Die Abenteuer des Sherlock Holmes. Arthur Conan Doyle
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Читать онлайн книгу Die Abenteuer des Sherlock Holmes - Arthur Conan Doyle страница 15
Ich legte meinen gespannten Revolver auf die Holzkiste, hinter der ich niederkauerte. Holmes schloß den Schieber an der Vorderseite seiner Laterne, und wir waren von pechschwarzer Dunkelheit umgeben – einer so vollkommenen Dunkelheit, wie ich sie nie zuvor erlebt hatte. Der Geruch heißen Metalls erinnerte uns weiter daran, daß das Licht noch da war und innerhalb eines Augenblicks eingesetzt werden konnte. Meine erregten Nerven befanden sich auf einem Gipfel der Erwartung, daher hatten für mich die jähe Finsternis und die kalte, feuchte Luft im Gewölbe etwas Niederschlagendes und Bedrückendes.
»Sie haben nur eine Möglichkeit des Rückzugs«, flüsterte Holmes. »Und zwar durch das Haus zurück auf den Saxe-Coburg Square. Ich hoffe, Sie haben das getan, worum ich Sie gebeten habe, Jones?«
»Ich habe dafür gesorgt, daß ein Inspektor und zwei Schutzleute an der Vordertür warten.«
»Dann haben wir alle Löcher verstopft. Und nun müssen wir still sein und warten.«
Wie lang die Zeit wurde! Als wir hinterher unsere Aufzeichnungen verglichen, stellten wir fest, daß es nur eine Stunde und eine Viertelstunde gewesen waren, und doch erschien es mir, als müsse die Nacht fast verstrichen und die Morgendämmerung über uns bereits hereingebrochen sein. Meine Glieder waren müde und steif, da ich meine Stellung aus Vorsicht nicht verändern mochte, doch waren meine Nerven zum Zerreißen gespannt, und mein Gehör war so geschärft, daß ich nicht nur meine Gefährten leise atmen hörte, sondern sogar das tiefere, schwerere Einatmen des massigen Jones vom dünnen seufzenden Ton des Bankdirektors unterscheiden konnte. Von dort, wo ich mich befand, konnte ich über, die Kiste hinweg auf den Boden sehen. Plötzlich nahmen meine Augen das Schimmern eines Lichts wahr.
Zunächst war es nur ein fahler Fleck auf dem Steinboden. Dann wurde es länger, bis eine gelbe Linie daraus geworden war, und ohne jede Vorwarnung und ohne jedes Geräusch schien sich dann ein klaffender Spalt zu öffnen, und eine Hand erschien, eine weiße, beinahe weibliche Hand, die in der Mitte der kleinen hellen Fläche umhertastete. Etwa eine Minute oder länger ragte die Hand mit den sich windenden Fingern aus dem Boden. Dann wurde sie so plötzlich zurückgezogen, wie sie erschienen war, und alles war wieder dunkel, bis auf den einzelnen fahlen Fleck, der eine Ritze zwischen den Steinen kennzeichnete.
Das Verschwinden – der Hand war jedoch nur vorübergehend. Mit einem ziehenden, reißenden Geräusch kippte einer der breiten weißen Steine auf die Seite und hinterließ ein viereckiges, gähnendes Loch, durch welches das Licht einer Laterne strömte. Über die Kante spähte ein deutlich sichtbares, jungenhaftes Gesicht, das sich aufmerksam umblickte; mit einer Hand auf jeder Seite der Öffnung zog der Mann sich dann hoch bis zur Schulter und bis zur Hüfte und bis ein Knie den Rand berührte. Einen Augenblick später stand er neben dem Loch und zog einen Kumpanen nach, der ebenso beweglich und klein war wie er selbst, mit blassem Gesicht und einem Schopf sehr roten Haars.
»Alles klar«, flüsterte er. »Hast du die Brechstange und die Taschen? Großer Gott! Spring, Archie, spring; dafür werde ich hängen!«
Sherlock Holmes war vorgesprungen und hatte den Eindringling am Kragen gepackt. Der andere tauchte tief ins Loch, und ich hörte das Geräusch reißender Kleidung, als Jones an seinem Rock zerrte. Das Licht fiel auf einen Revolverlauf, aber Holmes' Jagdpeitsche sauste auf das Handgelenk des Mannes hinab, und die Waffe klirrte auf den Steinboden.
»Es hat keinen Zweck, John Clay«, sagte Holmes mild; »Sie haben überhaupt keine Chance.«
»Das sehe ich«, sagte der andere mit äußerster Gelassenheit. »Ich nehme an, mein Kumpel ist entkommen, auch wenn Sie da, wie ich sehe, seine Rockschöße haben.«
»Auf ihn warten drei Mann an der Tür«, sagte Holmes.
»Ach, so ist das! Sie scheinen die Sache sehr gründlich gemacht zu haben. Ich muß Ihnen ein Kompliment machen.«
»Und ich Ihnen«, gab Holmes zurück. »Ihr Einfall mit den Rotschöpfen war sehr neu und wirkungsvoll.«
»Sie werden Ihren Kumpel bald wiedersehen«, sagte Jones. »Er ist beim Einsteigen in Löcher schneller als ich. Halten Sie still, während ich die Krampen festmache.«
»Bitte, berühren Sie mich nicht mit Ihren schmutzigen Händen«, bemerkte unser Gefangener, als die Handschellen um seine Gelenke schnappten. »Vielleicht ist es Ihnen nicht bekannt, daß ich königliches Blut in den Adern habe. Seien Sie auch so gut, wenn Sie mit mir sprechen, immer ›Sir‹ und ›bitte‹ zu sagen.«
»In Ordnung«, sagte Jones mit einem starren Blick und einer höhnischen Grimasse. »Also, würden Sie bitte, Sir, treppauf schreiten, wo wir einen Wagen bekommen können, um Eure Hoheit zur Polizeistation zu bringen?«
»Das ist besser«, sagte John Clay heiter. Mit einer schwungvollen Halbkreisbewegung verneigte er sich vor uns dreien und entfernte sich gelassen, im Gewahrsam des Detektivs.
»Also wirklich, Mr. Holmes«, sagte Mr. Merryweather, als wir ihnen aus dem Keller nach oben folgten, »ich weiß nicht, wie die Bank Ihnen danken oder es Ihnen vergelten soll. Ohne jeden Zweifel haben Sie einen der entschlossensten Bankraubversuche aufgedeckt und aufs gründlichste vereitelt, von denen ich je erfahren habe.«
»Ich hatte selbst eine oder zwei kleine Rechnungen mit Mr. John Clay zu begleichen«, sagte Holmes. »Ich habe in dieser Angelegenheit einige kleine Unkosten gehabt und nehme an, daß die Bank sie mir erstatten wird, aber darüber hinaus fühle ich mich reichlich entlohnt durch eine Erfahrung, die in vieler Hinsicht einzigartig war, und dadurch, daß ich der sehr bemerkenswerten Erzählung von der Liga der Rotschöpfe lauschen konnte.«
»Wie Sie sehen, Watson«, erläuterte er in den frühen Morgenstunden, als wir in der Baker Street bei Whisky mit Soda saßen, »es war von Anfang an völlig offensichtlich, daß es das einzige mögliche Ziel dieser ziemlich phantastischen Geschichte mit der Anzeige der Liga und dem Abschreiben aus der Encyclopedia sein mußte, diesen nicht allzu hellen Pfandleiher jeden Tag ein paar Stunden aus dem Weg zu haben. Der Weg zu diesem Ziel war sehr merkwürdig, aber es wäre wirklich schwierig, einen besseren vorzuschlagen. Es war zweifellos die Haarfarbe seines Komplizen, die Clays einfallsreichem Geist diese Methode eingab. Die vier Pfund pro Woche waren ein Köder, der ihn anlocken mußte, und was bedeutete es schon für sie, die um tausende spielten? Sie haben die Anzeige aufgegeben; einer der Schurken sitzt im zeitweiligen Büro, der andere bringt den Mann dazu, sich für die Stellung zu bewerben, und gemeinsam gelingt es ihnen, dafür zu sorgen, daß er jeden Morgen eines Wochentags abwesend ist. Von dem Augenblick an, da ich hörte, daß der Assistent für den halben Lohn arbeitete, war es für mich offensichtlich, daß er ein starkes Motiv hatte, sich diese Stellung zu sichern.«
»Aber wie konnten Sie erraten, welches das Motiv war?«
»Wenn Frauen im Haus gewesen wären, hätte ich eine ganz gewöhnliche Intrige vermutet. Das kam aber nicht in Frage. Der Mann hatte ein kleines Geschäft, und in seinem Haus gab es nichts, was solch ausgeklügelte Vorbereitungen und solche Kosten, wie sie sie hatten, gerechtfertigt hätte. Also mußte es etwas außerhalb des Hauses sein. Was konnte es sein? Ich dachte an den Hang des Assistenten zur Photographie und daran, daß er im Keller zu verschwinden pflegte. Der Keller! Das war das Ende dieses verwickelten Fadens. Dann habe ich Nachforschungen nach diesem mysteriösen Assistenten angestellt und herausgefunden, daß ich es mit einem der kaltblütigsten und verwegensten Verbrecher Londons zu tun hatte. Er tat etwas im Keller – etwas, das monatelang jeden Tag viele Stunden in Anspruch nahm. Also noch einmal – was konnte es sein? Ich konnte mir nichts anderes denken, als daß er einen Tunnel zu irgendeinem anderen Gebäude trieb.