Das gefallene Imperium 8: Auf Leben und Tod. Stefan Burban
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Bernadette schluchzte, brachte dadurch kein Wort heraus. Die Trauer, die über die geistige Verbindung in Ad’""banas Verstand eindrang, drohte sie wegzuspülen. Es war beinahe mehr, als das Schwarmschiff zu ertragen bereit war.
Carter warf Bernadette einen letzten mitfühlenden Blick zu und stapfte an Ad’""bana vorbei, ohne diese auch nur noch eines Blickes zu würdigen.
Ad’""bana hatte sie bereits wieder vergessen, als Carter zur Tür hinaus war. Das Hologramm ging vor Bernadette in die Knie. Nur zu gern hätte Ad’""bana die Hand ausgestreckt und ihre Freundin berührt.
»Wer ist gestorben?«, fragte sie.
Bernadette sah auf. Ihre Wangen waren gerötet und die Augen blutunterlaufen. »Mein Sohn«, erwiderte sie unter zwei Schluchzern.
Ad’""bana legte den Kopf leicht zur Seite. »Dein Sohn? Ich wusste gar nicht, dass du einen Sohn hast.« Das Hologramm runzelte die Stirn. »Ich sollte doch eigentlich alles über dich wissen.«
Bernadette lächelte nachsichtig. »Ich habe dafür gesorgt, dass keine Informationen über ihn unsere geistige Verbindung passieren. Die Erinnerungen an ihn gehören mir allein.«
Ad’""bana wurde für einen Moment zornig. Wie konnte Bernadette es wagen, etwas vor ihr geheim zu halten? Das tat sie schließlich auch nicht.
Doch ein Blick in Bernadettes von Trauer und Schmerz malträtiertes Gesicht ließ Ad’""bana weich werden. Wortlos bat sie um eine weitere Erklärung.
Bernadette verstand – und seufzte. »Sein Vater und ich haben uns schon vor Jahren getrennt. Lange bevor Dentano von der Dornhill-Allianz angegriffen wurde. Für mich zählte in erster Linie mein Dienst. Da war wenig Platz für eine Familie. Ich fürchte, dadurch haben wir uns entfremdet. Es sind – ich glaube – gute fünf Jahre vergangen, seit ich zum letzten Mal mit meinem Sohn gesprochen habe.« Sie warf einen verzweifelten Blick zur Decke. »Fünf Jahre, mein Gott! Was habe ich mir nur dabei gedacht?« Sie schluchzte abermals. »Nun ist es zu spät.« Sie wischte sich einen Teil der Tränen ab und sah Ad’""bana in die Augen. »Er meldete sich freiwillig zum Militär. Als Dentano von den Hinrady überfallen wurde, hatte er gerade seine Grundausbildung beendet und war zu den 2. Füsilieren versetzt worden. Er fiel, als die Füsiliere eine Landezone gegen einen Hinradyangriff verteidigten.«
Bernadette vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. »Es wäre noch so viel zu sagen. Aber dazu werde ich nie die Gelegenheit erhalten.«
»Das tut mir sehr leid«, brachte Ad’""bana heraus. Im selben Moment erkannte sie, wie leer die Phrase im Grunde klang. Wie hätte es ihr leidtun können? Sie wusste nichts von Dingen wie Trauer, Leid und Verlust. Sie hatte keine Ahnung, wie es sich anfühlte, einen geliebten Menschen nie wiederzusehen. Diese Emotionen befanden sich jenseits ihres Begriffsvermögens.
Bernadette sah auf. In ihren Augen schimmerte die Erkenntnis, dass Ad’""bana log. Sie spürte ganz genau, dass das Schwarmschiff nicht wusste – nicht wissen konnte –, was Trauer für einen Menschen wirklich bedeutete.
Natürlich hatte Ad’""bana in den letzten Schlachten auf ihre eigenen Artgenossen geschossen und sogar bei der Zerstörung einiger geholfen. Dennoch verstand ein Schwarmschiff unter Trauer nicht dasselbe wie ein Mensch oder auch ein Drizil. Sie waren für den Krieg gezüchtet worden und sie verstanden den Tod als notwendigen Teil ihrer Existenz.
Über die geistige Verbindung schimmerte so etwas wie Verständnis durch. Ein Entgegenkommen Bernadettes, das beinahe wieder Ad’""banas Zorn erregte. Nicht an derselben Gefühlspalette Anteil nehmen zu können, wie ihre Gefährtin, frustrierte sie.
Über Bernadettes Wange kullerte eine Träne. Ad’""bana streckte einen holografischen Finger aus, als wolle sie die Träne darauf balancieren lassen. Erwartungsgemäß rollte der Tropfen durch den nur projizierten Finger hindurch und rann schließlich von Bernadettes Kinn. Er benetzte ihre ansonsten makellose Uniform.
Erneut legte Ad’""bana den Kopf auf die Seite. »Ich wünschte, ich könnte das nachvollziehen.«
»Was meinst du?«
»Der Grund, aus dem Menschen weinen. Keine andere Spezies, der ich je begegnet bin, hat diese Fähigkeit. Und ich weiß nicht, welchem Zweck sie dient.«
»Es ist ein Ausdruck unserer großen Trauer, unseres Schmerzes … und manchmal unserer Freude.«
»Trauer und Freude?!«, sinnierte Ad’""bana vor sich hin. »Und beides drückt ihr mit Tränen aus? Emotionen, die eigentlich so weit auseinanderliegen?«
»Sie liegen vielleicht nicht so weit auseinander, wie du denkst.«
»Auch das verstehe ich nicht.«
»Nun, das … ist schwer zu erklären, jemandem …«, stotterte Bernadette.
»… der nicht weiß, was menschliche Trauer ist?«, vollendete Ad’""bana den Satz. »Ich kenne Trauer. Ich habe eine meiner Schwestern getötet. Dennoch käme ich nie auf den Gedanken, um sie zu weinen. Selbst wenn ich dazu in der Lage wäre.«
Bernadette beugte sich zu ihrem Nachtisch, öffnete die Schublade und holte ein Foto heraus. Es zeigte einen schneidigen, jungen Offizier, der neben einem Mann stand, bei dem es sich um dessen Vater handeln musste.
»Mein Exmann schickte mir dieses Foto, nachdem unser Sohn die Militärakademie abgeschlossen hatte. Ich bin sehr dankbar dafür. Es ist eines der wenigen Dinge, die mir von ihm geblieben sind. Vielleicht ist das einer der Gründe, aus dem mich sein Tod derart hart trifft.«
Ad’""bana betrachtete das Foto eingehend. Das Gesicht des jungen Offiziers zeigte ein strahlendes Lächeln. »Er sieht glücklich aus.«
»Ich hoffe, das war er.« Bernadette streichelte sanft über die altertümliche Fotografie. Man hatte sie in einem Verfahren aufgenommen, das schon seit gut fünfhundert Jahren überholt war. Dennoch machte Bernadette den Anschein, als handele es sich um ihren größten Schatz.
Die ehemalige Commodore seufzte. »Ich kann dir deine Fragen nicht ausreichend beantworten, Ad’""bana. Man kann jemandem nicht Trauer und Verlust erklären, der noch nie einen Sohn oder ein anderes geliebtes Wesen verloren hat.« Sie hob den Blick und musterte Ad’""bana eindringlich. »Es tut mir wirklich sehr leid, aber ich wäre jetzt einfach gern allein.«
Ad’""bana nickte. Ihr Hologramm erhob sich wortlos und schlenderte aus dem Quartier. Es war nicht notwendig, aber aus Höflichkeit benutzte sie die Tür. Als diese sich hinter ihr schloss, vernahm sie erneut Bernadettes Schluchzen. Und zum ersten Mal, seit sie sich mit ihrer Gefährtin verbunden hatte, fühlte sie sich ausgeschlossen.
Carlo Rix fand Taran Stuullonor in der Aussichtslounge der Raumstation, die sich über dem Nordpol von Perseus befand. Der ehemalige Legionsgeneral blieb in respektvollem Abstand stehen und wartete geduldig darauf, von dem Drizilclanführer wahrgenommen zu werden.
Nach einer gefühlten Ewigkeit – es konnten in Wahrheit jedoch nur wenige Minuten gewesen sein – wandte sich Taran halb um und nickte seinem alten Freund über die Schulter zu.
Carlo trat langsam näher, bis er sich mit Taran auf gleicher Höhe befand. Dieser starrte weiterhin verdrossen ins All. Carlo folgte dessen Blick. Weit entfernt, eigentlich nur als gelegentlich aufblitzende Lichtreflexe erkennbar, kreuzten Hunderte, wenn