Ostseeküste - Mecklenburg-Vorpommern Reiseführer Michael Müller Verlag. Sabine Becht

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Ostseeküste - Mecklenburg-Vorpommern Reiseführer Michael Müller Verlag - Sabine Becht MM-Reiseführer

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aus dem nahe gelegenen Grevesmüh­len in der Krämerstraße 4 mit nur einem An­gestellten das „Tuch-, Manufactur- u. Con­fec­tions-Geschäft“. Sein Kapital war ein Wa­gen voller Waren und eine Ge­schäftsidee. Letztere war denkbar einfach, aber weit­ge­hend unbekannt: Die Waren sollten billig, aber zu fes­ten Preisen ver­kauft und bar bezahlt werden; der Einkauf sollte also ohne das bran­chenübliche Gefeilsche und Anschreiben vonstatten gehen. Ge­gen alle meck­lenburgische Skepsis setzte sich Karstadts Idee durch. Be­reits drei Jah­re später eröffnete er eine Filiale in Lübeck und kaufte in Wismar das Ge­bäu­de an der Ecke Krämer Stra­ße/Lüb­sche Straße. Hier ließ er 1907/1908 das moderne Ge­bäude er­rich­ten, in dem man auch heute noch einkaufen kann. Zu die­sem Zeit­punkt betrieb er bereits 24 Kaufhäuser, zum 50. Fir­men­jubi­läum sollten es 89 sein, darunter mit dem Karstadt am Her­mann­platz in Berlin eines der größten Warenhäuser der Welt. Rudolph Kar­stadt starb am 15. Dezember 1944 in Schwerin. Sein Name ist zu einem Synonym für Kaufhäuser geworden. Nach dem Krieg ver­lor der Kar­stadt­konzern seine Filialen östlich von Oder und Nei­ße sowie in den sowje­ti­schen Besatzungszonen. In der Bun­des­re­publik hingegen stieg Karstadt zum größ­ten Handels­un­ter­neh­men auf, zum Erfolg trug auch der Einstieg in den Ver­sandhandel durch die Über­nah­me des Necker­mann-Konzerns in den 1970ern bei. Nach 1989 übernahm Karstadt viele der Centrum- und Mag­net-Warenhäuser in den neuen Bundesländern (darunter auch das alte Stammhaus in Wismar), 1994 auch Häuser von Hertie. Durch die Ver­schmel­zung mit der Schickedanz­gruppe zur Karstadt­Quelle AG (1999) ver­barg sich hinter dem Namen schließlich einer der größ­ten euro­päi­schen Han­delskonzerne mit 116.000 Mitarbeitern. 2004 wurde bekannt, dass der Kon­zern in wirt­schaftliche Schief­lage geraten war, 2007 folgte die Um­be­nennung in Arcandor, 2009 die Insolvenz. Heute gehört die traditionsreiche Kauf­haus­kette zur ös­terreichischen Signa Holding, den Mehrheitsanteil an den Pre­mium­häusern hält die thailändische Central Group.

      Bei Boltenhagen

      Im Westen von Wismar, zwischen Wis­mar­bucht und Trave, erstreckt sich ein lieblicher Landstrich. Seit jeher wurde rund um das kleine Städt­chen Klütz Landwirtschaft be­trieben, und auch heute noch befin­det sich hier die Korn­kammer Mecklenburgs.

      Im Klützer Winkel scheint mancherorts die Zeit stillzustehen. Winzige Weiler, teil­weise nur durch Schotterpisten oder holpriges Kopfsteinpflaster mit­ein­an­der ver­bun­den, verstecken sich zwi­schen sanf­ten Hügeln. Am Straßenrand schar­ren Hüh­ner, auf den Koppeln wei­den Kühe ne­ben Pferden und Eseln, Schwei­ne liegen träge in offenen Stall­tü­ren, und im Dorf­teich schwimmen die Enten in Paaren umher.

      Zentrum der Landschaftsidylle ist das kleine Städtchen Klütz, das durch seinen Besuchermagnet Schloss Both­mer am Ortsrand zuletzt enorm be­lebt wurde. Das touristi­sche Zentrum für Strandgänger ist hingegen das Ostsee­bad Boltenhagen mit langem Sand­strand, See­brücke und Kurzentrum. An der Küste des Klützer Winkels und in Klütz selbst erinnern wie an der ganzen Lü­becker Bucht und Wismarbucht Ge­denksteine an die Katastrophe der Cap Arcona (→ Insel Poel).

      Ein verträumtes, kleines Städtchen mit einem weithin bekannten, prächtigen Schloss, geadelt durch sein li­te­ra­ri­sches Erbe. Sieht man einmal vom re­gen Ver­kehr an der Durch­gangsstraße ab, scheint sich kaum etwas geändert zu ha­ben, seit Uwe Johnson in sei­nem be­rühmten Roman Jahrestage das kleine (fiktive) Jerichow be­schrieb, das ge­mein­hin mit Klütz identifiziert wird: kopfsteingepflasterte Stra­ßen, ein be­schau­licher Markt, eine schmucke klei­ne, steinalte Kirche mit weit­hin sicht­ba­rem Turm, am Ortsrand eine alte Windmühle sowie das über­ra­schend statt­li­che baro­cke Schloss Bot­hmer mit aus­la­dendem Park und schließ­lich und vor al­lem - keine Hektik.

      Uwe Johnsons „Jahrestage“

      „... einwärts der Ostsee zwischen Lü­beck und Wismar gelegen, ein Nest aus nied­rigen Ziegelbauten entlang einer Straße aus Kopfsteinen, aus­ge­spannt zwi­schen einem zweistöckigen Rathaus mit falschen Klas­si­kril­len und einer Kir­che aus der romani­schen Zeit, deren Turm mit einer Bi­schofsmütze vergli­chen wird; lang und spitz läuft er zu, und wie die Müt­ze eines Bischofs hat er Schildgie­bel an allen vier Stirnen“

      Uwe Johnson, Jahrestage, Bd. 1, Frank­furt/M. 1993, S. 30f.

      Ein Literaturhaus für Jerichow

      Jerichow, das fiktive mecklenburgi­sche Städtchen aus Uwe John­sons Roman Jahrestage, wird längst mit dem realen Klütz in Be­zie­hung ge­setzt, auch wenn Johnson in Inter­views dieser Zuweisung im­mer wider­sprochen hat. Den edlen Spen­der des literarischen Ruh­mes hat man in Klütz gleich mehr­fach be­dacht: Seit 2002 gibt es den Förder­verein Uwe Johnson in Klütz, der u. a. den Klützer Li­te­ra­turSom­mer (Ju­ni bis Sept., meist Le­sun­gen) or­ga­ni­siert. Um eine wei­tere Att­rak­tion rei­cher ist der Ort seit 2006: In einem umge­bau­ten Ge­trei­de­speicher von 1890 wurde das Li­te­ra­tur­haus Uwe John­son er­öff­net, das neben einer Dauer­aus­stel­lung zu John­son auch die Stadt­bib­liothek (im Erd­ge­schoss) be­herbergt. Des­sen Le­bens­weg ist über meh­rere Stock­werke verteilt zu se­hen und mit zahlreichen in­te­res­san­ten Do­ku­men­ten un­ter­legt, da­zwi­schen kann man sich auch mal in be­que­me Sessel sin­ken las­sen und in den Wer­ken John­sons schmö­kern. Im Litera­tur­haus finden häu­fig auch Le­sun­gen und an­dere kul­tu­relle Ver­an­stal­tungen statt. Es werden auch die Werke des Autors ver­kauft, außer­dem gibt es eine kleine Auto­ma­ten-Ca­fe­te­ria. Sehr freund­li­che und hilfs­be­rei­te Lei­tung. Im Erdgeschoss befindet sich auch die Stadtinformation (Touristeninformation) Klütz.

      ♦ April bis Okt. Di-So 10-17 Uhr, Mo geschl.; Nov. bis März Mi-Sa 10-16 Uhr, So-Di geschl. Eintritt 3,50 €, erm. 2 €, Kombiticket mit Schloss Bothmer 7,50 €. Im Thurow 14, 23948 Klütz, Tel. 038825-22387, www.literaturhaus-uwe-johnson.de.

      Sehenswertes

      Imposant: Schloss Bothmer

      Im Inneren der sym­met­ri­schen Schloss­an­lage sind noch eini­ge Über­res­te der barocken Ori­ginal­aus­stat­tung er­hal­ten bzw. wiederhergestellt wor­den, darunter Stuck­de­cken, schmucke Ka­mine, ein In­tar­sien­kabinett und Eichen­holzvertäfelungen, jedoch kein his­torisches Inventar. Da­für informiert eine modern konzipierte Ausstellung über das Adelsgeschlecht der Bothmer und die Geschichte des Hauses. Dabei er­fährt man auch, dass das Schloss schon mehrmals als Filmkulisse diente, u. a. wurde hier Die Flucht mit Ma­ria Furt­wängler gedreht. Die Parkanlage

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