Sophienlust Paket 4 – Familienroman. Patricia Vandenberg
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Andrea folgte ihrem Impuls und klingelte trotzdem.
Lilo Werner kam im adretten Hauskleid an die Tür und sah zunächst nur Klaus. »Wo steckst du denn?«, fuhr sie ihn unfreundlich an. »Schleppst du mir heute schon wieder die Katze ins Haus, oder bist du sie losgeworden?«
Andrea trat vor und lächelte besonders liebenswürdig. »Guten Tag, Frau Werner. Ich bin Andrea von Lehn. Klaus hat die Katze zu mir ins Tierheim gebracht.«
»Was ist ein Tierheim?« Lilo Werner war ein wenig aus dem Konzept gebracht. »Klaus sollte die Katze dorthin tragen, wo er sie gestern aufgelesen hat.«
»Da wäre das arme Kätzchen verhungert oder von einer Krähe geholt worden«, erwiderte Andrea ruhig. »Bei uns geht es ihm gut. Mein Mann ist Tierarzt.«
Lilo Werner wurde nun etwas verbindlicher. »Wollen Sie nicht hereinkommen, Frau von Lehn?«, forderte sie Andrea auf. »Ich bin froh, dass sich für die Katze ein Unterkommen gefunden hat. Bei uns ist es wirklich nicht möglich.«
Andrea dachte an die verschiedenen Tiere, die der andere Junge hatte, doch sie schwieg, während sie der Hausfrau in das geschmackvoll eingerichtete Wohnzimmer folgte. Vor allem die ausgezeichneten Bilder an den Wänden beeindruckten sie, sodass sie eine Bemerkung über die Bilder machte. Sofort wurde Lilo Werner lebhaft. »Wir sind Kunstliebhaber, Frau von Lehn. Wenn ich Zeit finde, stehe ich selber an der Staffelei. Vor meiner Ehe habe ich in Paris studiert.«
»Wie schön, dass Sie das Malen nicht aufgegeben haben.«
»Unser Jochen zeichnet und malt auch schon recht nett.« Bei der Erwähnung des anderen Sohnes wurde das Gesicht der Mutter weich und zärtlich. »Er hat zum Geburtstag eine Staffelei bekommen.«
»Malst du auch?«, wandte sich Andrea an Klaus.
Stumm schüttelte der Junge den Kopf.
»Klaus ist ein schwieriges Kind«, beklagte sich Lilo Werner, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, dass der Bub zuhörte. »Bei Jochen gibt es nie Probleme. Klaus verliert seine Sachen, zerreißt die Hosen, macht sich schmutzig und bringt schlechte Zensuren heim. Bei Jochen ist es genau umgekehrt.«
Armer kleiner Klaus, dachte Andrea und äußerte rasch: »Ich würde mich freuen, wenn Klaus ab und an zu uns käme, um sein Kätzchen zu besuchen. Es ist sehr lobenswert, dass er das Tier zu uns brachte.«
Das Lächeln der Hausfrau wirkte erzwungen. »Nun ja, wir hätten die Katze wirklich nicht gebrauchen können. Jochens Tiere genügen mir.« Sie schien es ganz selbstverständlich zu finden, dass Jochen alles hatte und Klaus nichts.
Andrea verabschiedete sich und lud Lilo Werner ein, sich das Tierheim Waldi & Co. bei Gelegenheit einmal anzusehen. Sie nahm sich vor, Klaus keinesfalls aus den Augen zu verlieren. Denn irgendetwas schien in dieser Familie nicht zu stimmen.
*
Der breitschultrige, sonnengebräunte Mann, der in der Hotelhalle eine Zeitung durchblätterte, blickte auf und starrte die schlanke junge Dame, die eben vorüberging, entgeistert an. »Sie ist es – kein Zweifel«, murmelte er und erhob sich, um ihr in den Weg zu treten.
»Hallo, Gerda! Kennst du mich noch?«
Dr. Gerda Ahlsen war nicht weniger überrascht, als der Mann. »Klaus Magnus! Wo in aller Welt … Dumme Frage, du kommst natürlich aus Südafrika.«
»Stimmt. Ich bin erst seit ein paar Stunden in München. Und schon treffe ich dich. Das muss gefeiert werden.«
»Gern, Klaus. Ich bin allerdings ziemlich beschäftigt. Mein Instinkt hat mich nicht zum Vergnügen hierher zum Kongress geschickt.«
»Wie wichtig das klingt.« Klaus Magnus lachte. »Du warst schon immer ein superkluges Haus. Können wir heute Abend zusammen essen?«
»Ich werde es einrichten«, versprach Gerda.
»Fein, Gerda. Ich lasse einen Tisch für uns reservieren und warte ab acht Uhr hier auf dich.«
Sie reichte ihm die schmale feste Hand. Seine Blicke folgten ihr, als sie davonging.
Gerda Ahlsen – sie hatte sich kaum verändert. Nachbarskinder waren sie gewesen. Später hatten sie sich aus den Augen verloren. Immerhin erinnerte sich Klaus, dass Gerda Physik studiert,und sich stets leidenschaftlich für die Emanzipation der Frauen eingesetzt hatte. Auf keinen Fall hatte sie heiraten wollen. Ob sie immer noch so dachte?
Gleich darauf fragte er sich: Wird sie mir etwas von Gabi erzählen können? Denn es war nicht Gerda Ahlsen, der sein Interesse galt, sondern Gabi Renz, das Mädchen aus dem Haus gegenüber, das gleichfalls an ihren Kinderspielen teilgenommen hatte.
Klaus Magnus unternahm einen Stadtbummel, machte ein paar Einkäufe und wartete schließlich von halb acht Uhr an ungeduldig auf Gerda Ahlsen. Die Jugendfreundin erschien mit einiger Verspätung, da der Vortrag eines Professors aus Wien sehr lange gedauert hatte.
Klaus führte sie sofort ins Restaurant an den reservierten Tisch.
»Wie lange warst du weg?«, fragte Gerda.
»Acht Jahre, Gerda. Es ist mein erster Europabesuch. Mir blieb ja damals nichts anderes übrig, als mein Glück im Ausland zu versuchen.«
»Hast du es geschafft?«
»Ich habe einiges erreicht«, erwiderte er lächelnd. »Heute besitze ich mehrere tausend Schafe und dazu eine eigene Fabrik, in der die Felle eingefärbt werden.«
»Das klingt fantastisch. Ich gratuliere.«
Die Suppe wurde gebracht, und Klaus Magnus wechselte das Thema.
»Was ist eigentlich aus Gabi geworden?«, fragte er und bemühte sich, seine Spannung zu verbergen.
»Das hast du nicht erfahren?« Gerda sah plötzlich ernst aus. »Ich dachte …«
»Ja, ja, Gabi und ich, wir hatten einander gern. Am liebsten hätte ich sie mitgenommen, als ich auswanderte. Aber ich hatte kein Geld und keine Existenz. Gabis Vater gab mir das unzweideutig zu verstehen. Da er andere Pläne mit seiner Tochter hatte, habe ich Gabi dann nicht mehr geschrieben. Jetzt hat sie wahrscheinlich einen reichen Mann und denkt nicht mehr an mich.«
Gerda schüttelte den Kopf. »Gabi Renz lebt nicht mehr, Klaus. Es ist schon ziemlich lange her, dass sie starb. Sie muss krank gewesen sein. Zuerst war sie in der Schweiz. Ich erfuhr es von Lilo.«
»Tot? Davon hatte ich keine Ahnung. Weißt du mehr darüber?«
»Nein, ich war damals selten zu Hause, weil ich mich auf mein Examen vorbereiten musste.«
»Ich kann das einfach nicht glauben.«
»Hattest du gehofft, sie wiederzusehen?« Gerdas Stimme vibrierte ein wenig, als sie die Frage stellte.
»Ich wollte nur herausfinden, ob sie glücklich geworden ist, Gerda.«
»Arme Gabi. Ihr Leben war zu Ende, ehe es richtig begonnen hatte. Lilo hat übrigens noch vor Gabis Tod geheiratet.«
»Lilo