Das Jahr 2000. Edward Bellamy

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Das Jahr 2000 - Edward Bellamy

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habe mich nie besser gefühlt«, erwiderte ich und setzte mich auf.

      »Sie erinnern sich zweifellos Ihres ersten Erwachens«, fuhr er fort, »und Ihres Erstaunens, als ich Ihnen sagte, wie lange Sie geschlafen hätten.«

      »Sie sagten, glaube ich, ich hätte 113 Jahre geschlafen.«

      »Ganz recht.«

      »Sie werden zugestehen«, sagte ich mit einem spöttischen Lächeln, »dass diese Geschichte etwas unwahrscheinlich klingt.«

      »Ungewöhnlich, das gebe ich zu«, antwortete er, »aber unter den richtigen Vorbedingungen nicht unwahrscheinlich, auch nicht im Widerspruch mit dem, was wir von dem Betäubungszustand wissen. Wenn er vollständig ist, wie in Ihrem Falle, wird die Lebenstätigkeit vollständig aufgehoben, und es tritt keine Zerstörung der Gewebe ein. Wenn die äußeren Bedingungen den Körper vor physischer Verletzung schützen, kann man gar nicht sagen, wie lange eine solche Betäubung dauern kann. Die Betäubung, in der Sie gelegen, ist allerdings die längste, von der wir je gehört haben; aber wir haben keinen Grund anzunehmen, dass Sie nicht noch undenkliche Zeiten in einem Zustand gehemmter Lebenstätigkeit hätten bleiben können, wären Sie nicht gefunden worden und wäre der Raum, in dem wir Sie fanden, unberührt geblieben; die allmähliche Abkühlung der Erde würde dann das Zellengewebe zerstört und den Geist befreit haben.«

      War ich wirklich Gegenstand eines Scherzes geworden, so musste ich zugestehen, dass die Urheber desselben ein ausgezeichnetes Werkzeug zur Ausführung gewählt hatten. Dieser Mann hätte mit seiner eindringlichen und sogar beredten Sprache beweisen können, dass der Mond ein Käse sei. Das Lächeln, mit dem ich seine Betäubungshypothese aufnahm, brachte ihn nicht im mindesten in Verlegenheit.

      »Wollen Sie nicht fortfahren«, sagte ich, »und mir die genaueren Umstände erzählen, unter welchen Sie das Zimmer, von dem Sie sprachen, gefunden haben. Ich bin ein Freund von gut erfundenen Geschichten.«

      »In unserem Falle«, war seine ernste Antwort, »könnte keine Erfindung so seltsam sein als die Wahrheit. Ich dachte nämlich schon seit Jahren daran, in dem großen Garten neben diesem Hause ein Laboratorium für chemische Experimente zu bauen. Am letzten Donnerstag wurde die Ausgrabung für den Keller endlich begonnen; am Abend war sie fertig und am Freitag sollten die Maurer kommen. Am Donnerstagabend hatten wir einen schrecklichen Regenguss und am Freitagmorgen fand ich meinen Keller in einen Teich verwandelt und die Wände abgewaschen. Meine Tochter, die mit mir gegangen war, um das Unglück zu besehen, machte mich auf eine Ecke des Mauerwerks aufmerksam, das durch das Einfallen der Wände bloßgelegt war. Ich räumte die Erde fort und da ich fand, dass es ein Teil einer großen Masse zu sein schien, beschloss ich es genauer zu untersuchen. Ich ließ Arbeiter holen und ein längliches Gewölbe, etwa acht Fuß unter der Oberfläche, bloßlegen, das augenscheinlich zu einem alten Hause gehört hatte. Eine Lage Asche und verkohltes Holz über dem Gewölbe bewies, dass das darüberstehende Haus von Feuer zerstört worden war. Das Gewölbe selbst war unversehrt, der Zement war wie eben erst angelegt. Es hatte eine Tür; diese konnten wir aber nicht aufbrechen, so entfernten wir eine der Steinplatten, welche das Dach bildeten, und gingen hinein. Die Luft war flau, aber rein und trocken und nicht kalt. Bei dem Schein meiner Laterne fand ich, dass das Gemach als Schlafzimmer nach der Mode des 19. Jahrhunderts eingerichtet war. Auf dem Bette lag ein junger Mann. Dass er tot war und schon seit einem Jahrhundert tot sein musste, war uns außer allem Zweifel; aber dass der Körper so außerordentlich gut erhalten war, fiel mir und den ärztlichen Kollegen, die ich zugezogen hatte, auf. Wir wollten nicht glauben, dass eine solche Kunst des Einbalsamierens, wie wir sie hier vor uns sahen, jemals bekannt gewesen sei; doch hier schien ein deutlicher Beweis vorzuliegen, dass unsere Vorfahren sie besessen. Meine Kollegen, deren Neugier aufs höchste gespannt war, wollten sofort Experimente machen, um die Art des angewandten Verfahrens zu prüfen, aber ich hielt sie ab. Mein Beweggrund dazu, wenigstens der einzige Beweggrund, von dem ich jetzt zu sprechen brauche, war, dass ich mich erinnerte, einmal gelesen zu haben, wie sehr man zu Ihrer Zeit den tierischen Magnetismus gepflegt hatte. Es schien mir nicht ausgeschlossen, dass Sie in einem magnetischen Schlaf liegen könnten und dass das Geheimnis Ihrer körperlichen Erhaltung nicht die Kunst des Balsamierers, sondern das Leben sei. So äußerst chimärisch schien selbst mir dieser Gedanke, dass ich fürchtete, mich durch Aussprechen desselben bei meinen Kollegen lächerlich zu machen, und gab einen anderen Grund für Verschiebung der Experimente an. Sobald mich nun meine Kollegen verlassen hatten, ging ich systematisch an das Werk der Wiederbelebung, dessen Erfolg Sie kennen.«

      Wäre seine Erzählung noch unglaublicher gewesen, die genaue Angabe aller Umstände und nicht minder die eindringliche Weise und die Persönlichkeit des Erzählers hätten ja den Zuhörer überrascht, so wurde es mir fast unheimlich, als er geschlossen hatte, mein Blick auf mein Bild in dem gegenüber hängenden Spiegel fiel. Ich stand auf und trat davor. Das Gesicht, das ich sah, war aufs Haar dasselbe als dasjenige, das ich gesehen hatte, als ich meine Krawatte band, ehe ich an jenem Dekorationstag zu Edith ging, dem Tage, der, wie mir dieser Mann glauben machen wollte, vor 113 Jahren gefeiert worden sei. Dabei kam die Überzeugung von dem riesigen Betrug, der an mir verübt werden sollte, von neuem über mich. Entrüstung über die schändliche Freiheit, die man sich mit mir nahm, bemeisterte sich meiner.

      »Sie sind vermutlich überrascht zu sehen«, sagte mein Wirt, »dass Ihr Aussehen, obwohl Sie ein Jahrhundert älter sind, als da Sie sich schlafen legten, unverändert ist. Das braucht Sie nicht zu verwundern. Infolge des gänzlichen Stillstandes der Lebenstätigkeit haben Sie diese lange Zeitperiode überlebt. Wenn Ihr Körper während Ihrer Betäubung sich hätte verändern können, so hätte er sich schon lange zersetzt.« - Ich wandte mich zu ihm und sagte: »Mein Herr, ich kann mir nicht im entferntesten denken, welches Motiv Sie haben können, mir ernsten Gesichtes diesen Schnickschnack zu erzählen; aber Sie sind sicher selbst zu einsichtsvoll um nicht zu wissen, dass nur ein Schwachkopf sich dadurch täuschen lassen könnte. Verschonen Sie mich daher mit solch weiterem Unsinn und sagen Sie mir ein für allemal, ob Sie mir gefälligst verständigen Bescheid darüber geben wollen, wo ich bin und wie ich hierher kam, widrigenfalls soll mich niemand daran verhindern, mir selbst Aufschluss zu verschaffen.«

      »Sie glauben also nicht, dass wir gegenwärtig das Jahr 2000 schreiben?«

      »Halten Sie diese Frage wirklich noch für nötig?« entgegnete ich.

      »Nun gut«, antwortete mein sonderbarer Wirt, »da ich Sie nicht überzeugen kann, so sollen Sie sich selbst überzeugen. Sind Sie stark genug, mir nach oben zu folgen?«

      »Ich bin so stark wie immer«, erwiderte ich ärgerlich, »was ich beweisen werde, wenn dieser Scherz noch weitergeführt werden sollte.«

      »Ich muss Sie bitten«, war seine Antwort, »dass Sie sich nicht so fest davon überzeugt halten, Sie seien das Opfer eines losen Streiches, sonst dürfte der Rückschlag, den die Überzeugung von der Wahrheit meiner Angaben bei Ihnen hervorbringen würde, verhängnisvoll werden.«

      Der sorgenvolle Ton in dem er sprach, gemischt mit Mitleid, sowie der Mangel jeden Zeichens von Verletztheit über meine herben Worte, fielen mir auf, und ich folgte ihm mit einem sonderbaren Gemisch von Empfindungen. Er führte mich zwei Treppen hinauf und dann noch eine kürzere, welche auf einem Balkon auf dem Dache auslief. »Nun, bitte, sehen Sie sich um«, sagte er, als wir auf dem Altan standen, »und sagen Sie mir, ob dies das Boston des neunzehnten Jahrhunderts ist.«

      Zu meinen Füßen lag eine große Stadt. Meilenweit streckten sich breite Straßen, mit schattigen Bäumen und schönen Gebäuden besetzt, größtenteils nicht in zusammenhängenden Gevierten, sondern in größeren oder kleineren Umzäunungen, nach allen Richtungen. Jedes Viertel enthielt große freie Plätze mit Bäumen, unter denen Statuen glänzten und Brunnen in der späten Nachmittagssonne glitzerten. Öffentliche Gebäude von kolossalem Umfang und einer meinen Tagen fremden baulichen Großartigkeit, erhoben ihre stattlichen Säulen

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