Sophienlust Paket 4 – Familienroman. Patricia Vandenberg

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Sophienlust Paket 4 – Familienroman - Patricia Vandenberg Sophienlust Paket

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hat mir eine genaue Beschreibung geliefert. Nur das Alter hat nicht gestimmt.«

      »Das Alter hat nicht gestimmt? Was soll das heißen?«

      »Die Huber-Mutter hat uns Mathilde Harlan beschrieben. Nur das Alter hat sie mit dreißig Jahren angegeben. Sie ist nicht davon abzubringen, sondern behauptet steif und fest, dass die Frau unmöglich schon sechzig Jahre alt sein kann.«

      »Lydia«, murmelte Wendelin so leise, dass Gisela ihn nicht verstand.

      »Wie bitte?«, schrie sie in den Hörer.

      »Es war Lydia. Sie ist ungefähr dreißig Jahre alt und sieht ihrer Mutter sehr ähnlich. Ich kann jetzt nicht länger mit dir reden, ich muss sofort nach Frankfurt fahren.«

      »Nach Frankfurt? Aber, Wendelin …«

      »Lydia wohnt in Frankfurt. Zum Glück habe ich mich vor einiger Zeit nach ihr erkundigt und kenne ihre Adresse. Ich befürchtete schon seit geraumer Zeit, dass Lydia einen Unfug plant. Wenn ich mich beeile, kann ich ihr vielleicht zuvorkommen und sie in Frankfurt erwarten. Ich verständige dich, sobald ich ein Resultat vorzuweisen habe.«

      »Hallo, Wendelin, hallo … Er hat aufgelegt«, sagte Gisela. »Ich wollte ihn bitten, mich mitzunehmen … Ach nein, das wäre ein zu großer Umweg gewesen.«

      *

      Wendelin fühlte, dass sein Herz bis zum Hals herauf klopfte. Mühsam zwang er sich zur Ruhe. Gerade jetzt durfte er nicht in einen Unfall verwickelt werden. Er musste Frankfurt schnellstens erreichen, um Lucie helfen zu können.

      Aber war er dazu überhaupt in der Lage? Unschlüssigkeit überkam ihn. Er war aus einem raschen Impuls heraus zu seinem Wagen geeilt und hatte den Weg nach Frankfurt eingeschlagen. Jetzt, während der Fahrt, war er gar nicht mehr so sicher, dass er richtig gehandelt hatte. Zwar gab es für ihn keinen Zweifel, dass es sich bei der Entführerin um Lydia Harlan handelte, aber woher wollte er wissen, dass sie die Absicht hatte, Lucie in ihre Wohnung zu bringen? Ebenso gut konnte sie vorhaben, das Kind unterwegs zu beseitigen. Er kannte Lydia gut genug, um sich darüber im Klaren zu sein, dass sie keinerlei Skrupel besaß.

      Wendelin überlief es kalt. Seiner Meinung nach war Lydia Harlan ein Typ, der schlimmstenfalls auch über Leichen ging, wenn es ihr zum Vorteil gereichte. Er wusste nicht, weshalb sie Lucie entführt hatte, aber dass sie nichts Gutes im Sinn hatte, war offenbar.

      Wendelin warf einen besorgten Blick auf die Benzinuhr. Der Tank war beinahe leer. Das bedeutete, dass er bis zur nächsten Tankstelle halten musste, um ihn auffüllen zu lassen. Das würde einen Zeitverlust mit sich bringen. Der einzige Trost war, dass auch Lydia zum Tanken gezwungen sein würde, falls sie wirklich nach Frankfurt fahren würde.

      Wendelin, der sich normalerweise durch ein äußerst korrektes Verhalten auszeichnete, hielt sich jedoch an keinerlei Geschwindigkeitsbeschränkungen. Er hatte jedoch das Glück, keiner Polizeistreife aufzufallen, und gelangte unbehelligt nach Frankfurt.

      Lydia bewohnte ein luxuriöses Appartement in einem Neubau am Stadtrand. Wendelin hatte sie noch nie besucht, aber nach dem Fehlschlag, den er bei Mathilde Harlan hatte hinnehmen müssen, hatte er Erkundigungen über Lydia eingezogen. Seine Absicht war gewesen, sie aufzusuchen und über Lucie auszufragen, aber die Nachbarn hatten ihm mitgeteilt, dass sich Lydia Harlan kaum zu Hause aufhalte, sondern meist verreist sei.

      Wendelin drückte auf die Klingel zu Lydias Wohnungstür, doch niemand meldete sich. Er sah auf seine Uhr. »Ich habe die Fahrt hierher in einer Rekordzeit geschafft«, sagte er zu sich selbst. »Lydia kann noch gar nicht da sein.«

      Wendelin lief unruhig vor der Haustür auf und ab. Sollte er die Polizei verständigen? Was aber, wenn Lydia ohne Lucie kam? Wenn sie doch nicht die Entführerin war?

      Wendelin schüttelte den Kopf. Nein, er war ganz sicher, dass nur Lydia dieses Verbrechen inszeniert haben konnte. Aber ob ihm die Polizei Glauben schenken würde? Lydia verstand es vorzüglich, sich zu verstellen. Sie würde nicht zögern, die gekränkte Unschuld zu spielen. Es gab nur einen Weg: Er musste sie auf frischer Tat ertappen. Zu diesem Zweck durfte er sich jedoch nicht vom Fleck rühren. Würde er Lydia verfehlen, würde seine Fahrt nach Frankfurt sinnlos gewesen sein.

      Wendelin blickte alle paar Minuten auf die Uhr. Die Zeiger schlichen dahin, das Warten wurde zu einer beinahe unerträglichen Qual. Es handelte sich ja um Lucie, seine kleine Tochter – das Einzige, das ihm von seiner Liebe zu Beatrix geblieben war. Davon, dass Lucie sein und Beatrix’ Kind war, war er nun überzeugt. Lydia hätte sich niemals die Mühe gemacht, ein fremdes Kind zu entführen. Warum sie es überhaupt getan hatte und warum Mathilde Harlan Beatrix’ Tod und Lucies Geburt verheimlicht hatte, war dagegen noch ein Rätsel für ihn. So, wie er Mathilde Harlan kannte, hatte sie Lucie bestimmt nicht aus Liebe bei sich behalten. Dagegen sprach auch Lucies verstörtes und verschüchtertes Verhalten, das sich erst in Sophienlust und mit Hilfe von Giselas liebevoller Zuwendung gebessert hatte.

      Bei dem Gedanken an Gisela erhellte sich Wendelins Miene, um sich jedoch gleich darauf wieder zu verdüstern. Erst musste er Lucie in sicherem Gewahrsam haben, dann durfte er Pläne für die Zukunft schmieden.

      Trotzdem sehnte sich Wendelin gerade jetzt nach Giselas Gegenwart. Er fürchtete, dass ihn der Hass, den er gegen Lydia empfand, dazu bringen könnte, die Beherrschung zu verlieren. Sonst war er ein ruhiger und besonnener Mensch, aber wenn er daran dachte, was Lydia Lucie möglicherweise angetan hatte, übermannte ihn blinde Wut. Dazu kam eine immer stärker werdende Angst, denn es war mittlerweile spät geworden. Lydia konnte unmöglich so lange unterwegs sein. Vielleicht war sie nach Hechingen gefahren, um Lucie in ihr ursprüngliches Gefängnis zurückzubringen?

      Wendelin wurde unschlüssig, ob er noch länger warten sollte. Womöglich vertrödelte er hier kostbare Zeit, während Mathilde und Lydia Harlan die arme kleine Lucie in Hechingen quälten.

      Zehn Minuten will ich noch warten, beschloss er, verlängerte aber dann die Frist um weitere fünf Minuten. Schließlich ging er langsam zu seinem Wagen und stieg ein. Aber er brachte es nicht über sich, den Wagen zu starten und wegzufahren. Irgendein Instinkt hielt ihn zurück. Er beugte sich vor, um das Haus, in dem Lydia wohnte, gut im Auge zu behalten.

      Seine Stellung war ziemlich verkrampft, und allmählich begann sein Rücken zu schmerzen. Aber Wendelin fühlte das kaum. Alle seine Gedanken waren auf Lucie gerichtet.

      Es war inzwischen finster geworden. Die Straße wurde zwar elektrisch beleuchtet, aber die elegant geformten, laternenähnlichen Beleuchtungskörper standen in ziemlich großen Abständen voneinander. Es war eine sehr ruhige Gegend. In der letzten Viertelstunde war kein einziges Auto vorbeigekommen. Vor ein paar Minuten hatte ein älterer Herr einen Hund an der Leine spazierengeführt, aber seitdem war niemand mehr in Wendelins Gesichtskreis aufgetaucht.

      Plötzlich richtete sich Wendelin auf und schlüpfte leise aus dem Wagen. Drüben war ein Auto vorgefahren. Es hielt genau vor Lydias Haus.

      Wendelin konnte die Farbe des Wagens nicht erkennen. Dazu war es schon zu dunkel. Aber er sah, dass eine Frau ausstieg, die der Größe und Gestalt nach recht gut Lydia sein konnte. Sie öffnete die hintere Wagentür und zog etwas aus dem Wagen, was einem unförmigen Bündel glich. Sie brauchte dazu beide Hände. Der ominöse Gegenstand fesselte ihre Aufmerksamkeit zu sehr, dass sie nicht auf ihre Umgebung achtete.

      Wendelin war leise und schnell über die Fahrbahn gelaufen und stand nun hinter ihr, als sie sich aufrichtete und die Wagentür abschloss.

      »Dann hat sich das lange Warten also doch gelohnt«, sagte Wendelin.

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