
[755] Ich wollte schon zum Schluss kommen, aber ein Mädchenherz ist nicht wie das andere; wisse tausend Herzen auf tausenderlei Art zu nehmen! Einerlei Boden bringt nicht alles hervor: Der eine ist geeignet für Reben, der andere für Oliven; hier gedeiht der Emmer vortrefflich. Es gibt so vielerlei Charaktere wie Gesichter. [760] Wer klug ist, wird sich unzähligen Wesensarten anpassen können und wie Proteus sich bald zu fließendem Wasser verflüchtigen, jetzt ein Löwe, jetzt ein Baum, jetzt ein borstiger Eber sein. Manche Fische fängt man mit der Harpune, andere mit dem Angelhaken, wieder andere werden von geräumigen Netzen am strammen Seil fortgeschleppt. [765] Ebenso wenig wird zu jedem Lebensalter ein und dieselbe Methode passen; eine bejahrte Hirschkuh wird den Hinterhalt schon aus größerer Entfernung erkennen. Wenn du der Ungebildeten gelehrt und der Schamhaften frech erscheinst, wird die Ärmste sofort ihr Selbstvertrauen verlieren. So kommt es, dass eine, die zu scheu war, sich einem Anständigen anzuvertrauen, [770] sich erniedrigt und einem Geringeren an den Hals wirft.
Überleitung
Ein Teil unseres Vorhabens ist noch übrig, ein anderer zu Ende. Hier sei der Anker geworfen, hier halte er unser Schiff fest.
Zweites Buch
Einleitung
Ruft: »Io Paean!« und nochmals »Io Paean!« Die gewünschte Beute ist mir ins Netz gegangen. Froh schenkt der Liebende meinem Gedicht die grüne Siegespalme; er zieht es dem Hesiod67 und dem alten Homer vor. [5] In dieser Stimmung hat der Priamussohn68 als Fremdling zusammen mit der geraubten Gattin69 aus dem waffentragenden Amyclae70 die weißen Segel dem Wind anvertraut. Ebenso stolz war der Mann, der dich auf siegreichem Wagen entführte, Hippodamia71, die du auf fremdländischen Rädern fuhrst.