Maigret und die Bohnenstange. Georges Simenon

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Maigret und die Bohnenstange - Georges  Simenon Georges Simenon

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zuckte mit den Schultern, als redete sie vom harmlosen Fimmel eines Kindes.

      »Er hat aber auch Pech. Meistens fallen ihm Wertpapiere in die Hände, die man nicht verscherbeln kann, oder Unterlagen. Nur einmal hätte es sich wirklich gelohnt, da hätte er ausgesorgt gehabt, und ausgerechnet da hat Boissier ihn geschnappt.«

      »Waren Sie dabei? Haben Sie Schmiere gestanden?«

      »Nein, das wollte er nie. Anfangs sagte er mir noch, wo er hinging, da war ich dann wie zufällig in der Gegend. Als er das merkte, hat er mich nicht mehr eingeweiht.«

      »Aus Angst, dass Sie erwischt werden?«

      »Vielleicht. Wahrscheinlich auch aus Aberglauben. Wissen Sie, obwohl wir zusammenleben, ist er ein Einzelgänger, und es kommt vor, dass er achtundvierzig Stunden lang kein Wort sagt. Wenn ich sehe, wie er abends mit dem Fahrrad losfährt, weiß ich, was das zu bedeuten hat.«

      Maigret fiel wieder ein, dass man Alfred Jussiaume in manchen Zeitungen den »Einbrecher auf dem Fahrrad« genannt hatte.

      »Das ist auch so eine fixe Idee von ihm. Er behauptet, ein Radfahrer fällt in der Nacht nicht auf, vor allem, wenn er eine Werkzeugtasche umhängen hat. Dann hält man ihn für einen Arbeiter auf dem Weg zur Nachtschicht. Jetzt rede ich mit Ihnen schon wie mit einem Freund.«

      Maigret fragte sich erneut, was sie eigentlich von ihm wollte. Als sie sich wieder eine Zigarette nahm, hielt er ihr ein entflammtes Zündholz hin.

      »Heute ist Donnerstag. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch ist Alfred losgefahren, um einen Bruch zu machen.«

      »Hat er Ihnen das angekündigt?«

      »Ein paar Nächte hintereinander zog er immer zur gleichen Stunde los, das ist ein Zeichen. Bevor er in ein Haus oder ein Büro einbricht, ist er manchmal eine Woche lang auf der Lauer, um die Gewohnheiten der Leute auszukundschaften.«

      »Und um sicherzugehen, dass niemand da ist?«

      »Nein. Das ist ihm egal. Ich glaube sogar, er arbeitet lieber, wenn Leute da sind, als wenn alles leer ist. Er kann sich in einem Raum bewegen, ohne das leiseste Geräusch zu machen. Hundertmal hat er sich nachts neben mich gelegt, ohne dass ich merkte, dass er wieder da war.«

      »Wissen Sie, wo er vorletzte Nacht gearbeitet hat?«

      »Nur, dass es in Neuilly war, und das habe ich auch nur zufällig rausbekommen. Als er am Tag davor heimkam, sagte er mir, dass die Polizei ihn unterwegs nach seinen Papieren gefragt hatte und ihn wohl für einen Lüstling hielt, weil er am Bois de Boulogne kontrolliert wurde, wo Frauen auf Kundenfang stehen.

      Ich frage ihn noch:

      ›Wo genau war das?‹

      ›Hinter dem Jardin d’Acclimatation. Ich kam gerade aus Neuilly.‹

      Als er dann vorgestern mit der Werkzeugtasche loszog, wusste ich Bescheid.«

      »Getrunken hat er nicht?«

      »Er trinkt nie und raucht auch nicht. Würde er gar nicht vertragen. Er hat immer panische Angst vor einem Anfall und schämt sich furchtbar, wenn ihm das auf der Straße passiert, mit lauter Menschen um ihn herum, denen er leidtut. Bevor er los ist, hat er noch gesagt:

      ›Ich glaube, diesmal ziehen wir wirklich aufs Land.‹«

      Maigret machte sich gelegentlich Notizen, die er unwillkürlich mit Kringeln verzierte.

      »Um wie viel Uhr ist er am Quai de Jemmapes los?«

      »So gegen elf, wie in den Nächten davor.«

      »Dann muss er ungefähr um Mitternacht in Neuilly gewesen sein.«

      »Wahrscheinlich. Er fährt nie schnell, aber um die Zeit ist ja kein Verkehr.«

      »Wann haben Sie ihn wiedergesehen?«

      »Ich habe ihn gar nicht wiedergesehen.«

      »Und deshalb meinen Sie, dass ihm was zugestoßen ist?«

      »Er hat mich angerufen.«

      »Wann?«

      »Um fünf Uhr morgens. Ich schlief noch gar nicht, weil ich so in Sorge war. Er fürchtet ja immer, dass er auf der Straße einen Anfall bekommt, und ich dagegen, dass ihm das beim Arbeiten passiert, verstehen Sie? Dann habe ich unten im Bistro das Telefon gehört. Unser Schlafzimmer liegt direkt darüber. Die Wirtsleute sind nicht aufgestanden, da habe ich mir gedacht, das muss für mich sein, und bin runtergegangen. Ich habe ihm sofort angehört, dass etwas nicht stimmt. Er redete leise.

      ›Bist du das?‹

      ›Ja.‹

      ›Bist du allein?‹

      ›Ja. Wo bist du?‹

      ›In der Nähe der Gare du Nord, in einer Kneipe. Hör zu, Tine‹ – so nennt er mich immer – ›ich muss unbedingt eine Zeit lang verschwinden.‹

      ›Hat dich jemand gesehen?‹

      ›Das ist es nicht. Ich weiß nicht. Ja, ein Mann hat mich gesehen, aber ich bin nicht sicher, ob er von der Polizei ist.‹

      ›Hast du das Geld?‹

      ›Nein, es ist passiert, bevor ich fertig war.‹

      ›Was ist passiert?‹

      ›Ich war gerade mit dem Schloss beschäftigt, da hat meine Taschenlampe in einer Zimmerecke auf einmal ein Gesicht beleuchtet. Ich dachte, da hat sich jemand ins Zimmer geschlichen und beobachtet mich. Dann habe ich gemerkt, dass die Augen tot waren.‹«

      Sie blickte Maigret an.

      »Ich bin mir sicher, dass er nicht gelogen hat. Wenn er jemanden getötet hätte, hätte er mir das gestanden. Ich erzähle Ihnen hier keine Märchen. Ich spürte, dass er nahe dran war, in Ohnmacht zu fallen. Er hat ja solche Angst vor dem Tod …«

      »Wer war der Tote?«

      »Das weiß ich nicht, er hat nicht mehr dazu gesagt. Immer wieder meinte ich schon, er würde gleich auflegen. Er fürchtete, belauscht zu werden. Dann sagte er, er werde eine Viertelstunde später in einen Zug steigen.«

      »Nach Belgien?«

      »Wahrscheinlich, weil er ja bei der Gare du Nord war. Ich habe mir den Fahrplan angesehen, es gibt einen Zug um fünf Uhr fünfundvierzig.«

      »Sie wissen auch nicht, aus welcher Kneipe er angerufen hat?«

      »Ich war gestern in dem Viertel und habe rumgefragt, aber ohne Ergebnis. Die Leute hielten mich wohl für eine eifersüchtige Ehefrau und wollten mir nichts sagen.«

      »Also wissen Sie im Grunde nur, dass in dem Zimmer, in dem er arbeitete, eine Leiche lag?«

      »Eine Frau war es, das hat er mir noch gesagt. Und dass ihre Brust blutüberströmt war und sie einen Telefonhörer in

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