Macht. Anselm Grün

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Macht - Anselm Grün

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Benediktinermönch und evangelische Theologe Fulbert Steffensky die Macht als eine wesentliche Eigenschaft des Menschen bezeichnet. Sie ist zunächst etwas Gutes. Steffensky schreibt: »Wer das Leben liebt, wer das Recht will, muss Macht wollen. Er muss es wünschen, mit dem Leben umzugehen. Man kann sich im eigenen Leben nicht auskennen und man kann dem fremden Leben nicht dienen, wenn man in der Ohnmacht verharrt. Es gibt eine Lebensfaulheit, die sich vor dem Handeln drückt und sich damit selbst die Lebenszuversicht untergräbt« (Steffensky, 254).

      Er ist kritisch gegenüber dem »Lob einer vornehmen Ohnmacht, in der man nie schmutzig und schuldig wird, weil man sich von allen Handlungen dispensiert und der Welt ihren Lauf lässt« (Steffensky, 254). Er sieht dieses »Lob der Ohnmacht« vor allem in christlichen Kreisen lebendig, in denen man sich mit der Macht die Hände nicht schmutzig machen möchte, aber dadurch auch wirkungslos wird in der Welt. Doch der Mensch hat den Auftrag, in diese Welt hinein zu wirken, »die Wahrheit Gottes in dieser Welt voranzutreiben« (Steffensky, 254).

      Natürlich weiß Steffensky auch um die Versuchung und um die Verfälschung der Macht und sieht sie vor allem darin, »sich des Lebens zu bemächtigen – der Menschen, der Tiere, der Bäume, der Erde – und ihnen nur noch als große Jagdherren gegenüberzutreten« (Steffensky, 255). Die Gefahr besteht darin, über alles herrschen zu wollen. Alles wird nur verzweckt, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Doch gegenüber all dieser Verfälschung der Macht kann Steffensky schreiben: »Wer liebt, handelt. Wer liebt, will Macht« (Steffensky, 254). Wenn wir etwas Gutes bewirken wollen in dieser Welt, wenn wir die Welt mit Liebe durchdringen wollen, dann brauchen wir dazu die Macht.

      Der deutsche Soziologe und Nationalökonom Max Weber setzt bei der Soziologie an und kommt daher in der Theologischen Realenzyklopädie (TRE) zu einer ganz anderen Definition von Macht. Für ihn bedeutet Macht »jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht« (TRE 650). Auf Macht kann in der Gesellschaft nicht verzichtet werden und gehört für Weber daher »zu den elementaren Kategorien einer jeden Politik« (TRE 650). Sie braucht jedoch auch Begrenzung. Diese Begrenzung wird durch Recht und Moral bestimmt.

      Der evangelische Theologe Paul Tillich hat sich in seinen Schriften öfter mit dem Thema Macht beschäftigt. Für ihn gehören zur Macht notwendigerweise die Liebe, die Gerechtigkeit und die Menschenwürde. Er sieht in der Macht den Drang, »Getrenntes wieder mit sich zu vereinigen«. Das ist aber »nichts anderes als Liebe« (TRE 656).

      Die Liebe ist für Tillich nicht die Verneinung der Macht, »sondern deren Fundament«, Gerechtigkeit »die Form, in der sich die Macht des Seins verwirklicht«. So sieht Tillich »in der Einheit von Gerechtigkeit, Macht und Liebe das Grundgesetz sowohl in den zwischenmenschlichen als auch in den sozialen Gruppenbeziehungen« (TRE 656). Die drei Kriterien, die Tillich für die Ausübung der Macht aufstellt, sind für jeden, der Macht innehat, eine Einladung zur Gewissenserforschung: Ist in meiner Macht immer auch die Liebe dabei? Übe ich meine Macht gerecht aus, sodass ich den Menschen gerecht werde? Respektiere ich bei meiner Machtausübung die Würde des Menschen?

      Karl Rahner meint, in einer Welt ohne Sünde, also im Paradies, brauche es keine Macht. Macht sei immer schon Zeichen einer Welt, die von der Sünde geprägt ist. Aber in dieser sündigen Welt, in der wir uns vorfinden, sei die Macht durchaus eine Gabe Gottes und die Geschichte unseres Heils immer schon von der Macht geprägt. Denn wir lebten unseren Glauben in einer Welt, die durch die Macht anderer Menschen geprägt ist. Wir können seiner Ansicht nach also unsere Freiheit nicht absolut leben, sondern immer nur in einer Welt, die von der Macht Mächtiger gestaltet und eingeengt ist.

      Rahner meint, nur wenn wir die Macht als etwas Vorläufiges betrachten, werden wir sie richtig gebrauchen. Er spricht von der Gefahr, die Macht »als die Waffe seiner eigenen Selbstbehauptung« zu missbrauchen (Rahner, 504). Sie ist immer schon von der Sünde gefährdet, daher kann sie zur »Absolutsetzung des Endlichen und Selbstgewollten, die Macht um der Macht willen« (Rahner, 505) werden. Die Macht macht »blind, weil man trunken von ihr nicht mehr sehen kann, wie die Wirklichkeit wirklich ist« (Rahner, 506).

      Daher muss die Macht durch den Glauben und die Liebe erlöst werden. Rahner spricht vom »weisen Liebenden«: Er flieht nicht »die Macht, wenn sie sich ihm in die Hand gibt, er mag sogar nach ihr greifen, wenn er sie missbraucht sieht von anderen und wenn er in sich wahrhaft schöpferische Kraft sich regen spürt« (Rahner, 506). Der weise Liebende weiß immer auch um die freie Würde der Menschen, denen er letztlich mit seiner Macht dient, sowie um die Ohnmacht der Macht. Sie vermag nie alles zu gestalten und ist für Rahner immer auch von der Ohnmacht des Kreuzes geprägt. Solche Macht, die um die Endlichkeit des sterblichen Menschen weiß, ist »nicht zögernd, halb oder feig. Im Gegenteil: sie ist auch frei gegenüber dem Tod, und sie kann darum alles wagen, was sie vor Gott verantworten kann« (Rahner, 508).

      Die österreichische Psychologin und Management-Trainerin Christine Bauer-Jelinek hat die verschiedenen Formen, Schauplätze und Instrumente der Macht beschrieben. Sie macht zunächst acht Quellen der Macht ausfindig:

      1.

      Die Macht der Materie, die sich in der Muskelkraft, aber auch im Besitz von Geld und Immobilien zeigt.

      2.

      Die Macht der Herkunft. Hier geht es um den Einfluss der Familie. Diese Macht ist heute nicht mehr so stark wie früher anzusehen.

      3.

      Die Macht der Mehrheit. Sie wird in den Parteien, in Bürgerinitiativen und Gemeinschaften ausgeübt. Heute zeigt sich diese Macht der Mehrheit in den Meinungsumfragen. Oft hat es den Anschein, dass sie durch die Art des Fragens manipuliert wird.

      4.

      Die Macht des Wissens. In unserer Informationsgesellschaft hat diese Form der Macht immer stärkere Wirkung. Zugleich ist sie jedoch auch gefährdet. Gerade indem wir bewusst Lügen über diverse Informationskanäle verbreiten, üben wir Macht über Menschen aus. Jene, über die Lügen verbreitet werden, können sich kaum dagegen wehren. Worte, die einmal geäußert und veröffentlicht worden sind, üben große, häufig eine destruktive Macht aus.

      5.

      Ein besonders wichtiger Punkt scheint mir die Macht der Gefühle zu sein, die Bauer-Jelinek als fünfte Quelle beschreibt. Dies ist ein wichtiges Thema, das oft vernachlässigt wird. Wir üben Macht aus, indem wir den anderen an »seiner Gier, seiner Angst, seiner Eitelkeit oder seinem Stolz packen« (Bauer-Jelinek, 76).

      Sowohl positive Gefühle wie Liebe und Freude als auch negative wie Zorn oder Eifersucht haben in sich eine Macht, der sich andere oft nur schwer entziehen können. Bauer-Jelinek beschreibt diese Machtausübung gerade auch im familiären Bereich: »Im Privatleben wird die Macht der Gefühle beispielsweise durch Liebesentzug, Beleidigtsein, Wutausbrüche oder Weinkrämpfe eingesetzt ... Jammern, klagen, Vorwürfe machen, hilflos sein, sich als schwach darstellen sind gängige Methoden der Machtausübung, ebenso wie Verführung oder das Ausnützen von Sehnsüchten und sexuellen Abhängigkeiten« (Bauer-Jelinek, 76). Die Macht der Gefühle wirkt oft im Verborgenen. Daher übersehen wir sie häufig. Sie ist jedoch umso stärker, je verborgener sie ausgeübt wird.

      6.

      Als sechste Quelle der Macht führt Bauer-Jelinek die Macht der Funktion an. In seinem Amt oder in seiner Rolle, die er im Beruf einnimmt, übt jeder Macht aus. Je weniger äußere Macht jemand hat, desto rigoroser übt er sie häufig über jene aus, die auf ihn angewiesen sind. Ein Beispiel dafür sind gerade in Deutschland einige Ämter, wo man, um sein Ziel zu erreichen, vor geschlossenen Zimmertüren warten muss.

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