Ruf der Wildnis. Jack London
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Dann und wann kamen auch Männer, Fremde, die erregt und in allen möglichen Sprachen auf den Mann im roten Sweater einredeten. Und jedesmal wenn Geld in seine Hand gedrückt wurde, nahmen die Fremden einen oder mehrere Hunde mit. Keiner von ihnen kehrte wieder zurück, und Buck hätte nur zu gerne wissen wollen, wohin man sie führte. Dennoch freute er sich jedesmal, wenn nicht er an die Reihe kam, denn er hatte Furcht vor einer Zukunft, die nichts Gutes verhieß.
Aber auch seine Zeit kam, und zwar in der Gestalt eines kleinen, dürren Mannes, dessen Englisch kaum verständlich war und der mit Ausdrücken herumwarf, die Buck gänzlich unbekannt waren.
»Gott verdamm mich!« schrie er, als er Buck zu Gesicht bekam, »das ist eine feine Riesenhund. Wieviel kostet er?«
»Dreihundert, und geschenkt ist er!« war die prompte Antwort des Roten. »Seid nicht schäbig, Perrault! Es geht nicht aus Eurer Tasche und ist obendrein ein lohnendes Geschäft.«
Perrault grinste. Die Hundepreise waren durch die ungewöhnliche Nachfrage in die Höhe geschnellt, und dreihundert waren keine übermäßige Summe für ein so schönes Tier. Bei diesem Handel war die kanadische Regierung kein Verlierer und ihre Kuriere würden um so schneller vorwärtskommen. Perrault verstand etwas von Hunden, und als er Buck anschaute, wußte er, daß er der Beste unter Tausenden war. »Einer unter Zehntausenden«, wiederholte er bei sich.
Wieder erhielt der Rote Geld in die Hand gedrückt, und Buck war gar nicht erstaunt, als Curly, eine gutmütige Neufundländerin, und er von dem kleinen, mageren Mann weggeführt wurden. Er sollte den Mann mit dem roten Sweater niemals wiedersehen, und als er vom Deck der »Narwhal« auf das entschwindende Seattle blickte, nahm er auch von dem sonnigen Süden für alle Zeiten Abschied.
Perrault schaffte die beiden Hunde ins Zwischendeck und übergab sie dort einem schwarzhaarigen Riesen, der François hieß. Perrault war dunkelhäutig, aber François, ein Halbblut, war noch dunkelhäutiger, beinahe schwarz. Es war eine neue Art von Menschen für Buck, und er sollte noch viele ihrer Art kennenlernen. Er empfand für sie keine besondere Zuneigung, aber er lernte sie schätzen. Er erkannte bald, daß Perrault und François richtige Männer waren, besonnen und gerecht und zu erfahren mit den Schlichen der Hunde, um von ihnen zum besten gehalten zu werden.
Auf dem Zwischendeck der »Narwhal« kamen Buck und Curly noch mit zwei anderen Hunden zusammen. Der eine von ihnen war ein großer, schneeweißer Kerl aus Spitzbergen, der früher dem Kapitän eines Walfängers gehört und schon eine geologische Vermessungsexpedition in die Arktis begleitet hatte. Er war freundlich, aber heimtückisch, und wenn er am liebenswürdigsten war, sann er über irgendeine Lumperei nach. Gleich bei der ersten Mahlzeit stahl er aus Bucks Schüssel einen großen Fleischbrocken. Ehe sich Buck wehren konnte, sauste schon François’ Peitsche durch die Luft und traf den Rücken des Übeltäters, und Buck konnte sich seinen Knochen wieder zurückholen. Das war von François sehr, sehr anständig, fand er, und das Halbblut begann in seiner Achtung zu steigen.
Der andere Hund, der noch da war, duldete keine Annäherung, war aber auch nicht darauf aus, den Neulingen etwas zu stehlen. Er war ein düsterer, mürrischer, in sich gekehrter Bursche, dem es am liebsten war, ungeschoren zu bleiben. Curly, die diesen Wunsch nicht respektierte und versuchte, sich anzubiedern, bekam ihn sofort von der unangenehmsten Seite zu spüren. Er wurde Dave genannt. Er fraß, schlief oder gähnte und kümmerte sich um nichts. Selbst als die »Narwhal« beim Überqueren des Königin-Charlotte-Sunds rollte, stampfte und bockte wie ein wildes Pferd und Buck und Curly halb wahnsinnig vor Angst außer sich gerieten, hob er nur verärgert seinen Kopf, blickte mürrisch um sich, gähnte und schlief weiter.
Tag und Nacht stampfte das Schiff nach dem Takt der Maschine; ein Tag war wie der andere, aber Buck merkte ganz deutlich, daß die Luft rauher und kälter wurde. Eines Tages stand die Schiffsschraube still, und auf der »Narwhal« machte sich ein aufgeregtes Durcheinander bemerkbar. Die Hunde fühlten, daß es mit dem Einerlei des Bordlebens zu Ende war. François koppelte sie an und brachte sie an Deck. Beim ersten Schritt an Land sanken Bucks Füße in ein weiches, weißes Etwas, das fast wie Schlamm war. Schnaubend sprang er zurück. Auch vom Himmel fiel dieses weiße Zeug herab, und je mehr er versuchte, es abzuschütteln, desto mehr fiel auf ihn herunter. Er schnupperte neugierig daran herum und beleckte es vorsichtig mit der Zunge. Zuerst biß es wie Feuer, aber im nächsten Augenblick war es nicht mehr da. Das verwirrte ihn. Die Zuschauer brüllten vor Vergnügen, und Buck begann sich zu schämen. Er verstand nicht, warum sie lachten. Woher sollte er auch wissen, daß es Schnee war?
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