Heißes Blut. Un-su Kim
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Auch Yongkang hatte sich wohl überlegt, dass eine Wäscherei – in den Augen der Polizei ein wenig verdächtiger Geschäftszweig – ein guter Deckmantel war. Da der Laden zudem eine kleine Gruppe von ausländischen Arbeitern beschäftigte, konnte man die Südostasiaten problemlos daruntermischen und so deren Visaprobleme lösen. Und schließlich konnte Yongkang die Lieferung von Feuchtservietten und Tischdecken an Karaoke-Bars und Nachtlokale nutzen, um sie gleichzeitig mit Drogen zu versorgen, was sein Hauptbetätigungsfeld war. Das alles funktionierte jedoch nur mit Zustimmung von Vater Son, der in Guam die Fäden zog. Blühende Geschäfte garantierte die Übernahme der Wäscherei deshalb nicht unbedingt. Vater Son konnte einfach allen Läden von Guam befehlen, den Anbieter zu wechseln. Er konnte sogar beschließen, Waschmaschinen zu kaufen, und eine neue Wäscherei aufmachen. Insofern war es für Huisu nicht nachvollziehbar, warum Yongkang ausgerechnet die Wäscherei ins Visier genommen hatte und nicht irgendein Nachtlokal. Denn um die Wäscherei ohne Vater Sons Zustimmung erfolgreich weiterzuführen, musste er im Vorfeld alle Geschäftspartner mit Drohungen unter Druck setzen, damit sie weiter mit ihm zusammenarbeiteten, was endlose Kämpfe zwischen seinen Männern und den Gangstern von Guam zur Folge haben musste. Und Kämpfe bedeuteten Polizei. Und Polizei bedeutete Gefängnis. Eine Geschichte also, bei der es auf beiden Seiten nur Verlierer gab. Oder wollte Yongkang Vater Son offen den Krieg erklären? Aber warum? Wegen ein paar Servietten? Nein, das alles hatte weder Hand noch Fuß.
Huisu drehte sich um und ging wieder auf das Gelände der Fischzucht. Chef Og, der neben einem Trog kauerte, führte blutüberströmt seine Selbstgespräche fort. Betrübt betrachtete Huisu sein demoliertes Gesicht und drehte sich zu Dodari um. Gern hätte er auch dessen Visage einen Fausthieb verpasst, doch so einfach war das nicht: Dieser Idiot war Vater Sons Neffe, sein einziger und letzter Verwandter, denn er hatte keine Kinder. Also begnügte Huisu sich damit, Dodari außer Sichtweite von Chef Og zu zerren. Gangcheol, Dodaris rechte Hand, schlurfte hinter ihnen her. Sein Name bedeutete »der Stählerne«, was dem Mann viel Spott einbrachte, denn er war so schmal und dürr wie ein Hirsezweig.
»Ich hatte dir doch aufgetragen, ihn im Auge zu behalten, damit es keine Komplikationen gibt«, sagte Huisu ruhig.
»Ihr habt im Moment doch so viel zu tun, Großer Bruder Huisu, da wollte ich euch ein bisschen helfen.« Dodari lächelte ihn arglos an.
»Verflucht, das nennst du helfen? Was hat Chef Og denn jetzt deiner Meinung nach noch zu verlieren? Der Typ ist völlig am Ende. Wenn er in diesem Zustand aus der Sache rauskommt, dich verklagt und sich hinter dem Staatsanwalt versteckt, hockst du wegen Körperverletzung und Freiheitsberaubung für mindestens drei Jahre im Knast. Und danach hat uns die Justiz auf dem Kieker und guckt sich alles, was wir machen, mit der Lupe an. Wir leben in gefährlichen Zeiten, Dodari. Wir müssen sehr vorsichtig sein.«
Huisu hätte ihm noch einiges sagen wollen, verkniff sich das aber. Es hatte keinen Sinn, er würde es ohnehin nicht verstehen.
»Dann soll er also nach dem Gespräch nicht unter die Erde gebracht werden, oder was? Also, ich hab gedacht, er soll. Deshalb hab ich mich ein bisschen locker gemacht.« Dodari zuckte flapsig mit den Schultern.
Huisu sah ihn eisig an. »Sind wir ein Trupp marodierender Straßenräuber, oder was? Wo hast du nur deinen Verstand? Vor gerade mal zehn Jahren haben wir noch ›Großer Bruder Og‹ zu ihm gesagt und ihn respektiert. Und jetzt, wo er alt und wehrlos ist, polierst du ihm die Fresse?«
»Okay, tut mir leid, sei nicht sauer.«
Durch Huisus frostigen Ton abgeschreckt, gab sich Dodari unterwürfig und fing an, ihm devot die Schultern zu massieren. Dann holte er eine Zigarette heraus und gab sie Huisu, der sie widerwillig annahm. Sich selbst steckte Dodari auch eine ins Gesicht. Gangcheol klappte beflissen sein Zippo auf, zündete aber zuerst Dodari die Zigarette an, was Huisu mit einem kurzen, ungläubigen Lachen quittierte.
»Wer von euch beiden hat zugeschlagen«, fragte er Dodari.
»Hallo, so einfach ist das nicht, jemanden zu schlagen. Deshalb haben wir’s zusammen gemacht. Wir haben ihn halt jeder ein bisschen durchgewalkt.«
Dodari wandte sich zu Gangcheol und fügte feixend hinzu: »Ich hab ihn öfter geschlagen, aber du härter.«
Gangcheol nickte strahlend.
Huisu funkelte ihn böse an. »Ach, und das freut dich, was? Da musst du lachen, wie? Verdammt!«
Schlagartig verfinsterte sich Gangcheols Miene.
»Du willst es wohl einfach nicht kapieren, oder?«
Huisu machte einen großen Schritt auf ihn zu und verpasste ihm mit der Faust direkt einen auf die Nase. Gangcheols langer Oberkörper schwankte wie ein Schilfrohr im Wind. Seine Nase, jetzt rot wie eine dicke Erdbeere, begann zu bluten.
Dodari hielt Huisu am Arm zurück. »Großer Bruder Huisu, bitte beruhig dich. Weißt du, unser guter Gangcheol hat nicht gelacht, das sah nur so aus. Als er klein war, hatte er mal Typhus, seitdem ist sein Gesicht einfach so. Der sieht immer so aus, ein bisschen doof halt.«
Gern hätte Huisu diesen Typen genauso übel zugerichtet wie Chef Og, aber Dodari hielt ihn weiter am Arm zurück. Erst als Huisu einlenkend nickte, ließ Dodari ihn los.
»Chef Og soll sich waschen, und dann schickst du ihn mir ins Büro. Und du auch, mach das Blut weg. Schlamperei, so viel Blut in einem sauberen Betrieb, der frische Fische züchtet!«, sagte Huisu zu Gangcheol.
»Jawohl«, antwortete der und wischte sich mit dem Handrücken das Blut ab, das ihm aus der Nase lief.
Der Container, in dem sich das Büro befand, war leer. Huisu setzte sich aufs Sofa und stand sofort wieder auf. Was für ein Gestank. Wahrscheinlich hatten die Arbeiter in ihren Overalls darauf gesessen, das Sofa roch übelst nach Fisch. Klebten nicht sogar schon Schuppen an seiner Hose? Draußen am Wasserhahn hatte Chef Og begonnen, sich in Zeitlupe zu waschen. Etwas dümmlich stand Gangcheol daneben.
Zwanzig Jahre zuvor war Chef Og einer der wichtigsten Partner von Vater Son gewesen. Als ausgebildeter Ingenieur, also eher Geschäftsmann als Gangster, hatte er eine Baustofffirma gegründet, einen kleinen, soliden Betrieb. Hätte er nicht in der Unterwelt verkehrt, wäre er wohl immer noch Chef dieses inzwischen gigantischen Unternehmens. Doch aus reiner Bequemlichkeit hatte er sich damals mit den Gangstern zusammengetan. Mit Drohungen schaltete er die Konkurrenz aus, zog dadurch sämtliche Ausschreibungen an Land und erlangte das Monopol über die Baustellen von Guam und Umgebung. Ob dabei Wasser in den Reis oder Reis ins Wasser gerührt wurde, war ihm egal, denn alles lief ja bestens. Doch in allem Süßen steckt auch Gift, und genauso wenig, wie man ein Ferkel mästet, weil es so niedlich ist, hatten die Gangster Chef Og natürlich nicht ohne Hintergedanken so gut versorgt. Je besser seine Geschäfte liefen, desto mehr begannen ihn die Parasiten auszusaugen. Chef Og war viel zu naiv, um die Blutsauger kommen zu sehen und zu vertreiben. So kam es, dass er sich in Drogen und im Glücksspiel verlor, und der Sturz ins Bodenlose nahm seinen Lauf.
Als Gangcheol endlich mit Chef Og im Büro eintraf, befahl ihm Huisu, sofort Leine zu ziehen. Chef Og bot er eine Zigarette an, die dieser mit Daumen und Zeigefinger entgegennahm, den einzigen Fingern, die er an der Rechten noch hatte. Huisu zündete ihm die Zigarette an. Einen Finger hatte sich