Komplexitätsmanagement. Michael Reiss
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1. Auflage 2020
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-035593-4
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-035594-1
epub: ISBN 978-3-17-035595-8
mobi: ISBN 978-3-17-035596-5
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Vorwort
In den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften wie in allen wissenschaftlichen Disziplinen und Transdisziplinen beschreibt Komplexität eine Situation, in der eine Vielfalt von interdependenten Faktoren einerseits für eine Komplexitätslast, andererseits aber auch für ein Komplexitätspotenzial sorgt. In derart schlecht strukturierten, risikobehafteten, intransparenten und volatilen Situationen ist es Aufgabe des Managements, eine Kongruenz von Last und Potenzial herzustellen. Dies gelingt häufig durch eine aufeinander abgestimmte Vereinfachung der Komplexitätslast und eine Anreicherung der menschlichen, organisatorischen und technischen Komplexitätspotenziale zu deren Handhabung. Das vorliegende Fachbuch verdeutlicht theoretisch fundiert die praktische Bedeutung eines derart ganzheitlichen und ausgewogenen Komplexitätsmanagements anhand von konzeptionellen Grundlagen sowie von Anwendungen in mehreren Managementsparten. Diese Domänen des angewandten Komplexitätsmanagements sind jeweils durch spezifische Komplexitätsmerkmale auf der Ebene der Strategien und Prozeduren geprägt. Im Gegensatz zu vorliegenden Ansätzen steht nicht der Kampf gegen Komplexität, sondern das Engagement für eine ausgewogene Komplexität im Mittelpunkt. Das Buch wendet sich an Leser, die über ein ökonomisches und sozialwissenschaftliches Grundlagenwissen verfügen und dieses Wissen durch einen komplexitätsfokussierten Zugang erweitern, integrieren, verfeinern und mitunter auch neu justieren wollen.
Der letzte Zugriff auf alle zitierten Internet-Quellen erfolgte am 28.05.2020. Kommentare, Kritik und Anregungen von Lesern sind unter [email protected] willkommen.
Der Autor dankt Herrn Dr. Uwe Fliegauf, Verlagsleitung des Kohlhammer-Verlags, für die Initiierung und Betreuung des Buchprojekts.
Im Juni 2020 | Michael Reiss |
Einführung in das Thema »Komplexitätsmanagement«
Bei der Komplexität handelt es sich um ein formales Merkmal aller physischen, virtuellen und mentalen Welten. Wir machen uns ein subjektives oder objektives Bild dieser Welten durch eine Komplexitätslinse bzw. Komplexitätsbrille. Diese Modellperspektive ist insofern formal, als sie von inhaltlichen Merkmalen abstrahiert. Bei einem Produktprogramm bedeutet dies, dass das Komplexitätsmodell inhaltlich signifikante Unterschiede zwischen Branchen, die phänomenologische Beschaffenheit der Leistungen (Sachleistungen versus Dienstleistungen) bzw. Konsumgüter oder Investitionsgüter unberücksichtigt lässt und nur die Komplexitätsmerkmale erfasst: Hierzu zählen etwa die Anzahl der im Programm enthaltenen Produkte, ob ein Verbund (verbundene Diversifikation) oder kein Verbund (unverbundene Diversifikation) besteht, ob der Verbund komplementär oder substitutional ist, wie verschiedenartig oder ähnlich die Produkte sind (z. B. Standardleistungen, Produktfamilien, Varianten oder individualisierte Solutions), ob es Gleichteile gibt, ob Leistungen einzeln oder als Bundles angeboten werden, ob die Produktmerkmale hoch spezifiziert oder nur schwach spezifiziert sind (etwa »Hotelübernachtung« oder »Übernachtung im 5 Sterne-Hotel Miramar«), wie die Proportionen von »Renner«- und »Penner«-Produkten (nach Umschlagshäufigkeit, Verkaufszahlen) ausfallen und wie es mit der Länge des bisherigen und zukünftigen Lebenszyklus der einzelnen Produkte bestellt ist, z. B. Software-Versionen, langlebige Gebrauchsgüter oder kurzlebige Mode-Kollektionen.
Die Beispiele vermitteln eine erste Vorstellung vom Komplexitätsbegriff. Auch einige geläufige ökonomische Grundbegriffe wie z. B. »Knappheit«, »Projekt« (Sonderaufgaben), »Konflikt«, »Kannibalisierung« oder »öffentliche Güter« (kein Ausschluss von der Nutzung) erfassen primär Komplexitätsmerkmale. Ferner hat sich sowohl in der Alltagssprache als auch in der Wissenschaft eine komplexitätsorientierte Metaphorik und Idiomatik eingebürgert. Die sehr lange Liste umfasst etwa Bezeichnungen wie Amöbe, Chamäleon, schwerfällige Supertanker versus bewegliche Schnellboote, meterhohe Aktenberge, Schmelztiegel, trojanische Pferde, Gemengelage, Masse (z. B. Massenproduktion, kritische Masse), Lawinen, Labyrinthe, Blindflug, der »gläserne« Kunde, »sichere Häfen«, »Nadel im Heuhaufen«, Wirrwarr, Lippenbekenntnisse, Hassliebe, Flickenteppich, Regenbogenfamilien, Informationsexplosion, Software-Riesen, Eintönigkeit (»Täglich-grüßt-das-Murmeltier«-Effekt), Shortcuts (Abkürzungen), Spurwechsel, Lehman Moment (Krise), Aprilwetter (Wechselhaftigkeit), Verzahnung, Schneeballeffekt, Puzzle, »Zwischen Baum und Borke stecken«, »Flöhe und Läuse haben« (Kumulation, speziell Komorbidität), »Sturm im Wasserglas«, »beredtes Schweigen«, »Alles unter einen Hut bringen« (Konflikte lösen), verhärtete Fronten, Beidhändigkeit (Ambidextrie), Krokodilstränen, Büchse der Pandora, blinder Aktionismus, Eigentor, Erdrutschsieg (bei Wahlen), Zweifrontenkrieg, Spagat, zwei Seiten derselben Medaille, Alles-oder-Nichts, Klein-Klein-Strategien, Salami-Taktik, stille Rücklagen oder Teilhaber (Intransparenz), »Turbo« (beschleunigte Prozesse), Bärendienst, Pyrrhus-Sieg, Immobilienblase, kleiner Dienstweg, globales Dorf, flache (globale) Welt, Auseinanderklaffen von Sein und Schein, Wasserkopf (überdimensionierte Verwaltung), »schwammige« Begriffe (wie z. B. »einvernehmlich«, »gesundes Misstrauen«), Eisberg (hoher intransparenter Anteil), Scharlatane, Balkanisierung (Zerfall großer Gebilde in viele kleine Einheiten), Terra Inkognita, weiße Flecken, Querdenker, Eiserner Vorhang (Ost-West-Aufteilung Europas während des kalten Kriegs), »dünnes Eis« (riskante Situationen), Undercover, Geldschleier, Hufeisen-Theorie, »Klotzen statt Kleckern!«, »Weiter so!«, Schubladenpläne, »08/15«, »mehrere Standbeine haben«, Mülleimer-Modell (Chaos), Dschungel, Schattenwirtschaft, Schatten-IT (unbefugter Einsatz privater Hard- und Software am Arbeitsplatz), Schattenbanken (z. B. Investmentfonds), Sandwich-Konstellation, runde Tische (Fehlen hierarchischer Differenzierung), »kalte« Progression, »Nacht und Nebel-Aktionen«, »hinter den Kulissen«, »zwischen den Zeilen«, »Applaus von der falschen Seite«, graue Märkte, graue Eminenzen (Strippenzieher), die unsichtbare Hand (durch Marktmechanismus werden die egoistischen Interessen der einzelnen Wirtschaftssubjekte in ein volkswirtschaftliches Optimum überführt), Borderline (Übergangsbereich zwischen neurotischen und psychotischen Störungen), Janusköpfigkeit, Zeitungsenten (Falschmeldungen), Reibungsverluste, (intransparentes) Darknet, Schwarzmärkte, Black Box, Dunkelziffer bzw. Dunkelfeld, schwarze Schwäne, Kleingedrucktes (geringe Transparenz), Zombies (Untote), geheime schwarze Listen, verdeckte Provisionen (z. B. Kick-Backs), Euphemismen, Phantomschmerz, Phantomstau, Phantom-Aktien, gordischer Knoten, »Kopf in den Sand stecken«, Pizza oder Pancake-Organisation statt Pyramiden-Organisation, »zwei Sachverständige, vier Meinungen«, Zeltorganisation (temporär eingerichtete und insofern flexible Organisationsformen in Gestalt von Projektteams oder Ausschüssen), Cloud und komplexitätsreduzierendes Schwarz-Weiß-Denken.
Seit mehreren Jahrzehnten (Simon 1962) bildet das Management von Komplexität einen