Grundlegung zur Metaphysik der Sitten. Immanuel Kant

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Grundlegung zur Metaphysik der Sitten - Immanuel Kant

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der höchsten Glückseligkeit mit der vollendetsten Tugend, d. h. zur Realisierung des höchsten Gutes, aber ist das Dasein Gottes notwendige Bedingung. Wenn also das höchste Gut verwirklicht werden soll, so muß die Unsterblichkeit der Seele und mit ihr ein unendliches Fortschreiten zu höherer Vollendung und Heiligkeit vorausgesetzt werden; es muß ferner ein Wesen geben, das die gemeinsame Ursache der natürlichen und sittlichen Welt ist und Tugend und Glückseligkeit in ein entsprechendes Verhältnis zu setzen vermag. Ein solches Wesen ist aber Gott. Auch die Idee der Freiheit entwickelt sich aus der praktischen Vernunft. Sie leitet ihre Realität ab aus der Gültigkeit des moralischen Gesetzes überhaupt: du sollst, also kannst du, sonst wäre das Sollen etwas Widersinniges. Frei ist der Mensch als intelligibles Wesen, als Ding an sich, soweit er aber als Erscheinung angesehen wird, ist er der Notwendigkeit unterworfen. Diese drei Ideen, unlösbare Aufgaben für die theoretische, gewinnen Boden im Gebiet der praktischen Vernunft. Auch jetzt aber sind sie nicht theoretische Dogmen, sondern praktische Postulate, notwendige Voraussetzungen des sittlichen Handelns; als solche haben sie für das Subjekt Gewißheit, um so mehr, als die praktische Vernunft, wo sie mit der theoretischen in Widerstreit kommt, den »Primat« hat. Diesen Ansichten entsprechen auch die Grundsätze über Religion, die K. in der Schrift »Religion innerhalb der Grenzen der reinen Vernunft« niedergelegt hat. Der Grundgedanke ist hier die Zurückführung der Religion auf Moral. Die religiöse Gesinnung besteht in der Erkenntnis unsrer Pflichten als göttliches Gebot. Je reifer die Vernunft wird, um so entbehrlicher werden die statutarischen Satzungen des Kirchenglaubens.

      3) Kritik der Urteilskraft. Wie die beiden vorangegangenen Kritiken die apriorischen Elemente des Erkenntnis- und Begehrungsvermögens, so deckte die dritte, die Kritik der Urteilskraft, jene des Mittelgliedes zwischen beiden, des Gefühlsvermögens oder, wie K. es nennt, der Urteilskraft, auf. Gegenstand dieser letztern ist der Begriff der Zweckmäßigkeit der Natur und zwar sowohl der ästhetischen als der teleologischen Zweckmäßigkeit. Die ästhetische Zweckmäßigkeit, welche die Dinge subjektiv für uns haben, entfaltet sich in den Begriffen des Schönen und des Erhabenen. Schön ist das, was durch seine mit dem menschlichen Erkenntnisvermögen übereinstimmende Form ein uninteressiertes, allgemeines und notwendiges Wohlgefallen erregt; das Erhabene gefällt unmittelbar durch den Widerstand gegen das Interesse der Sinne. Die teleologische Zweckmäßigkeit bezieht sich auf das Verhältnis der Dinge unter sich und ist entweder eine äußere und zufällige oder eine innere, in dem Organismus des Dinges bedingte und notwendige. Ob der Natur an und für sich innere Zweckmäßigkeit zukomme oder nicht, können wir nicht bestimmen; wir behaupten nur, daß unsre Urteilskraft die Natur als zweckmäßig ansehen müsse. Wir schauen den Zweckbegriff in die Natur hinein, indem wir gänzlich dahingestellt sein lassen, ob nicht vielleicht ein andrer Verstand, der nicht denkt wie der unsrige, zum Verständnis der Natur den Zweckbegriff gar nicht nötig hat. Gäbe es einen Verstand, der im Allgemeinen das Besondere, im Ganzen die Teile mit Bestimmtheit erkennen könnte, so würde ein solcher die ganze Natur aus einem Prinzip begreifen, den Begriff des Zweckes nicht brauchen.

      Kants Hauptwerk blieb einige Jahre hindurch ziemlich unbeachtet, bis die »Briefe über die Kantsche Philosophie« von Reinhold (s. d.), die zuerst (seit 1786) in Wielands »Deutschem Merkur« erschienen, die Denker- und Leserwelt für K. gewannen. Als Gegner Kants traten auf die Popularphilosophen Feder, Garve, Tiedemann, der Wolffianer Eberhard, Herder, dessen »Metakritik« (Leipz. 1799) und »Kalligone« (Berl. 1800) von keinem tiefen Verständnis Kants zeugen, der »Glaubensphilosoph« F. H. Jacobi und der Skeptiker G. E. Schulze (»Änesidemus«, Helmst. 1792), Sal. Maimon, Beck, Bardili u. a. Als Anhänger Kants machten sich außer Reinhold zuerst Joh. Schulze (durch »Erläuterungen zu Kants Kritik«, Königsb. 1791; neu hrsg. von Hafferberg, Jena 1897), Jakob, Erhard Schmid, auf dem Gebiete der Religionsphilosophie: Heidenreich, Tieftrunk, Wegscheider u. a., auf dem der Logik: Kiesewetter, Hoffbauer, Krug, Maaß, Fries, auf dem der Psychologie: Maaß, Fries, auf dem der Ästhetik: Schiller, Bouterwek, auf dem der Geschichte der Philosophie: Tennemann, Buhle, Wendt u. a. bemerklich. Indirekt sind fast alle nach K. Philosophierenden durch ihn beeinflußt worden. Fichte hielt sich anfänglich selbst für einen Kantianer, Herbart nannte sich einen Kantianer »vom Jahre 1828«, Schopenhauer erkannte von allen seinen Vorgängern nur K. als seinen Lehrer an. Eine Geschichte der Kantschen Philosophie hat Rosenkranz im 12. Band seiner Ausgabe der Werke Kants geliefert. Nach der Abwendung von der Hegelschen Schule und dem Mißerfolg der positiven Philosophie Schellings kehrte das philosophische Interesse vielfach zu K. als dem ursprünglichen Ausgangspunkt der neuern deutschen Philosophie zurück, und es begann ein erneuertes, z. T. philologisch vertieftes Studium seiner Werke. Eine Reaktion zugunsten der Kantschen idealistischen Erkenntnistheorie ging von den Naturforschern, insbes. von den Physiologen aus der Schule des eifrigen Verehrers Kants, Johannes Müller, aus, an der Helmholtz u. a. sich beteiligten. Sehr viel Arbeit hat man der Erläuterung und Erneuerung Kants gewidmet, wie die zahlreichen Schriften neuerer Zeit, hauptsächlich über dessen Erkenntnistheorie, von Cohen, Paulsen, R. Zimmermann, Stadler, Hölder, Volkelt, Thiele, Laas, Frederichs, Zeller, Pünjer, Witte, Romundt, Laßwitz, Schweitzer, Messer u. a., der von Vaihinger zur Säkularfeier der »Kritik der reinen Vernunft« begonnene »Kommentar« (Bd. 1, Stuttg. 1881; Bd. 2, 1892) und Arnoldts »Kritische Exkurse im Gebiete der Kantforschung« (Königsb. 1894), beweisen. Vgl. auch die von Vaihinger, seit 1904 zusammen mit Bauch herausgegebene Zeitschrift »Kantstudien« (Hamb. 1896 f., seit 1899 in Berlin).

      Literatur. Das Leben Kants haben geschildert: Borowski, Darstellung des Lebens und Charakters Kants (Königsb. 1804), Wasianski, K. in seinen letzten Lebensjahren (das. 1804), Jachmann, J. K., geschildert in Briefen (das. 1804), vgl. hierzu A. Hoffmann, Immanuel K., ein Lebensbild nach Darstellungen der Zeitgenossen (Halle 1902); Schubert (im 11. Bd. der Rosenkranzschen Gesamtausgabe); Reicke, Kantiana (das. 1860); Saintes, Histoire de la vie et de la philosophie de K. (Par. 1844); Stuckenberg, The life of Immanuel K. (Lond. 1882); Arnoldt, Kants Jugend und die fünf ersten Jahre seiner Privatdozentur (Königsb. 1882).

      Über Kants Philosophie vgl. Chalybäus, Historische Entwickelung der spekulativen Philosophie von K. bis Hegel (Leipz. 1837, 5. Aufl. 1860); Kuno Fischer, Immanuel K. (Mannh. 1860, 2 Bde.; 4. Aufl., Heidelb. 1898–99); B. Erdmann, Kants Kritizismus in der 1. und 2. Auflage der »Kritik der reinen Vernunft« (Leipz. 1877); Fried. Paulsen, K. Sein Leben und seine Lehre (Stuttg. 1898, 4. Aufl. 1904); Kronenberg, K., sein Leben und seine Lehre (3. Aufl., Münch. 1905). Zur Feier des 100jährigen Todestags Kants ist eine große Anzahl Reden, Aufsätze, kleinere Schriften erschienen, darunter »Zur Erinnerung an J. K.«, hrsg. von der Universität Königsberg (Halle 1904). Über seine Schule vgl. außer obigem Werk von Rosenkranz noch: K. Fischer, Die beiden kantischen Schulen in Jena (Stuttg. 1862); Liebmann, K. und die Epigonen (das. 1865). Von nichtdeutschen Werken seien erwähnt: Villers, La philosophie de K. (Metz 1801); Cousin, Leçons sur la philosophie de K. (Par. 1842, 4. Aufl., 1864); Desdouits, La philosophie de K. (das. 1875); Adamson, Philosophy of K. (Lond. 1879; deutsch, Leipz. 1880); Caird, The critical philosophy of I. K. (Lond. 1889, 2 Bde.); Cantoni, Emanuele K. (Mail. 1879–84, 3 Bde.); Seth, The development from K. to Hegel (Lond. 1882); Ruyssen, K. (Par. 1900). Die sonstige reiche Kant-Literatur s. bei Überweg-Heinze, Grundriß der Geschichte der Philosophie, Bd. 3 (9. Aufl., Berl. 1901).

      Grundlegung zur Metaphysik der Sitten

      Vorrede

      Die alte griechische Philosophie teilte sich in drei Wissenschaften ab: Die Physik, die Ethik, und die Logik. Diese Einteilung ist der Natur der Sache vollkommen angemessen, und man hat an ihr nichts zu verbessern, als etwa nur das Prinzip derselben hinzu zu tun, um sich auf solche Art teils ihrer Vollständigkeit zu versichern, teils die notwendigen Unterabteilungen richtig bestimmen zu können.

      Alle Vernunfterkenntnis ist entweder material, und betrachtet irgend ein Objekt; oder formal, und beschäftigt sich bloß mit der Form des Verstandes und der Vernunft selbst, und den allgemeinen Regeln des Denkens überhaupt, ohne Unterschied

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