Toni der Hüttenwirt Paket 2 – Heimatroman. Friederike von Buchner
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Tina hielt sich mit beiden Händen am Geländer fest. Sie schaute Poldi nicht an.
»Was machst du hier?«
Poldi lächelte sie an.
»Ich habe eine Wanderung gemacht. Bin auf der Berghütte gewesen.«
»Haben dir Toni und Anna verraten, daß ich hier bin?« fragte Tina dazwischen.
»Naa! Keine Sorge. Sie sagten nur, du seist ganz in der Nähe. Jetzt finde ich dich hier. Des ist ein schöner Zufall. Ist der Bello auch hier? Ich sehe ihn nicht.«
»Bello ist dort! Der Mann hat eine Hündin. Die scheint dem Bello zu gefallen. Schau, er weicht nicht von ihrer Seite.«
»Das ist auch eine besonders schöne Hündin. Die Jagdhündin hat ein schönes braunes Fell.«
»Ja, das hat sie!«
Tina ging zu Bello und nahm ihn an die Leine.
»Das ist aber nicht nett, Tina! Laß ihm doch die Freude«, sagte Poldi.
Tina schwieg. Sie setzte sich auf die Bank, ganz rechts außen. Sie legte einen Arm auf die Armlehne. Sie forderte Bello auf, neben ihr auf der Bank Platz zu machen. Bello ließ sich das nicht zweimal sagen. Er ließ sich nieder und legte seinen großen Kopf auf Tinas Schoß. Tina kraulte ihm das Fell.
Das hat sie mit Absicht gemacht, dachte Poldi. Sie will nicht, daß ich ihr zu nah komme. Aber leiden kann sie mich schon, sonst wäre sie nicht rot geworden. Sonst wäre Tina nicht so verlegen, überlegte Poldi.
Die Wandergruppe brach auf. Poldi wartete, bis sie außer Hörweite waren. Dann fragte er:
»Hast etwas dagegen, wenn ich mich einen Augenblick zu dir setze?«
Tina zuckte mit den Schultern. Doch sie schubste Bello nicht von der Sitzbank. So blieb Poldi nichts anderes übrig, als sich ans äußerste andere Ende der Bank zu setzen.
»Gehst oft hierher?« fragte er.
»Ja! Meistens bin ich hier alleine. Auf der Berghütte sind sehr viele Leute. Das ist ja auch gut so für Toni und Anna. Aber mir ist es oft zuviel. Sicherlich könnte ich in der Kammer bleiben. Aber das wäre doch schade. Die Berge sind so wunderschön. Diese Aussicht! Der sanfte Wind! Der Duft nach Gras und Tannen! Das ist für dich vielleicht nichts Besonderes. Aber ich kenne nur das Meer. Dort riecht es nach Salz und Schlick. Es weht ständig ein starker Wind. Meistens ist er recht kühl. Das Meer am Abend ist schön, wenn sich die Wellenkämme im Abendrot rosa färben. Aber die Berge hier, das ist eine ganz andere Schönheit. Sie ist nicht schöner als das Meer. Ich will nicht vergleichen, was schöner ist. Es ist anders. Für mich ist das eine neue Erfahrung. Ich beobachte gern die Adler, wenn sie hoch oben kreisen. Sie strahlen so eine wunderbare Ruhe aus. Die Möwen sind sehr lebhaft und kreischen. Bist du schon einmal am Meer gewesen, Poldi?«
»Naa! Ich war noch nie am Meer. Ich habe noch nie Urlaub gemacht. Selbst während des Studiums bin ich jedes Wochenende heimgefahren. Ich wollte der Mutter helfen. Es ist nicht leicht für sie gewesen.«
Poldi schwieg eine Weile. Tina schwieg und kraulte Bello dann weiter.
»Die Mutter war bei Bollers einkaufen, hat sie mir erzählt. Sie kennt dich, Tina. Sie findet dich sehr nett.«
»Danke! Ich finde deine Mutter auch sehr freundlich. Hatte sie jetzt schon Geburtstag?«
»Ja!«
»Sie schaut sehr jung aus für ihr Alter. Sie wirkt eher wie eine ältere Schwester von dir, nicht wie deine Mutter.«
»Ja, des stimmt. Man sieht ihr die fünfzig Jahre nicht an.«
»Die beiden Dirndl haben ihr gefallen?« fragte Tina.
»Ja, das eine hat ihr sehr gut gefallen, das grüne Dirndl mit dem bunten Schultertuch. Sie war sehr überrascht über meine gute Wahl. Das hat sie mir nicht zugetraut. Ich gestand ihr, daß du mich beraten hast.«
Als könnte Poldi Tinas Gedanken lesen, sagte er:
»Jetzt denkst du an das rosa Dirndl, stimmt’s?«
Tina schaute ihn kurz an und lächelte.
»Die Farbe steht Mutter nicht so gut. Das habe ich mir schon gedacht, als du es mir im Laden gezeigt hast. Zu dir hat es gepaßt. Es sah perfekt aus.«
»Ich habe das Kleid nur vorgeführt!«
»Das weiß ich, aber ich muß dir jetzt etwas gestehen, Tina! Ich habe das Dirndl nicht für meine Mutter gekauft. Ich kaufte es in der Absicht, daß du darin mit mir ausgehst. Wie wäre es damit?«
Tina schaute Poldi mit großen Augen an.
»Was…was… was heißt das?«
»Das war eine Einladung. Hast du das nicht verstanden?«
Tina streichelte Bello den Rücken.
»Glaubst du, du kannst mich verführen, mit dir auszugehen, wenn du mir das Dirndl… gibst? Poldi, ich bin nicht verführbar. Nicht für ein Dirndl und auch nicht durch etwas anderes. Vielleicht kannst du es bei Bollers zurückgeben. Soll ich mit Franz Boller sprechen? Ich kann sagen, daß es deiner Mutter nicht gefallen hat.«
»Mei, Tina! Schau! Ich muß immer und immer wieder an dich denken, seit wir uns in Bollers Laden begegnet sind. Geht es dir nicht auch so?«
Tina antwortete nicht.
»Du sagst nichts! Das bedeutet ›ja‹?«
»Sagen wir ›jein‹. Ich denke nach der Arbeit oft noch an meine Kunden, und du bist mein erster Kunde gewesen. So denke ich an dich!«
»Nicht mehr?«
Tina schwieg erneut.
»Also leugnen tust du es nicht. Das freut mich! Tina, ich möchte dich gern näher kennenlernen. Du gefällst mir. Nimm doch bitte das Dirndl als Geschenk.«
»Ein solches Geschenk bringt Verpflichtungen mit sich. Ein solches Andenken an die Zeit in Waldkogel möchte ich nicht.«
»Klingt, als wolltest du wieder fort.«
»Das will ich auch, Poldi. Schau, ich habe hier nur Urlaub gemacht. Dann hat es sich ergeben, daß ich bei Bollers im Laden aushelfen konnte. Auf diese Weise bin ich schon länger geblieben als ich vorhatte. Veronikas Genesung schritt doch langsamer voran, als alle angenommen haben.«
»Du konntest deinen Urlaub einfach so verlängern?«
Tina schüttelte den Kopf. Sie erzählte Poldi, daß sie zu ihrer alten Arbeitsstelle nicht mehr zurückkehren konnte, weil es diese nicht mehr gibt.
»Dann bist eigentlich arbeitslos gewesen!«
»Richtig! Deshalb wollte ich erst nur zwei Wochen bleiben. Weil ich auch Zeit brauche, mir