Die unvollendete Geliebte. Elisabeth-Joe Harriet
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Ein Ort, den Ludwig Schneider besonders liebte, war Vöslau. Dort hatte er einige Gründe erworben und die Bekanntschaft der mit den Schnitzlers verwandten Familie Mandl gemacht, die ihn und die Seinen regelmäßig an den Wochenenden in ihre Vöslauer Villa einlud. Hier lernten einander um das Jahr 1870 die Kinder Arthur Schnitzler und Olga Schneider kennen und hassen – ja hassen, denn sie prügelten sich, statt miteinander zu spielen. Ein Umstand, an den sich Olga später sehr gut, Arthur allerdings nicht mehr erinnern konnte.
Die Energie von Ludwig Schneider und seine Geschäftstüchtigkeit waren bemerkenswert. 1876 ließ er auf einem seiner Gründe in Vöslau eine feudale Villa errichten, die er fortan als Wohnsitz nutzte, außerdem ein ansehnliches Mausoleum am Vöslauer Friedhof. 1877 übernahm er zusätzlich zu den Südbahnhof-Restaurants die Weinstube am Michaelerplatz 2 und 1880 den Stefanskeller in der Rotenturmstraße 1. Er besaß einen Kutschenwagen, der zu den besten »Zeugeln« Wiens zählte, und wenn schon kein Bild, so gibt es dank Schnitzler eine Beschreibung von ihm: »Ihr Vater, untersetzt, martialisch und mit seinem weißen Schnurrbart nicht wie ein Gastwirt, sondern eher wie ein pensionierter General aussehend.« Wie ein General benahm sich Ludwig Schneider auch bei aller Liebe zu seinen Töchtern. Sie mussten gehorchen und die Wünsche des gestrengen Vaters erfüllen. Vor allem Olga war es, die diese Strenge zu spüren bekam. Sie hatte sich in einen von ihrem Vater vorgegebenen Lebenslauf zu fügen und musste den Mann heiraten, den er für sie aussuchte.
Die Thalhofwirtin
Hotelière, Ehefrau und Mutter
»Ich bin das reine Ragout von Jägerin, Dame, Sclavin u. s. w.«
Der Restaurant- und Immobilienbesitzer Ludwig Schneider blieb weiterhin seinem Stammberuf des Weinhändlers treu. Die in der k. k. Monarchie und allen anderen Ländern Europas neu entstandenen Bahnlinien hatten sehr zur Ausweitung seiner Geschäfte beigetragen. Er belieferte Hotels, Restaurants sowie adelige und großbürgerliche Haushalte mit erlesenen Weinen. Seine Geschäftsreisen führten ihn durch das gesamte Habsburgerreich, nach Deutschland, Frankreich und in die Schweiz. Seine Hauptkunden waren die entlang der Südbahn liegenden Kurhotels, die illustres Publikum mit dem Bedürfnis nach edlen Speisen und Weinen beherbergten. Eines dieser Hotels war der Thalhof in Reichenau, seit 1810 im Besitz der Familie Waissnix.
Simon Waissnix, dessen Vorfahren im 16. Jahrhundert aus Württemberg nach Reichenau eingewandert waren, arbeitete als Ortsrichter, scheint ab 1786 als Besitzer einer Mahlmühle im Ort auf und legte den Grundstein für das Vermögen der Familie. Sein 1789 geborener ältester Sohn Ignaz, Müller und Landwirt mit ausgeprägtem unternehmerischen Geist, heiratete 1810 Anna, die Tochter des Bauern und Thalhofwirtes Polleres. Mit dem Betrieb einer Mühle, einer Land- und Gastwirtschaft war der Geschäftsmann Ignaz Waissnix aber nicht genügend ausgelastet. Er richtete ein Netz von Mehlverschleißstellen ein, und zum Transport des Mehls sowie anderer Güter ein Fuhrunternehmen. Später kaufte er eine Sägemühle und stieg ins Holzgeschäft ein. 1837 entwickelte er ein Verfahren zur Erzeugung von Rollgerste, um die er seine Mühle erweiterte. Seine Frau Anna kümmerte sich um die Gaststätte, den Thalhof, der sich durch den Bau der Semmeringbahn und den aufkommenden Tourismus bald zum Herzstück der Besitzungen des Ignaz Waissnix entwickelte. Er baute das ländliche Wirtshaus zu einem feudalen Gasthof aus, zu dessen Gästen Ferdinand Raimund, der Musikwissenschafter Ludwig Köchel, der Schriftsteller Nikloaus Lenau und der Eisenbahningenieur Mathias Ritter von Schönerer genauso zählten wie der päpstliche Nuntius, der Adel und das Kaiserhaus.
Im Zuge der Aufhebung der Grundherrschaft nach der Revolution 1848 begann Ignaz Waissnix neue Besitzungen zu erwerben. Als er 1858 starb, hinterließ er, wie es der Volksmund nannte, ein »Königreich Waissnix«, das von seinen Söhnen Alois und Michael in seinem Sinne weitergeführt wurde. Die beiden teilten die Leitung der Betriebe so auf, dass einer den Thalhof und der andere sämtliche andere Unternehmenszweige drei Jahre lang führte, danach wurde gewechselt. Zusätzlich waren sie in der Ortsgemeinde tätig, beide auch einige Jahre als Bürgermeister. 1874 kauften die Brüder Waissnix das alte Schloss Reichenau samt 500 Hektar Grund, außerdem Gründe und Häuser in Neuberg, Leoben und Wien. Die Rollgerstenproduktion wurde ausgeweitet und stellte eine wichtige Grundlage für den Wohlstand der Familie dar. Des Weiteren ließen sie vier Holzschleifwerke bauen. Eines davon wurde 1926 in einen Konzertsaal und ein Kino umgebaut und beherbergt heute die Festspiele Reichenau. Ihre Betriebe durften die Gebrüder Waissnix seit 1864 als k. k. privilegiert bezeichnen.
Alle Unternehmen wurden von der Mühle aus geführt, wo die gesamte Familie wohnte. Der Reiseschriftsteller Max Herz, der ab 1848 Besucher des Semmeringgebietes war, beschreibt diese Mühle in seinem Feuilleton über Reichenau so: »Im Thale an der Schwarza liegt die stattliche, trefflich eingerichtete Mühle der Herren Gebrüder Waißnix. Das erst vor einigen Jahren umgebaute Wohngebäude derselben macht Front gegen die Straße hin und bildet mit den übrigen Mühlgebäuden eines der freundlichsten Landschaftsbilder des Thales. Mit dieser Mühle ist auch eine Rollgerstenerzeugung vereinigt, auf welche die Herren Waißnix privilegiert sind, deren Product als vorzüglich gerühmt, vielen Absatz findet. Seit 1859 hat abermaliger Neubau das ganze Etablissement vergrößert …«
Auch über den Thalhof findet sich ein Abschnitt bei Max Herz: »Jenseits der Schwarza, auf einem schönen, etwas erhöhten Seitenboden des Thales, umschlossen von den Wald- und Felspartien des Saurüssels und Feuchters, liegt der Thalhof, das Gasthaus der Herren Gebrüder Waißnix. Von ihrem Vater begründet, wird die Wirthschaft nun von diesen seinen beiden Söhnen trefflich und musterhaft verwaltet. Die wahrhaft bezaubernde Lage des stattlichen Gehöftes, die daselbst herrschende Reinlichkeit und Ordnung, die wohlbesorgte Küche, die mit allem Comfort versehenen Fremdenzimmer, alles vereint sich, dem Wanderer den Aufenthalt daselbst angenehm zu machen. Überall weht der Geist der Tüchtigkeit, der Ordnung und der Gemüthlichkeit in dem Verkehr dieses trefflichen Hauses. An demselben liegt ein freundliches Gärtchen, aus welchem, so wie aus dem an denselben stoßenden, gedeckten und durchaus mit Glasthüren und Fenstern geschlossenen Speisesaale sich ein überraschend schöner Ueberblick des Thales und auf die jenseits der Schwarza gelegene Hinterleiten öffnet. Außerdem befindet sich noch ein Gastzimmer und ein Speisesaal im Hause selbst.«
Bedingt durch die Semmeringbahn entwickelte sich Reichenau in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer der führenden Sommerfrischen der Monarchie, was auch mit der Vorliebe Kaiser Franz Josephs für diese Region zu tun hatte. Seit 1852 kam er mit seinem Gefolge regelmäßig zu Hofjagden, bei denen er in einem eigenen Appartement im Thalhof logierte.
Zu seinem dritten Geburtstag erhielt Kronprinz Rudolf von der Gemeinde Reichenau eine kleine Jagdhütte, oberhalb des Thalhofes gelegen, geschenkt, die er und seine Schwester Gisela oftmals von einem Eselswägelchen hinaufgeführt besuchten. Ab 1858 wohnten Kaiser Franz Joseph, Kaiserin Elisabeth und die Kinder in der von den Brüdern Waissnix für sie errichteten Rudolfsvilla.
Alois Waissnix’ 1851 geborener Sohn Karl war in den Sommermonaten von 1860 bis 1865 auserkoren, eine höchst sonderbare Tätigkeit auszuführen. Wenn der hypernervöse, unter Schlafstörungen leidende Kronprinz Rudolf in die gute Reichenauer Luft verfrachtet wurde, heuerten seine »Aja« (Kinderfrau) und sein Leibarzt den Waissnix-Spross als »Schlafknaben« an. Der musste sich dann, auf Decken in Park oder Wald, vor dem kindlichen Thronfolger stundenlang schlummernd stellen, in der Hoffnung auf allerhöchste Nachahmung, zu der es leider selten kam.
Ein Stück oberhalb der Rudolfsvilla stand ein beliebtes Badehaus, das die Gebrüder Waissnix, den Trend der Zeit erkennend, 1863 erwarben. Ab 1865, als die kaiserliche Familie die Villa nicht mehr nutzte, planten sie gemeinsam mit dem Arzt Ferdinand von Hebra, hier eine Kaltwasserheilanstalt zu errichten. Im Gebiet der Monarchie war dies die zweite solche Einrichtung nach der von Vinzenz Prießnitz in Freiwaldau (böhmisch: Jesenik) gegründeten. Man nahm Kontakt mit Hans Ripper, dem Schwiegersohn des 1851 verstorbenen Vinzenz Prießnitz auf, der die Kuranstalt im weit