David Copperfield. Charles Dickens
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Ich darf nicht zu berichten versäumen, dass Mr. Micawber auch eine Petition an das Unterhaus einreichte, und darin um eine Abänderung der Schuldhaftgesetze bat. –
Es gab einen Klub im Gefängnis, in dem er als Gentleman in großem Ansehen stand. Er hatte die Grundidee zu seiner Petition dem Klub bekanntgegeben, und dieser hatte sie gebilligt. Darauf machte sich Mr. Micawber, der außerordentlich gutherzig war und in allen Angelegenheiten, nur in seinen eignen nicht, ungemein tätig war und sich glücklich fühlte, wenn er etwas tun konnte, was ihm nicht den geringsten Nutzen einbrachte, über die Petition her, fasste sie ab, schrieb sie auf einen ungeheuren Bogen Papier, breitete sie auf dem Tisch aus und setzte die Zeit fest, wo der ganze Klub und alle Gefangenen, die dazu Lust hätten, heraufkommen und sie unterzeichnen sollten.
Als ich von der bevorstehenden Feierlichkeit hörte, fühlte ich ein so lebhaftes Interesse, jeden einzelnen heraufkommen zu sehen, dass ich mir bei Murdstone & Grinby eine Stunde Urlaub erwirkte und in einer Ecke des Zimmers Posten fasste.
Die Oberhäupter des Klubs standen in dem kleinen Zimmer herum und »Kapitän Hopkins«, der sich zu Ehren des Festes gewaschen hatte, stand neben Mr. Micawber bereit, die Petition vorzulesen. Dann wurde die Tür geöffnet und in langen Reihen kamen die übrigen Bewohner des Gefängnisses herein. Mehrere warteten draußen, während immer einer vortrat, unterschrieb und wieder hinausging. Jeden einzelnen fragte »Kapitän Hopkins«: »Haben Sie es gelesen? – Nein! – Soll ich es Ihnen vorlesen?« Wenn der Betreffende widerstandslos genug war, auch nur den Schein einer Neigung, es zu hören, an den Tag zu legen, las »Kapitän Hopkins« mit lauter sonorer Stimme Wort für Wort vor. Wenn es zwanzigtausend Leute hätten hören wollen, einer nach dem anderen, der Kapitän würde es zwanzigtausendmal vorgelesen haben. Ich weiß noch, mit welchem Wohlbehagen er gewisse Phrasen, wie: »Die im Parlament versammelten Vertreter des Volks«, oder »die Bittsteller nahen sich demütigst Ihrem hochansehnlichen Hause«, »Eurer huldreichen Majestät unglückliche Untertanen«, zerkaute, als ob diese Worte in seinem Munde zu etwas Realem von köstlichem Geschmacke würden, während Mr. Micawber mit ein bisschen Autoreneitelkeit und nicht allzu strengem Blick die eisernen Spitzen des gegenüberliegenden Gefängnisgitters betrachtete.
12. Kapitel – Da mir das Leben auf eigne Faust nicht gefällt, fasse ich einen großen Entschluss
Mr. Micawbers erste Bittschrift wurde günstig erledigt, und das Gericht ordnete zu meiner großen Freude seine Freilassung an. Seine Gläubiger zeigten sich nicht unversöhnlich, und Mrs. Micawber erzählte mir, dass selbst der rachedürstende Schuster vor Gericht erklärt habe, er hege weiter keinen Groll, wünsche aber bezahlt zu sein, wenn man ihm Geld schulde. Er habe gesagt, er glaube, das sei menschlich.
Mr. Micawber kehrte nach Kings-Bench zurück, als sein Fall erledigt war, denn es mussten noch einige Kosten bezahlt und einige Formalitäten erfüllt werden, ehe er freigelassen wurde. Der Klub empfing ihn mit Begeisterung und veranstaltete an diesem Abend ihm zu Ehren eine musikalische Feier, während Mrs. Micawber und ich uns privatim an einem Lammsbraten erfreuten, umgeben von der schlafenden Familie.
»Bei dieser Gelegenheit will ich mit Ihnen, Master Copperfield«, sagte Mrs. Micawber, »mit einem frischen Glas Flip – wir hatten schon einige getrunken – auf das Wohl von Papa und Mama trinken.«
»Sind sie tot, Madame?« fragte ich, nachdem ich mit meinem Weinglas angestoßen hatte.
»Mama schied aus dem Leben, bevor Mr. Micawbers Drangsale begannen oder wenigstens noch nicht so schlimm waren. Papa lebte noch, um mehrere Male für Mr. Micawber Bürgschaft zu leisten, und hauchte dann seinen Geist aus, beweint von einem zahlreichen Kreis.«
Mrs. Micawber schüttelte den Kopf und ließ eine Träne auf den Zwilling, der gerade bei der Hand war, fallen.
Da ich schwerlich eine günstigere Gelegenheit zu der Frage, die mir sehr am Herzen lag, finden konnte, sagte ich zu Mrs. Micawber:
»Darf ich fragen, Ma’am, was Sie und Mr. Micawber zu tun gedenken, wenn Ihr Herr Gemahl aus seinen Verlegenheiten heraus und wieder in Freiheit ist? Haben Sie schon einen Entschluss gefasst?«
»Meine Familie«, sagte Mrs. Micawber, die diese Worte immer mit einer großen Geste aussprach, obgleich ich nie herausbekommen konnte, wer eigentlich darunter zu verstehen sei, »meine Familie ist der Meinung, dass Mr. Micawber London den Rücken kehren und seine Talente in der Provinz verwerten solle. Mr. Micawber ist ein Mann von großem Talent, Master Copperfield!«
Ich sagte, dass ich daran nicht zweifle.
»Von großem Talent«, wiederholte Mrs. Micawber. »Meine Familie ist der Meinung, dass mit ein wenig Fürsprache für einen Mann von seinen Fähigkeiten etwas beim Zollamt getan werden könnte. Da der Einfluss meiner Familie nur lokaler Art ist, ist es ihr Wunsch, dass Mr. Micawber nach Plymouth hinunterkommen solle. Sie halten es für unerlässlich, dass er sich an Ort und Stelle begibt.«
»Um bereit zu sein?« fragte ich.
»Ganz richtig«, wiederholte Mrs. Micawber. »Um bereit zu sein, falls eine glückliche Wendung eintritt.«
»Und Sie gehen auch mit, Ma’am?«
Die Ereignisse des Tages, die Mitwirkung der Zwillinge und vielleicht auch der Flip hatten Mrs. Micawber sehr hysterisch gestimmt, und sie vergoss Tränen, als sie antwortete:
»Ich werde Mr. Micawber nie verlassen! Mr. Micawber hat mir vielleicht zu Anfang seine Bedrängnisse verheimlicht, aber sein sanguinisches Temperament mag ihn zu der Ansicht verleitet haben, er werde sie bald überwinden können. Das Perlenhalsband und die Armbänder, die ich von Mama geerbt habe, sind um den halben Wert verschleudert worden. Und der Korallenschmuck, den mir Papa zur Hochzeit schenkte, fast für nichts. Aber ich werde Mr. Micawber nie verlassen! Nein!«