Die tanzenden Männchen. Arthur Conan Doyle
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Читать онлайн книгу Die tanzenden Männchen - Arthur Conan Doyle страница 5
»Das Hausmädchen Saunders.«
»Hat sie Lärm geschlagen?«
»Sie und die Köchin, Fräulein King.«
»Wo sind die Mädchen jetzt?«
»Ich glaube, in der Küche.«
»Dann wollen wir sie sofort verhören.«
Die alte Vorhalle mit Eichenholztäfelung und den hohen Fenstern wurde in einen Gerichtssaal verwandelt. Holmes nahm auf einem großen altmodischen Lehnstuhl Platz. Er war ernst und niedergeschlagen, aber in seinem Blick lag Trotz und Unerbittlichkeit. Ich konnte in seinen Augen den festen Vorsatz lesen, daß er seinen Klienten, den er leider nicht gerettet hatte, wenigstens unter allen Umständen rächen wollte. Der Inspektor, der alte grauhaarige Landdoktor, ein Ortspolizist und ich bildeten die Beisitzer dieses eigenartigen Gerichtshofes.
Die beiden Mädchen gaben eine ziemlich klare Darstellung des Vorfalls. Sie waren bei einem lauten Knall aus dem Schlaf aufgewacht; kurz darauf hatten sie einen zweiten gehört. Sie schliefen in zwei aneinander stoßenden Kammern. Fräulein King war zur Saunders gestürzt, und sie waren zusammen die Treppe hinuntergelaufen. Die Tür des Arbeitszimmers stand offen, und auf dem Tisch brannte eine Kerze. Ihr Herr lag mitten im Zimmer auf dem Fußboden, das Gesicht nach unten gekehrt. Er war vollständig tot. In der Nähe des Fensters lag seine Frau, mit dem Kopf an die Wand gelehnt. Sie hatte eine furchtbare Verwundung, und die eine Seite war ganz von Blut überströmt. Sie gab noch Lebenszeichen von sich, konnte aber nicht sprechen. Gang und Zimmer waren voll von Pulverdampf. Das Fenster war zu und von innen geschlossen. In diesem Punkt stimmten die Aussagen beider Mädchen vollständig überein. Sie hatten sofort zum Arzt und zur Polizei geschickt. Dann hatten sie mit Hilfe des Dieners und des Stallburschen ihre verwundete Herrin in ihr Zimmer gebracht. Beide Ehegatten hatten vorher das Bett benutzt. Die Frau war angekleidet, der Mann hatte über den Unterkleidern seinen Schlafrock an. Im Arbeitszimmer war nichts angerührt, es stand noch jedes Ding an seinem Platz. Soweit die Mädchen wußten, hatten die Eheleute im besten Einvernehmen gelebt und allgemein als ein sehr glückliches Paar gegolten.
Das waren die hauptsächlichsten Angaben. Auf eine Frage des Inspektors Martin konnten sie bestimmt behaupten, daß alle Haustüren von innen geschlossen gewesen waren, und niemand aus dem Haus entwischt sein konnte. Holmes antworteten sie, daß ihnen, sobald sie aus ihren Zimmern auf den Flur gestürzt seien, augenblicklich ein starker Pulvergeruch aufgefallen sei. »Auf diesen Punkt mache ich Sie ganz besonders aufmerksam,« sagte Holmes zu seinem Berufsgenossen Martin. »Und nun können wir uns, glaube ich, an die Untersuchung des Zimmers begeben.«
Das Arbeitszimmer des Herrn Cubitt war nicht allzu groß; an drei Wänden standen Bücherregale, an einem gewöhnlichen Fenster stand ein Schreibtisch. Von hier aus konnte man den Hof und den Garten überschauen. Unsere erste Aufmerksamkeit galt der Leiche des unglücklichen Besitzers, dessen kolossaler Körper ausgestreckt am Boden lag. Daraus, daß seine Kleidung nicht ganz geordnet war, konnte man entnehmen, daß er Eile gehabt hatte. Die Kugel war von vorne gekommen, und, nachdem sie das Herz durchbohrt hatte, im Körper stecken geblieben. Der Tod mußte augenblicklich und schmerzlos eingetreten sein. Weder sein Schlafrock, noch seine Hände zeigten irgendwelche Pulverspuren. Nach Aussage des Arztes waren dagegen im Gesicht der Frau solche Flecken wahrnehmbar, aber an ihren Händen auch nicht.
»Das Fehlen dieser Flecken beweist nichts, wenn auch ihr Vorhandensein sehr vielsagend ist,« bemerkte Holmes. »Wenn man nicht gerade schlechte Patronen hat, bei denen der Boden reißt und das Pulver rückwärts fliegt, kann man eine Menge Schüsse abfeuern, ohne Pulverspuren an die Hand zu bekommen. Ich glaube, wir können Herrn Cubitts Leiche nun wegtragen lassen. Die Kugel, welche die Frau getroffen hat, haben Sie wohl nicht gefunden. Herr Doktor?«
»Dazu ist eine schwierige Operation nötig. Aber im Revolver stecken noch vier Kugeln. Zwei Schüsse sind abgegeben, und zwei Verwundungen sind zu konstatieren; es muß also jede Kugel getroffen haben.«
»So könnte es scheinen,« sagte Holmes. »Aber welche Kugel hat denn den Fensterrahmen durchschlagen?«
Er drehte sich rasch um und zeigte mit seinem langen dünnen Finger auf ein Loch im unteren Fensterrahmen, ungefähr einen Zoll über dem Fensterbrett.
»Weiß Gott!« rief der Inspektor. »Wie haben Sie das nur sehen können?«
»Weil ich danach gesucht habe.«
»Wunderbar!« sagte der Arzt. »Sie haben sicher recht. Dann muß ein dritter Schuß gefallen und auch eine dritte Person zugegen gewesen sein. Aber wer mag dies gewesen und wie mag sie hinausgekommen sein?«
»Diese Frage müssen wir nun zu beantworten suchen,« sagte Holmes. »Sie erinnern sich noch, Herr Martin, daß ich Ihnen den Umstand, daß die beiden Mädchen beim Verlassen ihrer Kammern sofort Pulvergeruch wahrgenommen haben, als außerordentlich wichtig bezeichnete?«
»Jawohl; aber ich muß offen gestehen, daß ich Ihnen nicht ganz zu folgen vermochte.«
»Im Augenblick, als die Schüsse fielen, hat wahrscheinlich sowohl die Tür wie das Fenster offengestanden. Wenn es nicht gezogen hätte, würde sich der Pulvergeruch nicht so schnell durch das ganze Haus verbreitet haben. Aber Tür und Fenster sind bald wieder zugemacht worden.«
»Woraus schließen Sie das?«
»Daraus, daß das Licht nicht ausgeblasen worden ist.«
»Großartig!« rief der Inspektor, »großartig!«
»Ich hatte die feste Ueberzeugung, daß das Fenster, während das Unheil passiert ist, offen war. Daraus schloß ich weiter, daß eine dritte Person ihre Hand im Spiel gehabt habe. Diese mußte draußen gestanden und geschossen haben. Ein Schuß hinwieder auf diese Person konnte leicht den Fensterrahmen getroffen haben. Ich sah nach und fand denn auch das Loch.«
»Aber wer soll das Fenster zugemacht und von innen verriegelt haben?«
»Das hat sicher gleich die Frau getan. Aber, hallo! was seh' ich hier?«
Auf dem Schreibtisch lag das Handtäschchen einer Dame, ein niedliches kleines Täschchen aus Krokodilleder und mit Silber beschlagen. Holmes öffnete es und stülpte es um. Was kam zum Vorschein? – Ein Bündel von zwanzig Fünfzigpfundscheinen der Bank von England, die mit einem roten Bändchen zusammengebunden waren – weiter nichts.
»Das muß aufgehoben werden, denn es wird in der Verhandlung eine Rolle spielen,« sagte Holmes und händigte das Täschchen nebst Inhalt dem Polizeiinspektor ein. »Wir müssen uns zunächst nun mit dieser dritten Kugel etwas eingehender beschäftigen. Wie sich an den Splittern im Holz erkennen läßt, ist sie vom Zimmer aus gekommen. Ich möchte die Köchin gerne noch etwas fragen. – Sie sagten vorhin, Fräulein King, daß Sie durch einen lauten Knall geweckt worden seien. Wollten Sie mit diesem Beiwort sagen, daß Ihnen der erste Schuß lauter vorgekommen ist als der zweite?«
»Nun, ich erwachte gerade aus dem Schlaf, und kann daher nicht allzu genau urteilen, mein Herr; er erschien mir allerdings sehr laut.«
»Glauben Sie nicht, daß vielleicht im selben Moment zwei Schüsse gefallen sind?«
»Das kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, Herr.«
»Ich glaube das ganz sicher. Im übrigen, Herr Martin, bin ich der Meinung,