Freie und faire Wahlen?. Michael Krennerich

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Freie und faire Wahlen? - Michael Krennerich Politisches Sachbuch

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Algerien, Kenia, Mali, Senegal, Sudan (alle 43), Guinea, Libanon, Madagaskar, Swasiland (alle 42), Aserbaidschan, Venezuela (beide 41), Ägypten, Bahrain, Belarus, Kamerun (alle 40) Sehr niedrig Angola (39), Bangladesch, Irak, Mauretanien, Togo, Usbekistan, Zimbabwe (alle 38), Honduras, Uganda (beide 37), Aserbaidschan, Nicaragua, Turkmenistan (36), Malaysia, Mosambik, Tadschikistan (alle 35), Afghanistan, Papua-Neuguinea, Vietnam (alle 34), Haiti (32), Dschibuti, Tschad (beide 31), Kambodscha, Kongo (beide 30), Rep. Kongo (29), Äquatorialguinea, Äthiopien, Burundi, Syrien (alle 24)

      Quelle: eigene Zusammenstellung auf Grundlage von: www.ElectoralIntegrityProject.com (Mai 2019)

      Der Index zeigt in vielerlei Hinsicht zu erwartende Ergebnisse auf: Den etablierten Demokratien in Nord-, West- und Südeuropa beispielsweise wird durchweg eine sehr hohe oder hohe Integrität bescheinigt. Am besten schneiden dort die nordischen Staaten Dänemark, Finnland, Norwegen, Schweden und Island ab, gefolgt von Deutschland und den Niederlanden. Vergleichsweise niedrig ist allerdings für westliche Demokratien die Punktebewertung von Griechenland, Großbritannien und Malta. Durchwachsener ist das Bild in den Staaten Mittel-und Osteuropas. Dort wird die Integrität der Wahlen nur in einigen Ländern als sehr hoch (Estland, Litauen, Slowenien, der Tschechischen Republik, der Slowakei und Polen) oder als hoch (Kroatien) eingeschätzt, während die Wahlen in etlichen anderen Ländern nur ein „gemäßigt“ erhalten. Schlusslicht ist dort, wenig erstaunlich, Belarus. Unter den Staaten des Kaukasus und Zentralasiens fallen die Mongolei und mit Einschränkungen Kirgistan vergleichsweise positiv auf, während Usbekistan, Aserbaidschan, Turkmenistan und Tadschikistan besonders schlecht abschneiden. Im restlichen Asien und im Pazifikraum gehören Bangladesch, Malaysia, Papua-Neuguinea, Afghanistan, Vietnam und Kambodscha zu den Schlusslichtern, während Neuseeland, Südkorea, Taiwan und Australien eine sehr hohe Wahlintegrität bescheinigt wird. Im Nahen Osten stechen die Wahlen in Israel als der einzigen Demokratie in der Region positiv hervor, in Nordafrika jene in Tunesien, einem Land, dessen demokratische Entwicklung allerdings nicht abgeschlossen ist. Vielschichtig ist auch das Bild in Afrika südlich der Sahara, das von bemerkenswert demokratischen bis hin zu offen gefälschten Wahlen reicht: Dem Index zufolge weisen die Wahlen in Capo Verde und Benin im Untersuchungszeitraum (noch) eine sehr hohe Integrität auf und die Wahlen in Ghana, der Republik Südafrika, Lesotho und Namibia immerhin eine hohe. Hingegen schneiden Burundi, Äquatorialguinea und Äthiopien äußerst schlecht ab. In Amerika bekommen die Wahlen in Costa Rica und Uruguay sowie in Kanada sehr gute Bewertungen, ganz im Unterschied zu den Wahlen in Venezuela, Honduras, Nicaragua und Haiti. Die USA fallen im Vergleich zu anderen Demokratien ab.

      Der Index gibt einen ersten, möglicherweise hilfreichen Überblick über Wahlen weltweit.37 Allerdings lässt die Transparenz der von Expertinnen und Experten zwar anhand objektiver Kriterien, aber dennoch subjektiv vorgenommenen Länderbewertungen zu wünschen übrig. Auch fördert der Index mitunter Bewertungen zutage, die kontraintuitiv sind, schon gar im interregionalen Vergleich. So ist beispielsweise schwer nachvollziehbar, dass die Wahlen im Sudan weit mehr Punkte erhalten als die sicherlich kritikwürdigen, aber doch kompetitiveren Wahlen in Honduras und Nicaragua. Ländervergleiche, zumal über verschiedene Weltregionen hinweg, sind bei solchen Indizes mit großer Vorsicht zu genießen, da die Bewertungen insbesondere vor dem Hintergrund des nationalen und allenfalls noch des regionalen Kontexts erfolgen, nicht aber auf Grundlage eines zumal interregionalen Vergleichs. Es wäre daher stets zu prüfen, welche Aspekte der Wahlen für eine bessere oder schlechtere Bewertung der Wahlen ausschlaggebend waren und wie sich etwaige Bewertungsvarianzen begründen lassen. Die aggregierten Länderdaten geben hierzu kaum Aufschluss. Zugleich können die kumulativen Ergebnisse die Unterschiede der Integrität von Wahlen in ein und demselben Land verwischen. Mitunter sind auch Wahlen, die zu abweichenden Bewertungen kommen, noch nicht erfasst: In der knapp 20-jährigen Vorzeigedemokratie Westafrikas, Benin, die für den Zeitraum zwischen 2012 und 2018 eine sehr hohe Bewertung erhielt, wurden bei den Parlamentswahlen im Mai 2019 nur zwei regierungsnahe Parteien zugelassen, fünf Oppositionsparteien(-bündnisse), darunter auch jene des ehemaligen Präsidenten Boni Yayi, wurde die Zulassung verwehrt. Die Wahlbeteiligung sank rapide auf rund 23 %, und es folgten schwere Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstrierenden.

      Internationale Wahlbeobachtung spielt eine potenziell wichtige Rolle für die Transparenz und Integrität des Wahlgangs. Durch Wahlbeobachtung lassen sich Wahlunregelmäßigkeiten und Wahlmanipulationen nicht nur aufdecken, sondern möglicherweise auch vermeiden. Angesichts der Präsenz von Wahlbeobachtungsteams nehmen die politischen Kontrahentinnen und Kontrahenten gegebenenfalls von (allzu offenem) Wahlbetrug Abstand. Zum anderen können unabhängige Wahlbeobachtungsmissionen auch bezeugen, wenn die Wahlen hinreichend frei und fair abliefen. Der Ausweis, dass die Wahlen internationalen Standards genügten, kann die Legitimität der Wahlen stärken, gerade dann, wenn diese infrage gestellt wird. Vor allem in solchen Gesellschaften, in denen – beispielsweise nach Bürgerkriegen oder im Rahmen von Demokratisierungsprozessen – großes Misstrauen zwischen den kandidierenden Personen und Parteien herrscht, kann Wahlbeobachtung zur Vertrauensbildung beitragen. Gleiches gilt für Länder, in denen eine ausgeprägte politische oder gesellschaftliche Polarisierung einen demokratischen Wahlprozess erschwert. Selbst in etablierten Demokratien können Empfehlungen von Wahlbeobachtungsteams wahlrechtliche oder wahlorganisatorische Reformen anstoßen.

      Die Vereinten Nationen entsandten bereits zwischen 1956 und 1990 rund 30, meist kleine Wahlbeobachtungsmissionen in die sich damals entkolonialisierenden Staaten Afrikas und Asiens. Doch die von den Vereinten Nationen überwachten Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung im November 1989 in Namibia, auf die im März 1990 die Unabhängigkeit des Lands folgte, bildeten vom Umfang her eine Zäsur: Die dortige United Nations Transaction Assistance Group umfasste 8.000 Personen.38 Es folgten die bis dahin international am besten beobachteten Wahlen in einem souveränen Staat: die Wahlen 1990 in Nicaragua, aus denen das sandinistische Revolutionsregime (1979 – 1990) nach siegreichen Wahlen 1984 überraschend als Verlierer hervorging und die Regierungsmacht abgab. Die Wahlen waren Teil des zentralamerikanischen Friedensprozesses39 und wurden nicht nur von den Vereinten Nationen beobachtet, sondern auch von der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), die zwischen 1962 und 1990 an mehr als 20 kleineren Wahlbeobachtungsmissionen in der Region teilgenommen hatte, sowie von etlichen weiteren internationalen NGOs, wie etwa dem Carter Center. Während sich die Vereinten Nationen im Laufe der 1990er Jahre zusehends aus der Wahlbeobachtung zurückzogen, war bei den darauffolgenden Wahlen 1996 in Nicaragua die OAS, die Europäische Union sowie eine kaum überschaubare Anzahl an internationalen Wahlorganisationen, NGOs, Stiftungen, Parteien, Botschaften und Abgeordneten vor Ort. Sie trugen erheblich zur Integrität der Wahlen und zur neuerlichen Akzeptanz der Wahlniederlage durch die Sandinisten bei.

      Im Zuge der Demokratisierungsprozesse auch in anderen Weltregionen entwickelten weitere Institutionen eine kontinuierliche, professionelle Wahlbeobachtung. Im OSZE-Raum mit seinen 57 Teilnahmestaaten ist hier vor allem das Office for Democratic Institutions and Human Rights (ODIHR) der OSZE hervorzuheben. Es entsandte 1996 sein erstes Langzeitwahlbeobachtungsteam und hat bis Ende 2018 insgesamt 358 Beobachtungen von Wahlen und Referenden durchgeführt.40 Die EU wiederum schickte, beginnend mit einer Mission nach Russland im Jahr 1993, bis Ende 2019 insgesamt 197 Wahlbeobachtungsteams in sogenannte „Drittstaaten“.41

      Mit dabei waren von Beginn an Wahlbeobachterinnen und Wahlbeobachter aus Deutschland, da internationale Wahlbeobachtung schon früh als Instrument der Demokratisierungshilfe erachtet wurde.42 Deren Beteiligung wurde in den 1990er Jahren direkt über das Auswärtige Amt koordiniert, später übernahm das 2002 gegründete Zentrum für Internationale Friedenseinsätze (ZIF) die Rekrutierung und Ausbildung deutscher Wahlbeobachterinnen und -beobachter. Bis September 2019 vermittelte

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