Dombey und Sohn. Charles Dickens
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»O, schon gut!« entgegnete ihr Bruder – denn dies war Mr. Dombey – »ich denke selbst auch, daß er den Familienzug trägt. Aber sei nicht so ungestüm, Louisa.« »Es ist sehr töricht von mir«, sagte Louisa, indem sie Platz nahm und ihr Taschentuch herauszog, »aber er – er ist ein so vollkommener Dombey! In meinem Leben habe ich nie etwas Ähnlicheres gesehen!«
»Aber wie steht es mit Fanny selbst?« fragte Mr. Dombey. »Was hältst du von ihrem Zustand?«
»Mein lieber Paul, es ist durchaus nichts«, antwortete Louisa – »mein Wort dafür, durchaus nichts. Allerdings ist sie erschöpft, aber lang nicht in dem Grade, wie bei mir, als ich mit George oder Frederik Wöchnerin war. Man muß ihr wieder zu Kräften verhelfen, das ist alles. Wenn die liebe Fanny eine Dombey wäre! Trotzdem, ich stehe dafür, sie wird sich machen: ich zweifle nicht daran, daß sie sich noch machen wird. Mein lieber Paul, ich weiß, es ist sehr schwach und töricht von mir, daß ich vom Kopf bis zu den Füßen so zittere: aber es ist mir so seltsam, daß ich dich um ein Glas Wein und um einen Bissen von diesem Kuchen bitten muß. Ich meinte, ich müsse zum Treppenfenster hinausstürzen, als ich von meinem Besuch bei Fanny und bei dem kleinen Schnäbelchen herunterkam.«
Die letzten Worte hatten ihren Ursprung in einer plötzlichen lebhaften Erinnerung an den Neugeborenen. Sie hatte aber kaum ausgesprochen, als sich an der Tür ein leises Pochen vernehmen ließ.
»Mrs. Chick«, sagte draußen eine sehr sanfte weibliche Stimme, »wie geht es Euch jetzt, meine liebe Freundin?«
»Mein teurer Paul«, nahm Louisa leise das Wort, indem sie sich zugleich von ihrem Sitze erhob, »es ist Miß Tox – das wohlwollendste Geschöpf. Ohne sie hätte ich nicht herauskommen können. Miß Tox, mein Bruder Mr. Dombey. Lieber Paul, meine ganz besondere Freundin, Miß Tox.«
Die so speziell vorgestellte Dame war ein langes mageres Frauenzimmer von so verblichener Außenseite, daß es den Anschein hatte, als sei sie, wie es die Modewarenhändler nennen, von Haus aus nicht »echtfarbig« gewesen, und deshalb in der Wäsche allmählich ganz und gar verschossen. Außerdem aber hätte man sie als die wahre Blume von Sanftmut und Höflichkeit bezeichnen können. Infolge ihrer langen Gewohnheit, allem, was in ihrer Gegenwart gesprochen wurde, ein bewunderndes Ohr zu schenken, wobei sie die Redenden anzusehen pflegte, als sei sie innerlich beschäftigt, die Bilder derselben in ihre Seele aufzunehmen und sich nur mit dem Leben von ihnen zu trennen, hatte sich ihr Kopf völlig nach der einen Seite verschoben. An ihren Händen bemerkte man stets ein krampfhaftes Zucken, sich wie in unwillkürlicher Bewunderung aus eignem Antrieb zu erheben, und ihre Augen waren einer ähnlichen Manier unterworfen. Sie hatte die weichste Stimme, die man nur hören kann, und ihre erstaunlich sperberartige Nase war in der Mitte oder am Schlußsteine des Rückens mit einem kleinen Knauf versehen, der gegen ihr Gesicht abwärts lief, wie in unüberwindlicher Entschlossenheit, nie ein Aufwerfen des gedachten Gesichtsvorsprungs zu gestatten.
Obschon ihr Kleid vollkommen nett und gut war, drückte sich doch eine gewisse Eckigkeit und Knappheit darin aus. In ihren Hüten und Hauben pflegte sie wunderliche, unkrautartige Blümchen zu tragen, und in ihrem Haar bemerkte man bisweilen seltsame Gräser: auch konnte jeder, der sich dafür interessierte, an ihren Kragen, Rüschen, Manschetten und sonstigem Spitzenzeug – kurz an allem, was an ihrem Kleid die Bestimmung hatte, sich zu vereinigen, die Wahrnehmung machen, daß die beiden Enden nie auf freundschaftlichem Fuß miteinander standen, sondern stets eine große Neigung verrieten, die Verbindung nicht ohne Kampf vollziehen zu lassen. Für ihren Winterputz hatte sie Pelzkragen, Boas und Muffe, die stets in herausfordernder Weise auf der einen Seite standen und wild ihre Haare sträubten; auch besaß sie die Liebhaberei, stets kleine Beutel mit Federschlössern bei sich zu führen, die, wenn sie geöffnet werden sollten, wie kleine Pistolen losgingen, und sooft sie sich in vollem Putz zeigte, prunkte an ihrem Hals das geschmackloseste aller Schlösser mit einem alten, glotzenden Auge, in dem auch nicht eine Spur von Sinn lag. Diese und andere ähnliche Merkmale dienten dazu, die Ansicht zu verbreiten, Miß Tor sei eine Dame von zwar beschränkten, aber doch unabhängigen Mitteln, die sie im besten Lichte erscheinen ließ. Möglich, daß ihr trippelnder Gang diesen Glauben ermutigte, weil man daraus entnehmen konnte, der Umstand, daß sie einen gewöhnlichen Schritt in drei abteilte, habe notwendig seinen Ursprung in der Gewohnheit, alles aufs beste zu tun.
»In der Tat,« sagte Miß Tor mit einem bewundernswürdigen Knix, »die Ehre, Mr. Dombey vorgestellt zu werden, ist eine Auszeichnung, nach der ich mich längst gesehnt habe, obschon ich sie in diesem Augenblicke nicht erwartet hätte. Meine teure Mrs. Chick – darf ich sagen, Louisa?«
Mrs. Chick nahm die Hand der Freundin in die ihrige, setzte den Fuß ihres Weinglases darauf, unterdrückte eine Träne und sprach mit gedämpfter Stimme:
»Gott behüte, wozu auch diese Frage?«
»Meine teure Louisa also«, versetzte Miß Tor, »meine süße Freundin, wie geht es Euch jetzt?«
»Besser«, erwiderte Mrs. Chick. »Darf ich Euch etwas Wein anbieten? Ihr seid fast ebenso in Sorge gewesen wie ich, und habt es daher wohl verdient.«
Mr. Dombey schenkte ihr ein.
»Miß Tor, Paul«, fuhr Mrs. Chick fort, indem sie noch immer die Hand ihrer Freundin festhielt, »war Zeuge, wie sehr ich mich im voraus auf das Ereignis des heutigen Tage« freute, und hat daher eine kleine Gabe für Fanny angefertigt, die ich ihr zu überreichen versprach. Es ist nur ein Nadelkissen für den Toilettentisch, Paul, aber ich sage und werde stets sagen, ja, ich muß sagen, daß Miß Tor ihre freundliche Gesinnung der Gelegenheit allerliebst angepaßt hat. Den Gruß: ›zum Willkomm des kleinen Dombeylein‹ muß ich Poesie nennen.«
»Lautet so die Inschrift?« fragte ihr Bruder.
»So lautet die Inschrift«, antwortete Louisa.
»Um mir übrigens Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, meine teure Louisa«, bemerkte Miß Tox in einem leise bittenden Ton, »müßt Ihr hinzusetzen, daß nichts als die – ich weiß nicht recht, wie ich mich ausdrücken soll – die Unsicherheit über die Frage des Resultats mich zu einer so großen Freiheit veranlaßt hat: denn eher könnt Ihr Euch denken, daß die Fassung: ›zum Willkomm des Master Dombey‹ – meinen Gefühlen besser entsprochen hätte. Freilich weiß man bei solchen kleinen Engelchen nie vorher, wie man mit ihnen daran ist, und ich hoffe, diese Unsicherheit wird einem Ausdruck zur Entschuldigung dienen, der sonst als eine nicht zu rechtfertigende Vertraulichkeit erscheinen könnte.«
Miß Tox machte während dieses Vortrags gegen Mr. Dombey eine anmutige Verbeugung, die von dem Gentleman in gnädiger Weise erwidert wurde. Sogar die Art der Anerkennung von Dombey und Sohn, wie sie bisher im Gespräche sich kundgegeben, hatte für ihn etwas so Behagliches, daß seine Schwester, Mrs. Chick, – obschon er tat, als halte er sie für eine gute schwache Frau – vielleicht mehr Einfluß auf ihn üben konnte, als irgend jemand anders.
»Nun«, sagte Mrs. Chick mit einem süßen Lächeln, »nach diesem vergebe ich Fanny alles!«
Das war eine christliche Erklärung, und Mrs. Chick fühlte sich im Innern sehr dadurch erleichtert. Nicht, daß sie ihrer Schwägerin etwas Besonderes – oder überhaupt etwas zu vergeben gehabt hätte, wenn es nicht etwa die an sich schon starke Vermessenheit war, ihren Bruder zu heiraten und ihn sodann im Lauf der Zeit statt eines Knaben mit einem Mädchen zu beschenken. Letzteres war, wie Mrs. Chick oft bemerkte, nicht ganz das, was sie von ihr erwartet hatte, und überhaupt ein schlechter Dank für die Aufmerksamkeit und Auszeichnung, die ihr zuteil geworden.
In diesem Augenblick wurde Mr. Dombey hastig aus dem Zimmer gerufen, und die beiden Damen blieben allein beisammen. Miß Tox geriet