Freie und faire Wahlen?. Michael Krennerich

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Freie und faire Wahlen? - Michael Krennerich Politisches Sachbuch

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Verantwortung zu. Wichtig ist dabei, dass die Wahlinformationen auch in der Sprache nationaler Minderheiten und für Menschen mit Behinderungen verfügbar sind.

      Die Durchführung demokratischer Wahlen bedarf eines klaren rechtlichen Rahmens. Grundlegende demokratische Wahlprinzipien sollten in der Verfassung verankert sein. Dort ist für gewöhnlich auch festgelegt, welche politischen Institutionen gewählt werden. Die meisten Aspekte des Wahlprozesses sind freilich gesetzlich geregelt. Vorzugweise sind die zentralen Regelungsbereiche in einem einzigen Wahlgesetz gebündelt und nicht über eine Vielzahl an Gesetzen und Dekreten verteilt, wie dies etwa in Italien der Fall ist. Auch beispielsweise in Großbritannien sind die Rechtsgrundlagen der Wahlen stark fragmentiert, unübersichtlich und schwierig anzuwenden.58 Ebenso wenig sollten Inkonsistenzen mit anderen Gesetzen auftreten, die für den Wahlprozess bedeutsam sind, wie etwa mit Parteien-, Medien- oder auch Strafgesetzen.

      In Deutschland wird das vergleichsweise dünne Wahlgesetz, das in gerade einmal 52 gültigen Paragrafen die Durchführung der Bundestagswahlen regelt, durch die Bundeswahlordnung konkretisiert und durch weitere Gesetze, wie das Abgeordneten-, das Parteien-, das Wahlprüfungs- sowie das Wahlstatistikgesetz, ergänzt. Hinzu kommt die Bundeswahlgeräteverordnung. Auch einzelne Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs, des Strafgesetzbuchs und des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes sind als Rechtsgrundlagen für die Bundestagswahlen maßgeblich. Entsprechend umfangreich ist der über 1.000-seitige Kommentar zum Bundeswahlgesetz.59

      Im Idealfall umfassen die wahlgesetzlichen Regelungen den gesamten Wahlprozess. Gelegentlich weisen Wahlgesetze in Demokratien aber Regelungslücken auf oder enthalten, wie wir noch sehen werden, Bestimmungen, die für entstehende und junge Demokratien wenig angemessen erscheinen. Hingegen sind die Wahlgesetze vieler nicht konsolidierter Demokratien oder gar mancher Wahlautokratien oft umfassender und regeln detailreich den Wahlprozess. Dies ist nicht zuletzt auf das Betreiben von Wahlberatungs- und Wahlbeobachtungsorganisationen zurückzuführen, die immer wieder Wahlgesetzreformen anmahn(t)en. Dahinter steht die Idee, dass angesichts einer fehlenden oder sich erst herausbildenden demokratischen Wahlkultur mit den Mitteln des Rechts darauf hingewirkt werden soll, dass die Wahlen demokratischen Ansprüchen genügen. European Commission for Democracy Through Law heißt bezeichnenderweise die „Venedig-Kommission“ des Europarats, die zahlreiche neue Wahlgesetze in Mittel- und Osteuropa einer kritischen Prüfung unterzogen hat. In vielen Fällen hat dies zu einer erheblichen Verbesserung des rechtlichen Rahmens der Wahlen geführt; mitunter kann es aber auch zu einer Überregulierung kommen. Denn dort, wo alles im kleinsten Detail geregelt ist, bleibt kein Platz für notwendige Anpassungen durch die – im Idealfall unabhängig und professionell arbeitenden – Wahlbehörden und kommt es zwangsläufig zu Verstößen, wenn die Einhaltung der Wahlregeln nicht eingeübt ist. Dies wiederum kann von autoritären Machthabern genutzt werden, um politische Kontrahenten wegen Wahlverstößen zu belangen.

      Letztlich sollten Wahlgesetze eindeutig, verständlich und leicht anwendbar sein. Im Falle des Wahlgesetzes in Albanien, um nur eines von vielen Beispielen herauszugreifen, kritisierte ODIHR beispielsweise einen Mangel an Klarheit einiger Bestimmungen. Auch ist es wichtig, dass die Wahlgesetze nicht andauernd und nicht unmittelbar vor den Wahlen geändert werden, es sei denn, es müssen schwerwiegende Mängel behoben werden. In Italien unterliegt das Wahlsystem ständigen Änderungen und wurden noch wenige Monate vor den Parlamentswahlen 2018 hastig Wahlreformen durchgeführt. Besonders problematisch ist, wenn der Verdacht aufkommt, dass kurzfristige Wahlgesetzänderungen der Regierungspartei zugutekommen, wie dies beispielsweise im Vorfeld der türkischen Wahlen von 2018 beanstandet wurde.60 Auch der – letztlich gescheiterte – Versuch der Regierung Polens, mittels einer Last-Minute-Umstellung auf eine reine Briefwahl den für sie günstigen Termin der Präsidentschaftswahl im Mai 2020 auch während der Corona-Pandemie zu halten, war politisch motiviert und stieß auf heftige Kritik der Opposition. Völlig verwirrend waren schließlich die vielen Veränderungen der Wahlregularien vor den Wahlen in Thailand 2019. Die dortige Militärjunta verschob nach dem Putsch von 2014 nicht nur mehrfach den angekündigten Wahltermin, sondern änderte auch verschiedentlich die Voraussetzungen für eine Wahlbewerbung.

      52 Vgl. Sullivan 2016.

      53 Siehe §§ 8 f. BWahlG.

      54 Zovatto 2017; vgl. auch: Jaramillo 1994, Valdés/Ruiz 2019.

      55 Vgl. Riedl/Samba Sylla 2019: 100.

      56 https://www.idea.int/data-tools/data/electoral-management-design.

      57 Vgl. die jeweiligen ODIHR-Berichte zu den dortigen Wahlen.

      58 Vgl. Law Commission of England and Wales/Scottish Law Commission 2020.

      59 Schreiber 2017.

      60 Vgl. CDL-AD(2018)031.

      Das Wahlrecht stellt ein grundlegendes demokratisches Recht dar. Vom Bundesverfassungsgericht wurde es ehedem als das „vornehmste Recht“ der Bürgerinnen und Bürger im demokratischen Staat geadelt.61 Es ist nicht nur in den meisten nationalen Verfassungen, sondern auch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) von 1948 und in zahlreichen internationalen Menschenrechtsabkommen fest verankert. In der AEMR ist es dem Wortlaut nach als ein Menschenrecht ausgewiesen, das jedem Menschen zusteht. Gleichwohl ist es mit einer wichtigen Konkretisierung hinsichtlich des räumlichen Anwendungsbereichs versehen: Jeder Mensch hat das Recht, in seinem Land zu wählen und gewählt zu werden.

      „Jeder [Mensch] hat das Recht, an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten seines Landes unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter mitzuwirken. […] Der Wille des Volkes bildet die Grundlage für die Autorität der öffentlichen Gewalt; dieser Wille muss durch regelmäßige, unverfälschte, allgemeine und gleiche Wahlen mit geheimer Stimmabgabe oder einem gleichwertigen freien Wahlverfahren zum Ausdruck zu kommen.“ (Art. 21 AEMR).

      Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (kurz: UN-Zivilpakt) von 1966 (seit 1976 in Kraft) formuliert das Wahlrecht als einziges Menschenrecht bereits dem Wortlaut nach nur noch als Staatsbürgerrecht:

      „Jeder Staatsbürger [sic] hat das Recht und die Möglichkeit, ohne Unterschied nach den in Artikel 2 genannten Merkmalen und ohne unangemessene Einschränkungen

      1. an der Gestaltung der öffentlichen Angelegenheiten unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter teilzunehmen;

      2. bei echten, wiederkehrenden, allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen, bei denen die freie Äußerung des Wählerwillens gewährleistet ist, zu wählen und gewählt zu werden; […]“ (Art. 25 UN-Zivilpakt)

      Auch weitere internationale Menschenrechtsabkommen beinhalten das Wahlrecht. Nachdem das UN-Übereinkommen über die politischen Rechte der Frau von 1953 das gleiche aktive wie passive Wahlrecht für Frauen vorgesehen hatte, wurde dies beispielsweise nochmals im UN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung von Frauen aus dem Jahr 1979 (seit 1981 in Kraft) ausdrücklich garantiert. Die UN-Behindertenrechtskonvention von 2006 (2008) wiederum verpflichtet die Vertragsstaaten, die gleichberechtigte und barrierefreie Nutzung des aktiven und passiven Wahlrechts für Menschen mit Behinderungen sicherzustellen. Ebenso sehen die regionalen Menschenrechtsschutzsysteme in Europa, Amerika und Afrika

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