Maigret macht Ferien. Georges Simenon

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Maigret macht Ferien - Georges  Simenon Georges Simenon

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seine Familie aus Les Sables?«

      »Die Bellamys sind seit mehreren Generationen hier ansässig. Haben Sie seine Mutter nicht kennengelernt? Eine dickleibige alte Dame, ziemlich stämmig, die ihren Gehstock mit einem Säbel verwechselt. Ungefähr einmal die Woche gerät sie mit den Marktfrauen aneinander.«

      »Woran ist die junge Frau gestorben?«

      »Ich denke, der Unterpräfekt will mich zum Abendessen einladen, um genau darüber zu sprechen. Heute Morgen hat er mich deswegen angerufen. Natürlich verkehrt er mit Doktor Bellamy. Sie sehen sich ziemlich oft …«

      Es tat gut, in Ruhe Pfeife zu rauchen, dabei im Büro auf und ab zu gehen, von Zeit zu Zeit vor dem hellen Viereck des Fensters innezuhalten und auf diese Art zu plaudern, zwanglos und in knappen Sätzen.

      »Es war zu erwarten, dass viel über den Unfall geredet wird … Mich wundert, dass Sie nicht Bescheid wissen.«

      »Ich kenne hier doch kaum jemanden.«

      »Es war … vor zwei Tagen, glaube ich. Genau, am 3. August … Der Bericht muss noch auf dem Schreibtisch meines Sekretärs liegen, aber ich komme jetzt nicht an ihn heran. Doktor Bellamy war in Begleitung seiner Schwägerin mit dem Wagen nach La Roche-sur-Yon unterwegs …«

      »Wie alt?«

      »Neunzehn Jahre … Ein eigenartiges Mädchen, eher interessant als hübsch. Aber bitte keine falschen Schlüsse … Lili Godreau war nett, aber ihre Schwester, Bellamys Frau, ist eine der schönsten Frauen, die man sich denken kann … Leider werden Sie kaum Gelegenheit haben, sie zu sehen, denn sie geht selten aus …«

      »Wie alt?«, wiederholte Maigret.

      »Ungefähr fünfundzwanzig … Die Liebe von Bellamy zu seiner Frau ist beinahe sprichwörtlich in der Gegend. Es ist echte Leidenschaft, und jeder wird Ihnen bestätigen, dass er von Eifersucht besessen ist … Es wird sogar behauptet, er würde sie einschließen, wenn er ausgeht, etwa nachmittags zum Kartenspielen. Ich glaube, das ist übertrieben. Fest steht aber, dass Bellamys Mutter niemals zur selben Zeit das Haus verlässt wie ihr Sohn. Es würde mich nicht wundern, wenn sie die Schwiegertochter überwacht … Sie haben den Doktor telefonieren sehen … Er hält es keine zwei Stunden aus, ohne sie anzurufen, ohne Verbindung zu ihr aufzunehmen, vielleicht, um sich zu vergewissern, dass sie da ist …«

      »Aus was für einer Familie stammt sie?«

      »Genau das ist der Punkt. Die Lebensweise ihrer Mutter eignet sich nicht gerade dafür, einen Ehemann zu beruhigen … Interessiert Sie das? Ich will versuchen, Ihnen zu erzählen, was ich weiß … Bellamys Frau heißt Odette, und ihr Mädchenname ist Godreau. Ihre Mutter stammt aus gutem Hause, Tochter eines Marineoffiziers, wenn ich mich nicht täusche … Sie war eine sehr schöne Frau, das ist sie auch heute noch.

      Zwanzig Jahre lang hat sie in Les Sables die Sünde verkörpert … Ich weiß nicht, ob Sie jemals in der Provinz gelebt haben. Sie war nicht verheiratet und ließ sich aushalten … Nacheinander von zwei oder drei reichen Herren, unter anderem von Monsieur Lourceau, dem Sie in der Brasserie begegnet sind … Wenn sie vorüberging, bewegten sich die Vorhänge. Sie hat Gymnasiasten den Kopf verdreht, verheiratete Männer blickten sich auf der Straße nach ihr um. Wenn sie ein Geschäft betrat, verstummten die Gespräche, und die Damen spitzten ihre Lippen …

      Sie hat zwei Töchter, denen man je nachdem verschiedene Väter zuschreibt, Odette und Lili … Aus Odette ist eine noch strahlendere Schönheit geworden als ihre Mutter, und Doktor Bellamy hat sie kennengelernt, als sie noch nicht zwanzig war …

      Er hat sie geheiratet.

      Sie sind ihm ja begegnet. Wie ich schon sagte, er ist eine echte Persönlichkeit. Er hat das Mädchen geheiratet, aber von der Schwiegermutter nichts wissen wollen, ihr eine Rente ausgesetzt, damit sie die Gegend verlässt … Sie soll jetzt in Paris mit einem Industriellen leben, der sich aus dem Geschäft zurückgezogen hat.

      Da Odettes jüngere Schwester bei der Hochzeit erst dreizehn war, hat sich der Doktor ihrer angenommen … Er hat sie aufgezogen … Sie ist, oder vielmehr, sie war neunzehn …

      Sie sind gemeinsam in Bellamys Wagen nach La Roche-sur-Yon gefahren …«

      »Mit Odette?«

      »Nein, allein … Lili spielte Klavier, besuchte alle Konzerte … Es gab eines in La Roche um vier Uhr, und ihr Schwager hat sie dorthin gefahren … Als sie zurückkehrten …«

      »Um wie viel Uhr?«

      »Kurz nach sieben … Es war noch hell und die Straße keineswegs verlassen … Ich sage Ihnen das alles, weil es von Bedeutung ist … Die Wagentür war anscheinend nicht richtig geschlossen und flog auf, Lili wurde auf die Straße geschleudert … bei hoher Geschwindigkeit. Der Doktor fährt für gewöhnlich sehr schnell, und die Polizeibeamten, die ihn kennen, halten sich zurück …«

      »Also ein Unfall …«

      »Ein Unfall …«

      Kommissar Mansuy dachte nach, wollte noch etwas anmerken, öffnete den Mund. Maigret sah ihn fragend an. Aber er sagte nur noch einmal:

      »Ein Unfall, ja …«

      »Von etwas anderem kann man nicht ausgehen, nicht wahr?«

      »Ich glaube nicht.«

      »Wie Sie schon sagten, kann man Bellamy schwerlich ein Verhältnis mit seiner Schwägerin unterstellen, oder?«

      »Das passt nicht zu ihm.«

      »Waren andere Autofahrer in der Nähe?«

      »Ein Kleinlaster hundert Meter hinter dem Wagen … Der Fahrer ist vernommen worden. Er hat nichts Besonderes bemerkt. Der Wagen des Doktors sei an ihm vorbeigerast, wenige Augenblicke später hat er gesehen, wie die Wagentür aufflog und jemand auf die Straße geschleudert wurde.«

      Wenn der kleine Kommissar mit dem großen Kopf Maigret besser gekannt hätte, er hätte bemerkt, dass während der letzten Minuten etwas in ihm vorgegangen war. War er eben noch der schwerfällige, leicht schwankende Mann gewesen, der ohne rechte Überzeugung an seiner Pfeife zog und seinen Blick gelangweilt umherschweifen ließ, so schien sich jetzt etwas in ihm zusammenzubrauen. Sogar seine Schritte wurden fester, seine Gesten bestimmter.

      Inspektor Lucas zum Beispiel, der seinen Chef besser als jeder andere kannte, hätte sofort verstanden und sich gefreut.

      »Wir sehen uns morgen, ja?«, brummte Maigret und streckte Mansuy seine Pranke entgegen.

      Mansuy war verwirrt. Er hatte erwartet, mit Maigret gemeinsam fortzugehen, ihn ein Stück zu begleiten, vielleicht noch einen Aperitif zu nehmen. Aber Maigret ließ ihn einfach hier zurück, in seinem Büro, das er so gern vorgezeigt hatte, in dem ihn nun jedoch nichts mehr hielt. Linkisch hatte er seinen Hut vom Tisch genommen, zum Zeichen, dass auch er aufbrechen wollte.

      »Vergessen Sie nicht, den Unterpräfekten anzurufen«, sagte Maigret.

      Ganz ohne Ironie. Es steckte keine bestimmte Absicht dahinter. Er dachte an etwas anderes. Genauer gesagt: Er dachte nach. Und ganz genau: Er schob unscharfe Bilder in seinem Kopf hin und her.

      An der Türschwelle drehte er sich um.

      »Hat

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