Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman. Friederike von Buchner
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Auf dem kleinen Flugplatz herrschte emsiges Treiben. Viele Hobbypiloten waren gekommen, um das Wochenende und das schöne Wetter für ein paar Flugstunden zu nutzen oder um die Maschinen zu pflegen und durchzuchecken. Soeben wurde ein motorloser Segelflieger von einem Schleppflugzeug in die Höhe gezogen. Wenke Hellström beobachtete fasziniert, wie sich die Fahrwerke der beiden Flugzeuge von der Startpiste lösten und ihren Flug nach oben aufnahmen; der leichte Segler durch ein Schleppseil mit seinem größeren, motorisierten Bruder verbunden. Irgendwann würde er sich von ihm trennen und in ein hinreißendes Wechselspiel aus elegantem Gleitflug und dem Steigen im Aufwind eintauchen. Als begeisterte Seglerin wusste Wenke einen guten Wind zu schätzen und liebte das Spiel mit ihm – allerdings auf dem Wasser und nicht in der Luft. Schon als kleines Kind war das Segelboot ihr zweites Zuhause gewesen. Diese Leidenschaft hatte sie nie verloren, auch wenn man das nach den jüngsten Ereignissen vermuten dürfte. Es waren fast zwei Wochen vergangen, seit sie zusammen mit Lars bei einem schweren Unwetter in Seenot geraten war. Während es ihm gelang, am gekenterten Boot zu bleiben, wurde sie abgetrieben und galt vier endlos lange Tage als vermisst. Seit etwas mehr als einer Woche war Wenke nun zurück. Lars, ihr Lars hatte sie gerettet! Aus den Händen des merkwürdigen Karl Aresson, der Strandgut sammelte und sie nicht von seinem Hof hatte fortlassen wollen. Nein, verständlicherweise hatte Wenke bislang noch keinen großen Drang verspürt, wieder eine Segeltour zu unternehmen. Seit sie wieder in Lündbjorg war, fühlte sie sich wie in einem Kokon eingesponnen, aus dem sie nicht richtig herauskam. Obwohl sie sich bemühte, es niemanden merken zu lassen. Die Ereignisse auf der abgelegenen Landzunge auf dem Hof von Karl Aresson hatte sie tief in sich verschlossen. Etwas in ihr weigerte sich, darüber zu sprechen. Selbst mit Lars konnte sie darüber nicht reden. Ihr Wiedersehen mit ihm war unaussprechlich und innig gewesen.
Der Marktplatz von Waldkogel lag in der Morgensonne. Bürgermeister Fritz Fellbacher stand auf den Stufen der Rathaustreppe. Die Hände tief in den Hosentaschen seiner grünen Lodenhose vergraben, schaute er sich um. Toni fuhr mit seinem Geländewagen vorbei, hupte und winkte ihm zu. Im Rückspiegel sah Toni, daß Fellbacher ihm nicht nachwinkte. Das wunderte Toni. Bürgermeister Fritz Fellbacher war ein freundlicher Mann.
Toni hielt an. Er parkte und stieg aus.
Bürgermeister Fellbacher stand immer noch regungslos auf der Rathaustreppe. Antonius Baumberger, von allen seit seiner Kindheit Toni gerufen, ging auf Fellbacher zu.
»Grüß Gott!« sagte er laut.
Bürgermeister Fellbacher erschrak.
»Grüß Gott, Toni! Wo kommst du denn her?«
Toni lachte.
»Mei, Fellbacher! Du bist lustig! Ich bin eben hier mit dem Auto vorbeigefahren. Ich habe gehupt. Aber du hast net reagiert.«
»Bin in Gedanken gewesen, Toni! Des mußt mir nachsehen! Du weißt, daß des net meine Art ist, die Leut’ zu übersehen und zu überhören.«
»Des weiß ich doch, Fellbacher! Des muß ja wirklich etwas sehr Wichtiges sein, das dich so beschäftigen tut. Hast einen Kummer? Ärgert dich die obere Verwaltungsbehörde in Kirchwalden wieder?«
Toni wußte, daß sich Fellbacher oft mit der Verwaltungsbehörde anlegte. Fritz Fellbacher war ein Bürgermeister, der praktisch dachte. Er konnte und wollte einfach nicht einsehen, daß er irgendwelche Verwaltungsvorschriften hinnehmen sollte. Besonders, wenn es um das Wohl einzelner Bürger ging, dann konnte Fritz Fellbacher der Verwaltung schon Ärger machen. Weil er sich für jeden in Waldkogel so einsetzte, wurde er von allen geschätzt.
»Na, red schon, Fellbacher! Was drückt dich?«
»Hast einen Augenblick Zeit, Toni? Kannst mit mir reinkommen oder mußt gleich weiter?«
»Du hast immer Zeit für uns, also nehme ich mir auch die Zeit für dich! Nun red’ schon, was ist los?«
Die beiden gingen in Fellbachers Amtsstube. Fritz Fellbacher schenkte erst einmal einen Schnaps ein.
»Es geht um den Marktplatz! Die Nachbargemeinden, die machen auf ihren Marktplätzen einmal in der Woche Markt. Des zieht viele Leute an. Des ist bei einigen schon richtig zu einem Tourismusmagnet geworden. Die verkaufen da net nur Obst, Gemüse, Brot, Butter, Sahne… und so was. Auch Kunsthandwerk wird angeboten. Was mich dabei ärgert ist, daß des net alles aus den Orten ist. Die kaufen des im großen Stil ein. Des Zeug wird net in Handarbeit gefertigt, sondern ist Fabrikware. In meinen Augen ist des eine Schande. Des ist wahrer Etikettenschwindel. Es ärgert mich. Außerdem bekommen die sogar dafür noch Fördergelder aus der Staatskasse.«
»Ja, ich habe auch schon davon gehört. Was willst dagegen machen, Fellbacher? Willst jetzt auch so einen Wochenmarkt veranstalten?«
»Genau, darum geht es mir! Deshalb habe ich – also die Gemeinde Waldkogel – einen Antrag gestellt.«
»Des war ein gute Idee, Fellbacher! Was denen zusteht, steht den Waldkogelern schon längst zu.«
Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Bürgermeisters.
»Ja! Das waren auch meine Gedanken!«
Bürgermeister Fellbacher schlug mit der Hand auf den Tisch.
»Aber nix ist! Abgelehnt! Ja, abgelehnt haben sie es! Sie wollen noch nicht einmal die Erlaubnis erteilen, daß wir hier auch ohne Förderung so einen Markt machen.«
»Mei, des ist ja vielleicht ein Ding!« staunte Toni. »Mit welcher Begründung?«
Bürgermeister Fritz Fellbacher holte das Schreiben aus einer Mappe auf seinem Schreibtisch. Er reichte es Toni, damit sich dieser selbst davon überzeugen konnte.
Toni las.
»Mei, des ist ja wirklich eine Unverschämtheit! Zu behaupten, nur traditionelle Märkte bekämen Unterstützung!«
Bürgermeister Fellbacher nahm das Schriftstück wieder an sich.
»Nach den Buchstaben der gesetzlichen Verordnungen mag des ja zutreffen. Im Gegensatz zu einigen anderen Orten haben wir hier in Waldkogel seit einigen Jahrzehnten keinen regelmäßigen Markt mehr gemacht. Wir machen unsere Feste: Kirchweih, Schützenfest, Holzhackerfest, Feuerwehrfest, Sommerfeste der Vereine und was sonst noch so ansteht. Fast jeden Monat ist doch etwas. Aber das fällt alles net unter diese Verordnung. Die meisten Höfe, die verkaufen ihre Waren über ihre Hofläden. Deshalb hat des aufgehört mit dem Markt.«
»Des stimmt schon! Doch es müßte sich doch etwas machen lassen und wenn es nur einmal im Monat ist, Fellbacher!«
»Darüber habe ich auch nachgedacht. Mir fehlt nur noch die richtige Idee!«
Die Gemeindesekretärin brachte Kaffee. Die nächste Stunde saßen Toni und Bürgermeister Fritz Fellbacher zusammen. Sie überlegten.
»Dann gründen wir eine neue Tradition! Jeden ersten Sonntag ist Sonntagsmarkt. Er beginnt nach dem Mittagessen und dauert, bis die Sonne untergeht. Am Schluß gibt es ein großes Feuer hinten beim Sportplatz und Tanz.«
»Toni, des ist eine gute Idee! Ich garantiere, daß nur einheimische Produkte angeboten