Maigret macht Ferien. Georges Simenon

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Maigret macht Ferien - Georges Simenon страница 6

Maigret macht Ferien - Georges  Simenon Georges Simenon

Скачать книгу

Sie, aber ich versichere Ihnen, ich tue, was ich kann.«

      Wahrscheinlich war er als Schüler einer von den Neunmalklugen gewesen, die ihre Pausen in einer Ecke verträumen und die man für zu nachdenklich für ihr Alter hält.

      Er war nicht verheiratet und wohnte zur Untermiete in der Villa einer Witwe in der Nähe des Hôtel Bel Air. Von Zeit zu Zeit nahm er seinen Aperitif im Hotel ein, wo Maigret ihn kennengelernt hatte.

      Er wirkte ebenso wenig wie ein echter Kommissar, wie das Kommissariat einem echten Kommissariat glich: Es war in einem Privathaus an einem kleinen Platz untergebracht. Einige Räume waren nicht neu tapeziert, und man konnte noch immer erkennen, dass es sich um ehemalige Schlaf- oder Badezimmer handelte, mit hellen Flecken an den Wänden, wo zuvor Möbel gestanden hatten, und Rohren, die nutzlos geworden waren.

      Doch es hing ein Geruch darin, den Maigret liebte und beinahe erleichtert einsog, ein schwerer Wohlgeruch, so dicht, dass man ihn hätte schneiden können. Es roch nach Ledergurten und Schurwolle von Uniformen, nach Aktenstößen, erkalteten Pfeifen und auch nach den armen Teufeln, die mit ihren Hintern die beiden Holzbänke im Warteraum blankgescheuert hatten.

      Verglichen mit der Pariser Kriminalpolizei erschien das alles ein wenig unprofessionell, als spielte man Räuber und Gendarm. Im Hof wusch sich ein Polizist in Hemdsärmeln Gesicht und Hände. Im Nachbargarten gackerten die Hühner. Weitere Beamte spielten in der Wache, die sich im Eingangsbereich befand, Karten. Sie taten besonders lässig und großspurig, um wie echte Polizisten zu wirken, unter ihnen auch einige sehr junge Männer, womöglich Rekruten.

      »Darf ich Ihnen den Weg zeigen?«

      Der kleine Kommissar freute sich natürlich, jemandem wie Maigret sein Haus zu zeigen. Er freute sich und war zugleich ein wenig aufgeregt. In einem großen Büro saßen zwei Inspektoren auf den Tischen und rauchten. Der eine hatte seine Dienstmütze in den Nacken geschoben, wie in einem amerikanischen Film.

      Mansuy grüßte abwesend, öffnete die Tür zu seinem Büro und drehte sich noch einmal um.

      »Irgendwelche Neuigkeiten?«

      »Wir haben Polyte für Sie festgehalten, und der Unterpräfekt hat um Rückruf gebeten …«

      Das Wetter war herrlich. Seit Maigret in Les Sables war, hatte es nicht ein Mal geregnet. Die Fenster waren weit geöffnet, die Geräusche der Stadt drangen herein, und man sah die Familien vom Strand zurückkehren.

      Man führte Polyte in Handschellen vor, damit es seriöser wirkte. Einer jener armen Kerle unbestimmten Alters, von denen es in jedem Dorf einen gibt: zerlumpt, struppig, mit einfältigem und zugleich listigem Blick.

      »Hast du dir schon wieder die Hände schmutzig gemacht? Ich nehme an, diesmal wirst du nichts abstreiten?«

      Polyte rührte sich nicht, gab keine Antwort und hielt den servilen Blick auf Kommissar Mansuy gerichtet, der sich, eingeschüchtert durch die Gegenwart des berühmten Maigret, von seiner besten Seite zeigen wollte.

      »Ich kann also davon ausgehen, dass du es nicht abstreiten wirst?«

      Er musste seine Frage zweimal wiederholen, bevor der Landstreicher ihm ein Zeichen gab, ein Nicken.

      »Soll das bedeuten, du gestehst?«

      Ein Kopfschütteln.

      »Willst du etwa leugnen, dass du dich in den Garten von Madame Médard geschlichen hast?«

      Mein Gott, wie ihn das aufmunterte, wie viel wohler sich Maigret hier fühlte als bei den Ordensschwestern!

      Polyte schien daran gewöhnt zu sein. Er lebte in einem Bretterverschlag am Eingang der Stadt, mit einer Frau und sieben oder acht Kindern, eins verlauster als das andere.

      An jenem Morgen war er an einen Trödler herangetreten und hatte versucht, ihm zwei fast neue Bettlaken zu verkaufen, dazu Handtücher und Damenwäsche. Der Trödler war zum Schein darauf eingegangen und hatte den Polizisten gerufen, der an der nächsten Ecke Wache stand. Und Polyte war festgenommen worden, keine zweihundert Meter weiter. Unterdessen war Madame Médard, die Bestohlene, im Kommissariat erschienen.

      »Du hast dich nachts in ihren Garten geschlichen, wo ihre Wäsche noch zum Trocknen hing. Und du bist nicht zum ersten Mal über die Hecke geklettert … Erst letzte Woche hast du ihren Kaninchenstall aufgebrochen und die beiden dicksten Kaninchen gestohlen …«

      »Ich habe kein einziges Kaninchen gestohlen …«

      »Sie hat aber eins der Felle wiedererkannt, die wir bei dir gefunden haben.«

      »Es ist nun mal mein Beruf, Kaninchenfelle zu sammeln …«

      »Selbst wenn noch Fleisch drinsteckt?«

      Da konnte ihm Mansuy mit geröteten Wangen noch so viele Fragen und Fallen stellen. Nichts zu machen.

      »Ein Mann hat mir die Wäsche verkauft …«

      »Wo?«

      »Auf der Straße …«

      »Auf welcher Straße?«

      »Da hinten …«

      »Wie heißt er?«

      »Weiß nicht …«

      »Hast du ihn vorher schon einmal gesehen?«

      »Ich glaube nicht …«

      »Und der kommt zu dir, um dir Bettlaken und Wäsche zu verkaufen?«

      »Hab ich doch gesagt …«

      »Dir ist hoffentlich klar, dass der Richter dir das nicht abnimmt und dich einkassiert?«

      »Das wäre aber eine große Ungerechtigkeit …«

      Polyte verbreitete einen Geruch, der an die Unterkunft der Heilsarmee erinnerte. Er war verstockt, und man ahnte, dass nicht mehr aus ihm herauszubekommen war, selbst wenn man das Verhör noch stundenlang fortsetzte. Seine kleinen listigen Augen schienen zu sagen:

      »Ihr seht doch, dass ihr so nicht weiterkommt!«

      Zwei Polizisten führten ihn endlich ab, immer noch in Handschellen, während Maigret mit dem Kommissar zurückblieb. Die Fenster standen offen, und das Gebäude war bis auf die Männer in der Wache leer.

      »So geht das hier zu … Sie haben sicher mit ganz anderen Fällen zu tun. Mir bleibt fast jeden Nachmittag noch Zeit für eine Partie Bridge.«

      »Sie denken daran, den Unterpräfekten anzurufen?«

      »Ich weiß bereits, dass er mich morgen Abend zum Essen einladen will. Kennen Sie ihn? Ein freundlicher Mann … Aber Sie sprachen vorhin von Philippe Bellamy. Was halten Sie von ihm? Er hat Format, nicht wahr? Ich bin erst vor zwei Jahren nach Les Sables versetzt worden, aber das hat gereicht, um jeden hier kennenzulernen. Den wichtigsten Persönlichkeiten sind Sie ja schon begegnet. Echte Originale sind darunter … Aber Doktor Bellamy übertrifft sie alle. Wissen Sie, dass er in seinem Fach ein Experte ist? Ich hatte Gelegenheit, mit einem Freund darüber zu sprechen, der Arzt in Bordeaux ist. Bellamy ist einer der bekanntesten Neurologen … Er hat lange in Pariser Krankenhäusern

Скачать книгу