Die Lichtstein-Saga 3: Fineas. Nadine Erdmann
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Dicke Tropfen prasselten gegen die Buntglasfenster des Versammlungssaals im Kloster zu Burgedal. Schon den ganzen Tag über waren graue Wolkenfelder von den Bergen ins Tal herabgezogen und jetzt, am frühen Abend, hatte wie bestellt der Regen eingesetzt. Liv seufzte beim Gedanken daran, gleich da raus zu müssen.
Doch der Regen war gut.
Er war ein wichtiger Teil ihres Plans.
Sie blickte sich um. Der Versammlungssaal des Klosters war riesig und erinnerte ein bisschen an ein Kirchenschiff. Drei der Wände waren mit hohen Buntglasfenstern durchzogen und ließen trotz des grauen Wetters genügend Licht herein, dass keine Öllampen gebraucht wurden. An der vierten Wand befand sich der größte offene Kamin, den Liv je gesehen hatte. In der Feuerstelle konnten sicher locker vier stämmige Männer bequem nebeneinanderstehen. Jetzt, im Sommer, war der Kamin leer und sauber gefegt, aber sie schätzte, dass er im Winter dringend gebraucht wurde, um den großen Saal beheizen zu können. Im Moment war es hier allerdings eher zu warm. Die letzten drei Tage waren ziemlich heiß gewesen. Die dicken Klostermauern hielten zwar die größte Sommerhitze draußen, dafür heizten gerade aber die gut hundert Leute, die sich hier im Saal eingefunden hatten, den Raum ordentlich auf. Liv erblickte Zoe, die mit Una und Armand als eine der Letzten den Saal betrat, und winkte ihr zu. Zoe grinste und winkte zurück.
Ignatius gab Armand ein Zeichen, der nickte und schloss die breite Doppelflügeltür, die hinaus in die Eingangshalle des Klosters führte.
»Ruhe, bitte!« Der alte Klostervorsteher klopfte mit einem kleinen Holzhammer auf die Tischplatte vor sich, um sich Gehör zu verschaffen. Sofort verstummten die Gespräche und alle wandten sich ihm zu. »Hiermit eröffne ich die heutige Versammlung der Garde des Lichts.«
In der Mitte des Saals stand ein mächtiger runder Tisch, an dem zwanzig der Anwesenden Platz gefunden hatten. Der Rest der Garde hatte sich hinter den Stühlen verteilt oder lehnte an den Wänden. Von Ignatius wusste Liv, dass es einen Rat innerhalb der Garde gab, dessen Vorsitz momentan Ragnar und Amina innehatten, und der sich aus verschiedenen Kommandeuren zusammensetzte. Diese Kommandeure organisierten die einzelnen Bereiche, um die die Garde sich kümmerte: Patrouillenrouten und Aufklärungstouren der Ritter in und um Burgedal, die Rekrutierung von Novizen, Beschaffung von Ausrüstung, Einteilung von Trainingseinheiten sowie die Entwicklung strategischer Schlachtpläne, die Konstantins Vorhaben, ein Portal zur Schattenwelt zu erschaffen, vereiteln sollten.
Sowohl das Ambiente als auch das Prozedere ließen Liv an die Sage von König Artus und die Ritter der Tafelrunde denken. Sie mochte Burgedal und hatte die kleine Stadt, ihre Bürger und das Kloster längst in ihr Herz geschlossen. Trotzdem hatten die wenigen Wochen, die sie jetzt hier lebte, bei Weitem noch nicht ausgereicht, um sich hier wirklich verwurzelt zu fühlen. Dafür kam sie sich einfach noch viel zu oft wie in den Kulissen eines mittelalterlich angehauchten Fantasyfilms vor. Es war schräg – allerdings hatte sie festgestellt, dass sie schräg ziemlich mochte. Vielleicht war das auch der Grund, warum sie sich hier irgendwie doch schon zu Hause fühlte, obwohl vieles noch neu und ungewohnt war.
Ignatius ließ seinen Blick über die Anwesenden wandern. »Zuerst einmal möchte ich euch – auch wenn ihr es schon wisst – noch einmal offiziell verkünden, dass unsere Cays in den Weißen Bergen auf zweierlei Weise erfolgreich waren. Zum einen haben sie den Stein des Windes von den Sylphen erhalten und er liegt nun sicher in Cayas Kapelle. Damit befindet sich jetzt bereits der zweite Lichtstein hier bei uns im Kloster.«
Ein anerkennendes Murmeln ging durch den Raum. Die Ritter, die am Tisch saßen, klopften auf die Tischplatte, andere klatschten, und alle Blicke wanderten zu Kaelan, Ari, Liv und Noah, die bei Ignatius standen.
»Außerdem konnten unsere Cays die Sylphen als Verbündete im Kampf gegen Konstantin gewinnen. Sie an unserer Seite zu wissen, sind äußerst gute Nachrichten, und was sie bereits herausgefunden haben, hilft uns enorm bei der Planung unseres weiteren Vorgehens.«
Auch diese Nachricht bekundeten die Ritter der Garde mit Beifall.
Ari ächzte innerlich und hätte sich am liebsten in Luft aufgelöst. Wie immer, wenn viele Menschen um ihn herum waren, spürte er ein beklemmendes Gefühl in seiner Brust. Wenn ihn dann auch noch alle anstarrten, fühlte er sich doppelt unwohl, und hätte eine Menge dafür gegeben, einfach verschwinden zu können. Doch er war kein Kind mehr und unterdrückte den Drang. Es gelang ihm sogar ein kleines Lächeln. Immerhin waren all die Blicke ja nicht böse gemeint. Im Gegenteil. In ihnen lag Anerkennung und Wohlwollen. Weder er noch Kaelan, Liv oder Noah gehörten offiziell der Garde des Lichts an, aber sie waren die vier Cays, die Auserwählten des Engels des Lichts. Sie mussten sich auf die Reisen zu den vier Lichtsteinen begeben, mit denen Caya, das Engelslicht, in der Kapelle des Klosters neu bestärkt werden musste. Nur so konnten die Grenzen zum Reich der Finsternis aufrechterhalten werden. Diese Reisen waren alles andere als ungefährlich. Nicht nur wegen der Gefahren, die auf den Wegen lauerten, sondern auch, weil Konstantin verhindern wollte, dass die Lichtsteine ins Kloster kamen. Für ihren Einsatz als Cays zollten die Ritter der Garde ihnen hier gerade Respekt. Das war etwas, das es wertzuschätzen galt. Genauso wie die Tatsache, dass alle der hier anwesenden Ritter ihr Leben dafür geben würden, ihn, Kaelan, Liv und Noah zu beschützen, damit sie ihre Aufgabe erledigen konnten. Egal, wie unwohl er sich in Menschmassen also fühlte, er hatte ihnen Respekt zu zollen, weil all die Frauen und Männer hier nichts anderes verdient hatten. Trotzdem war Ari froh, als jetzt Amina neben Ignatius aufstand und damit die Aufmerksamkeit auf sich lenkte.
»Leider dürfen wir uns auf unseren bisherigen Erfolgen aber nicht ausruhen.« Die Ratsvorsitzende war um die Fünfzig und ihrem Aussehen nach hätte Ari sie in der Alten Welt für eine Inderin oder Pakistani gehalten. Sie war eine brillante Bogenschützin und leitete das entsprechende Training der Ritter in der Garde. Jetzt griff sie nach einigen Briefen, die vor ihr auf dem Tisch lagen. »Unsere Quellen in Dakenhall sowie die Spione der Sylphen haben uns wertvolle Informationen übermittelt und unsere Befürchtungen leider bestätigt. Konstantins Arbeiten an seinem neuen Portal zum Reich der Finsternis schreiten weiter voran – und zwar deutlich schneller, als wir ohnehin schon befürchtet haben. Uns bleiben nur noch wenige Wochen bis zu seiner Fertigstellung.«
Viele der Ritter tauschten ernste Blicke.
»Ihr versteht, was das bedeutet«, fuhr Amina fort. »Der Wettlauf gegen die Zeit wird noch enger. Zwar hält das Engelslicht die Grenzen zum Schattenreich derzeit noch aufrecht, aber ich fürchte, es ist bereits zu schwach, um ein mutwillig geöffnetes Portal zur Dämonenwelt wieder zu verschließen. Das beweisen die Schattenmare, die Konstantin bereits aus der Finsternis hierher nach Interria holen konnte. Sollte er es also schaffen, das Portal fertigzustellen und zu öffnen, bevor wir Caya erneuert haben, wären die Folgen katastrophal. Die Dämonen würden hier einfallen und vermutlich hätten wir ihnen nicht viel entgegenzusetzen.«
Viele der Anwesenden verzogen grimmig die Gesichter, als sie den Ernst der Lage nochmals so drastisch vor Augen geführt bekamen.
»Kann man denn ungefähr einschätzen, wie viel Zeit wir noch haben?«, fragte ein stämmiger blonder Ritter.
Amina atmete tief durch. »Laut der Beobachtungen unserer zuverlässigsten Quelle bleiben uns noch fünf, wenn wir Glück haben vielleicht sechs Wochen.«
Schlagartig wurde es totenstill im Saal und Liv sah, wie sich Schock und Entsetzen auf den Gesichtern der Ritter widerspiegelten, als sie die Mittelung verdauten. Liv fühlte mit ihnen. Ihr war es ganz ähnlich ergangen, als Ignatius ihnen am Abend zuvor beim Essen die Nachrichten aus Dakenhall überbracht hatte. Nach dem ersten Schock brach allerdings rasch wieder Gemurmel im Saal aus, als die Ritter begannen, die besorgniserregenden Neuigkeiten miteinander zu diskutieren.