Dombey und Sohn. Charles Dickens

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Dombey und Sohn - Charles Dickens

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bemerkte Louisa.

      Die Hände und die Augen von Miß Tox bekundeten, in wie hohem Grade das geschah.

      »Und was sein Vermögen betrifft, meine Liebe!«

      »Ah!« entgegnete Miß Tox mit tiefem Gefühl.

      »Un – ermeßlich!«

      »Aber, sein Benehmen, meine teure Louisa!« sagte Miß Tox. »Sein Anstand! Seine Würde! Kein Porträt habe ich je von irgend jemand gesehen, das auch nur annähernd diese Eigenschaften in sich schließt. Ihr wißt, etwas so Stattliches, Unnahbares – die breite Brust und die aufrechte Haltung. Ein pekuniärer Herzog von York, meine Liebe – kein Haar weniger! So und nicht anders kann ich ihn bezeichnen«, sagte Miß Tox.

      »Ei, mein lieber Paul!« rief die Schwester, als er zurückkehrte, »du siehst so blaß aus! Es ist doch nichts vorgefallen?«

      »Leider muß ich dir mitteilen, Louisa, daß man mir sagt, Fanny sei –«

      »Ach, mein lieber Paul, glaube nur kein Wort davon«, entgegnete die Schwester, indem sie sich von ihrem Sitz erhob. »Wenn du mir in meiner Erfahrung nur etwas vertrauen wolltest, Paul, so kannst du versichert sein, daß es sich hier um nichts handelt, als um eine Anstrengung Fannys. Man muß sie« – fügte sie hinzu, indem sie ihren Hut aufsetzte und in geschäftsmäßiger Weise Haube und Handschuh zurechtstrich – »zu dieser Anstrengung ermutigen, ja, im Notfalle sogar dazu zwingen. Komm nur mit mir die Treppe hinauf, mein lieber Paul.«

      Abgesehen von dem vorerwähnten Einflusse, den Mrs. Chick auf ihren Bruder ausübte, hatte Mr. Dombey in der Tat ein sehr großes Vertrauen zu ihr, als zu einer erfahrenen, rührigen Frau, weshalb er sich beruhigte und er ihr ohne zu zögern in das Krankenzimmer folgte.

      Die Kranke lag, wie er sie verlassen hatte, auf dem Bette und hielt den Kopf ihres Töchterchens an die Brust gedrückt. Das Kleine klammerte sich mit der größten Innigkeit an die Mutter an, ohne das Haupt zu erheben oder die weiche Wange von dem Antlitz derselben zu lösen. Sie hatte keinen Blick für die Umstehenden, und mit ihrem tränenlosen Auge und der stummen Lippe glich sie eher einer regungslosen Statue, als einem lebenden Wesen.

      »Sie hatte keine Ruhe ohne das kleine Mädchen«, flüsterte der Doktor Mr. Dombey zu, »und so hielten wir es für das beste, es ihr zu lassen.«

      Um das Bett her herrschte eine feierliche Stille, und die beiden Herren über Leben und Tod blickten mit so viel Mitleid und so wenig Hoffnung auf die regungslose Gestalt, daß Mrs. Chick für eine Weile ihres Vorhabens vergaß. Sie faßte übrigens bald wieder Mut, nahm ihre Geistesgegenwart, wie sie's nannte, zusammen, setzte sich ans Krankenlager und sprach in dem gedämpften Ton einer Person, die jemand aus dem Schlaf zu wecken bemüht ist:

      »Fanny! Fanny!«

      Keine andere Antwort darauf, als das laute Ticken von Mr. Dombeys Uhr und Doktor Parker Peps' Uhr, die in dem tiefen Schweigen einen Wettlauf zu machen schienen.

      »Fanny, meine Liebe«, sagte Mrs. Chick mit erkünstelter Sorglosigkeit, »Dombey ist hier, um nach Euch zu sehen. Wollt Ihr nicht mit ihm sprechen? Man will Euer Kind – das kleine Söhnchen – Ihr wißt ja, Fanny, Ihr habt ihn kaum gesehen – zu Bett legen, kann's aber nicht tun, ehe Ihr Euch ein wenig aufgerafft habt. Glaubt Ihr nicht auch, es sei Zeit, daß Ihr Euch ein wenig anstrengt? Eh?«

      Sie neigte ihr Ohr gegen das Bett und lauschte, während sie zu gleicher Zeit nach den Umstehenden blickte und den Finger erhob.

      »Eh?« wiederholte sie. »Was habt Ihr gesagt, Fanny? Ich Habe Euch nicht verstanden.«

      Kein Wort, kein Laut zur Erwiderung. Nur Mr. Dombeys Uhr und die des Doktor Parker Peps schienen schneller zu laufen.

      »In der Tat, meine liebe Fanny«, fuhr die Schwägerin fort, indem sie ihre Stellung änderte und dabei unwillkürlich mit weniger Zuversicht, dagegen aber mit größerer Strenge sprach, »ich muß böse auf Euch werden, wenn Ihr Euch nicht aufrafft. Ein Kraftaufwand ist für Euch nötig, wie beschwerlich oder schmerzlich er auch sein mag: aber Ihr wißt ja, wir leben in einer Welt des Kämpfens, Fanny, und wir dürfen nicht nachgeben, wenn so viel von uns selbst abhängt. Kommt! Versucht es! Ich muß wahrhaftig mit Euch zanken, wenn Ihr's nicht tut!«

      Das Rennen der Uhren in der darauffolgenden Pause war wild und wütend. Sie schienen gegeneinander anzustoßen und sich auf die Fersen zu treten.

      »Fanny!« sagte Louisa, mit steigender Unruhe umherschauend. »Seht mich nur an. öffnet doch die Äugen, um mir anzudeuten, daß Ihr mich hört und versteht – wollt Ihr nicht? Gütiger Himmel, Gentlemen, was ist da anzufangen?«

      Die beiden Ärzte wechselten über dem Bett weg einen Blick, und Doktor Parker Pep beugte sich sodann zu dem Kinde nieder, dem er etwas ins Ohr flüsterte. Das kleine Wesen, das die Worte des Arztes nicht verstanden hatte, wandte ihm das farblose Gesicht mit den tiefschwarzen Augen zu, ohne jedoch die Mutter auch nur im mindesten loszulassen.

      Das Geflüster wurde wiederholt.

      »Mama!« sagte die Kleine.

      Die schwache Stimme des heißgeliebten Wesens weckte selbst bei dieser tiefen Ebbe eine Spur von Besinnung. Einen Moment zitterten die geschlossenen Augenlider, die Nasenflügel bewegten sich, und man bemerkte den matten Schatten eines Lächelns.

      »Mama!« rief das Kind, laut schluchzend. »O liebe Mama! o liebe Mama!«

      Der Doktor streifte sanft die wirren Locken der Kleinen von dem Gesicht und Mund der Mutter. Ach, wie ruhig sie dort lagen! Wie schwach der Atem, der sie nicht in Bewegung zu setzen vermochte!

      So entschwebte, den schwachen Mast fest mit ihren Armen umschlingend, die Mutter – hinaus in das dunkle, unbekannte Meer, das die ganze Welt umfließt.

      »Mein Leben lang will ich mich glücklich schätzen«, sagte Mrs. Chick, »daß ich mich aussprach, als ich nicht entfernt daran dachte, was uns bevorstand – in der Tat; es war, wie wenn ich durch eine höhere Fügung geleitet würde, als ich Fanny alles vergab. Was nun auch kommen mag, das wird mir stets ein Trost bleiben!«

      Mrs. Chick sprach in diesen eindrucksvollen Worten, als sie vom Frauenschneider, der in einem oberen Zimmer mit der Anfertigung von Trauergewändern beschäftigt war, wieder nach dem Besuchszimmer zurückkam. Ihre Worte galten Mr. Chick, einem beleibten, kahlköpfigen Gentleman mit sehr breitem Gesicht, der seine Hände stets in den Taschen trug und einen natürlichen Hang besaß, Arien vor sich hin zu pfeifen oder zu summen. Dies war nun freilich in einem Hause der Trauer nicht sehr angebracht und er fühlte es auch: aber es kostete ihn nicht geringe Anstrengung, seine Liebhaberei zu unterlassen.

      »Strenge dich doch nicht allzusehr an, Frau«, sagte Mr. Chick, »denn du wirst sonst sehen, daß du deine Krämpfe kriegst. Tra-la-la-la! Behüt' mich – wie ich mich vergesse. Wir sind übernächtig – heute rot, morgen tot.«

      Mrs. Chick begnügte sich mit einem Blick des Vorwurfs und nahm sodann den Faden ihres Gesprächs wieder auf.

      »Ich hoffe in der Tat«, sagte sie, »dieses herzzerreißende Ereignis wird für uns alle eine Warnung sein. Wir müssen uns daran gewöhnen, Anstrengungen durchzumachen für die Zeit, wenn wir es nötig haben. Alles führt eine Lehre mit sich, wenn wir sie nur benutzen wollen, und es

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