Geschichte Österreichs. Walter Pohl L.

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Geschichte Österreichs - Walter Pohl L. Reclams Ländergeschichten

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1002 überschritten auch die königlichen Landschenkungen erstmals den Wienerwald. An dessen östlichen Abhängen, dazu im Weinviertel zwischen den weit auseinanderliegenden nördlichen Donauzuflüssen Kamp und March vergabte König Heinrich II. dem Babenberger Markgrafen Heinrich I. in diesem Jahr ausgedehnteren Besitz als Legitimation und Auftrag gleichermaßen zur Erschließung des dünnbevölkerten Landes. Im Kerngebiet der Mark an der Donau trieben die Passauer Diözesanbischöfe unterdessen im Zusammenwirken mit dem König, der der Passauer Kirche 1014 an fünf Orten im Ostland Gut jeweils für die Errichtung einer Kirche und den Unterhalt des Geistlichen zuwies, die Seelsorge- und Pfarrorganisation energisch voran. Den Kirchenzehent im Markengebiet nördlich der Donau erhielt Passau 1025 durch König Konrad II. zugesprochen. Schritt um Schritt nahm die Mark der Babenberger nun Konturen an. Der erste seiner Familie vielleicht, der seine Hauptinteressen in der Mark sah, war der Babenberger Adalbert (1018–1055), auch er noch ein Sohn des Markgrafen Leopold I. Hatte die Ehe des ungarischen Königs Stephan mit der bayerischen Herzogstochter und Schwester Kaiser Heinrichs II., Gisela, dem bayerisch-ungarischen Grenzraum mehrere friedlichere Jahrzehnte beschert, so trat man um 1030 wieder in eine Phase der kriegerischen Auseinandersetzung mit den Ungarn ein. Mehrere Kriegszüge König Heinrichs III. gegen die Magyaren in den vierziger Jahren des 11. Jahrhunderts ließen schließlich March und Leitha zur dauerhaften Grenze des Reichs werden. Der König gedachte, den von den Ungarn aufgegebenen, schmalen siedlungsleeren Streifen im östlichen Weinviertel und zwischen Fischa und Leitha durch eine neue Mark militärisch-administrativ zu organisieren. Eventuell, so glaubte die ältere Forschung, könnte der Salier analog zu dieser »ungarischen« Mark auch im Norden der alten bayerischen Mark eine »böhmische« Mark eingerichtet haben. Letzteres gilt heute freilich als widerlegt, die »böhmische« Mark Heinrichs III. als eine Konstruktion der Gelehrten des 19. und 20. Jahrhunderts. Was die 1045 erstmalig bezeugte »ungarische« Mark (Neumark) betrifft, so blieb deren Existenz ephemer. Bereits um die Mitte des Jahrhunderts scheint der östliche Grenzstreifen in der alten bayerischen Mark der Babenberger aufgegangen zu sein.

      Einen Namen für die bayerische Mark im Osten kannte die politische Sprache um die Jahrtausendwende noch nicht. Den Gewohnheiten der Zeit entsprechend identifizierte man die Mark in den Königsdiplomen mittels der Person des Markgrafen, den Begriff marchia orientalis (Ostmark) gebraucht erst Otto von Freising im 12. Jahrhundert in seinen Gesta Friderici imperatoris (Die Taten des Kaisers Friedrich [Barbarossa] ). Das lateinische oriens oder orientalis kommt nur in Verbindung mit geographischen Gegendbegriffen vor, und mit einem solchen Gegendbegriff verknüpft erscheint auch 996 der zukunftsträchtige Name Ostarrîchi (Gebiet im Osten) zum ersten Mal bezogen auf einen Landstrich in der bayerischen Mark an der Donau. Am 1. November dieses Jahres schenkte Kaiser Otto III. dem Hochstift Freising Besitz in Neuhofen im heutigen westlichen Niederösterreich. Diese Güter lagen – so das kaiserliche Diplom – in der Mark und Grafschaft des Grafen Heinrich, des Sohnes des Markgrafen Leopold, in einem volkssprachlich Ostarrîchi genannten Gebiet. Indem Ostarrîchi in der Folge häufiger mit der Bezeichnung pagus (Gau) und nach der Mitte des 11. Jahrhunderts zuletzt auch mit marcha (Mark) verbunden wurde, entwickelte sich daraus langsam der Name für die bayerische Mark an der Donau.

      Keine einzige historiographische Quelle berichtet von der Entstehung des Herzogtums Kärnten, einem Ereignis, das die politische Gliederung des Ostalpenraums im letzten Viertel des 10. Jahrhunderts wesentlich umgestaltete. Nachdem Kaiser Otto II. den stets unruhigen Bayernherzog Heinrich den Zänker im Jahre 976 abgesetzt hatte, tritt ein Angehöriger des alten liutpoldingischen Hauses namens Heinrich als Herzog der Karantanen entgegen. Dass damals eine Abtrennung Kärntens von Bayern erfolgte, lässt sich allenfalls aus späterer Sicht erkennen. Für die Zeitgenossen mochte die Situation durchaus nicht so neu und bemerkenswert scheinen. Man denke nur an das karantanische (Unter-)Herzogtum des Liutpoldingers Berthold neben dem Bruder Herzog Arnulf von Bayern in den zwanziger Jahren des 10. Jahrhunderts. Berthold und Arnulf waren Vater bzw. Onkel des 976 von Kaiser Otto II. installierten Kärntner Herzogs, dessen Zuständigkeitsbereich sich aus den spärlich verfügbaren Quellen im übrigen kaum deutlicher abzeichnet als jener seines Vaters Berthold fünf Jahrzehnte früher. Eine immer noch sehr in anachronistischen territorialen Kategorien verhaftete Geschichtsschreibung sieht das Kärntner Herzogtum des ausgehenden 10. Jahrhunderts gerne als ein großes, vom Alpenhauptkamm bis an die Save und von Verona bis zum Semmering sich erstreckendes politisches Gebilde. Tatsächlich konnte die Markgrafschaft Verona als zum Königreich Italien gehörig gar nicht Teil des Herzogtums Kärnten sein. Hier bestand nur eine Personalunion, auch wenn die Mark Verona ihres höheren Entwicklungsstandes wegen im 11. Jahrhundert häufig den Interessenschwerpunkt der Kärntner Herzöge bildete. Aber auch die Mark an der mittleren Mur dürfte ungeachtet der zeitweiligen Benennung als Karantanische Mark wohl nicht zum Herzogtum Kärnten gehört haben, sondern mit Bayern verbunden geblieben sein. Als folgenschwer für die hochmittelalterliche Entwicklung sollte es sich erweisen, dass die Kärntner Herzöge in raschem Tempo wechselten – bei zwölfmaligem Wechsel zehn verschiedene Herzöge innerhalb von einem Jahrhundert – und sich keine dynastische Kontinuität einstellte. Zwar entstammten die Herzöge den ersten Familien des Reichs wie der Salier Otto von Worms (reg. 978–985 und 995–1004), der Großvater Kaiser Konrads II., Welf III. (reg. 1047–1055) oder Berthold von Zähringen (reg. 1061–1077), doch deren eigentliche Interessen lagen fernab von Kärnten, und auch über Besitz in »ihrem« Herzogtum verfügten sie nur sehr begrenzt oder gar nicht. Weit davon entfernt, die Position der Kärntner Herzöge stärken zu wollen, legten die römisch-deutschen Könige und Kaiser die für den Weg nach Italien geopolitisch wichtigen Plätze im karantanischen Zentralraum seit dem Ende des 10. Jahrhunderts in die Hände der hohen Geistlichkeit. So gelangte das an einer Schüsselstelle des Nord-Süd-Verkehrs gelegene Villach durch Kaiser Heinrich II. an die von diesem gestiftete Bamberger Kirche. Auch das Erzstift Salzburg wurde reich bedacht.

      Mehr noch als in Kärnten prägte die ottonisch-salische Reichskirchenpolitik die Geschicke der Landschaften an Inn, Etsch und Eisack. Die hervorragende geopolitische Lage rückte das Passland Tirol in den Mittelpunkt der Interessen der römisch-deutschen Könige, die vermehrt Brenner und Reschen für ihren Weg aus dem Norden nach Italien wählten. Um diesen strategisch so wichtigen Verkehrsweg in sicheren Händen zu wissen, betrauten die römisch-deutschen Herrscher seit Heinrich II. die Bischöfe von Brixen und Trient mit der Ausübung weltlicher Hoheitsrechte im Tiroler Raum. Ganze Grafschaften gelangten an die Bischöfe, so bereits 1004 die Grafschaft Trient an den dortigen Oberhirten. Seinen Höhepunkt erreichte das sogenannte ottonisch-salische Reichskirchensystem unter Kaiser Konrad II., der dem Trienter Bischof 1027 die Schenkung von 1004 bestätigte und die Grafschaften Vinschgau und Bozen hinzufügte. Gleichzeitig bedachte der Salierkaiser den Brixner Bischof Hartwig mit den Grafschaften im Inn- und Eisacktal. Dem Reichsoberhaupt treu ergebene Gefolgsleute geistlichen Standes, die ihr Bischofsamt zudem in den meisten Fällen der Gunst des Kaisers verdankten, verwalteten nun die Grafenrechte nahezu im gesamten Bereich der Tallandschaften des späteren Landes Tirol. Wie nahe diese geistlichen Herrschaftsträger dem Kaiser waren, macht die Karriere des Brixner Bischofs Poppo (reg. 1039–1048) deutlich. Häufig in der Umgebung Kaiser Heinrichs III. anzutreffen, begleitete er diesen 1046 nach Rom, wirkte an einschneidenden kirchenpolitischen Maßnahmen (Synode von Sutri) mit und bestieg schließlich als Damasus II. den Papststuhl. Gleich seinem Vorgänger Clemens II. / Suidger von Bamberg behielt er auch als Papst sein Bistum. Nach einem kurzen Pontifikat ist er 1048 gestorben.

      Investiturstreit und Kirchenreform

      Von den Auswirkungen des sogenannten Investiturstreits, des großen Kampfes zwischen Imperium und Sacerdotium, wurden die südöstlichen Landschaften des Reiches voll erfasst. Es begann eine Phase jahrzehntelanger innerer Auseinandersetzungen und tiefgreifender gesellschaftlicher Umwälzungen. Das Schlagwort von der libertas ecclesiae drang überall hin, und schon bald spitzten sich die Gegensätze zwischen überzeugten Anhängern der neuen Anschauungen, den »Guten« (Stefan Weinfurter ), und ihren immer unversöhnlicher auftretenden Gegnern gefährlich zu. Tiefe Risse taten sich innerhalb des Episkopats auf, aber auch mitten durch die weltlichen Führungsschichten gingen die Parteiungen. Die Reformkräfte hatten im Ostalpenraum mächtige Stützen unter

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