Nikolas Nickleby. Charles Dickens

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Nikolas Nickleby - Charles Dickens

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der Mensch müsse zwei haben. Aber dieses eine kam ihm ohne Zweifel sehr zustatten, wenn es ihm auch nicht sonderlich zur Zierde gereichte, denn es war von grünlich grauer Farbe und glich so ziemlich dem Ventilator einer Haustüre.

      Die blinde Seite seines Gesichtes war in unzählige Falten und Runzeln gelegt, und das gab dem Mann, besonders wenn er lächelte, einen um so häßlicheren Ausdruck, als seine Physiognomie sowieso eine nur allzu große Ähnlichkeit mit der eines Gauners hatte. Sein Haar war glänzend und glatt gestrichen, ausgenommen an der niedern sich vordrängenden Stirne, wo es steif in die Höhe gebürstet war. Es war ein Bild, das mit der rauhen Stimme und dem unbeholfenen Benehmen Mr. Squeers' trefflich zusammenstimmte. Etwa zwei- oder dreiundfünfzig alt, war der Mann nur wenig unter Mittelgröße. Er trug ein weißes Halstuch mit langen Zipfeln sowie einen schwarzen Schulmeisteranzug, doch waren die Ärmel seines Leibrockes viel zu lang und seine Hosen viel zu kurz, so daß es fast aussah, als gehörten die Kleider gar nicht ihm.

      Mr. Squeers stand also in einem Verschlage bei einem der Kaffeezimmer-Kamine. Auf einer Eckbank stand ein mit einem vermürbten Strick zusammengebundener Koffer, und auf diesem saß ein winziger Junge. Seine Schnürstiefel und Corduroy-Hosenbeine baumelten in der Luft, und die Schultern bis zu den Ohren emporgezogen und die Hände auf den Knieen blickte er von Zeit zu Zeit in augenscheinlicher Furcht und Besorgnis nach dem Schulmeister hin.

      »Halb drei«, brummte Mr. Squeers, wandte sich vom Fenster weg und schaute verdrießlich nach der Uhr des Kaffeezimmers. »Es wird heute niemand mehr kommen.«

      Durch diese Aussicht sehr mißlaunig gestimmt, blickte er sodann nach dem kleinen Jungen, um zu sehen, ob dieser nicht etwas täte, wofür man ihn züchtigen könne. Da aber der Junge zufällig gar nichts tat, so gab er ihm nur eine Ohrfeige und sagte ihm, er solle es nicht wieder tun.

      »Als ich das letzte Mal hier war«, brummte Mr. Squeers, »konnte ich zehn Jungen mitnehmen. Zehnmal zwanzig macht zweihundert Pfund. Morgen früh um acht kehre ich wieder heim und habe nur drei. Dreimal null ist null, dreimal zwei ist sechs, sechzig Pfund. Was ist denn aus diesen Jungen geworden? Was ist denn den Eltern in die Köpfe gestiegen? Was soll das alles heißen?« – Hier nieste der kleine Junge auf dem Koffer heftig.

      »Was war das – was hast du gemacht, Schlingel?« fuhr der Schulmeister auf.

      »Nichts, Sir«, antwortete das Kind.

      »Wieso nichts?«

      »Ich habe nur geniest, Sir«, versetzte der Junge und zitterte dabei so heftig, daß der Koffer unter ihm klapperte.

      »So, du hast geniest. Warum sagtest du dann, du hättest nichts getan, Bengel?«

      In Ermangelung einer besseren Antwort bohrte der Kleine seine Fingerknöchel in die Augen und begann zu weinen, wofür ihn Mr. Squeers mit einer Ohrfeige von seinem Koffer herunter und mit einer zweiten wieder hinaufschlug.

      »Warte nur, bis ich dich in Yorkshire habe, dann sollst du den Rest schon bekommen, Bursche«, knirschte er dabei. »Willst du augenblicklich still sein, Bengel!«

      »J-j-a-a«, schluchzte das Kind und rieb sich das Gesicht mit einem baumwollenen Taschentuch, das mit der üblichen Bettlerpetition bedruckt war.

      »Augenblicklich!« donnerte Squeers. »Hörst du?«

      Da diese Ermahnung mit einer wilden, drohenden Gebärde begleitet war, tat der kleine Junge sein möglichstes, um die Tränen zurückzuhalten, und machte seinen Gefühlen nur noch durch gelegentliches Schluchzen Luft.

      »Mr. Squeers«, rief jetzt der Kellner zur Tür herein, »in der Bar ist ein Herr, der nach Ihnen fragt.«

      »Führen Sie ihn herein, Richard«, sagte Mr. Squeers mit sanfter Stimme. »Stecke dein Schnupftuch ein, Lausbub, oder ich bring dich um, sobald der Herr fort ist.«

      Der Schulmeister hatte dem Kinde kaum diese Worte in grimmigem Tone zugeflüstert, als der Fremde eintrat. Mr. Squeers tat, als sähe er ihn nicht, und gab sich den Anschein, als sei er eben eifrig damit beschäftigt, seinem jungen Zögling eine Feder zu schneiden und ihm väterliche Ermahnungen zu erteilen.

      »Mein liebes Kind«, sagte er laut, »jeder Mensch hat sein Bündel zu tragen. Aber diese frühe Prüfung, die dir so nahe geht und derentwegen du dir die Augen aus dem Kopfe weinst, was ist sie? Nichts. Weniger als nichts. Du verläßt zwar deine Familie, mein Kind, aber du wirst in mir einen Vater und in Mrs. Squeers eine Mutter finden. In dem anmutigen Dorfe Dotheboys, bei Greta Bridge in Yorkshire, wo junge Leute verköstigt, gekleidet, mit Büchern, Wäsche, Taschengeld und allem Nötigen versehen werden...«

      »Mr. Squeers, nicht wahr?« unterbrach der Fremde die Reklamepredigt. »Mr. Squeers, wie ich glaube?«

      »Derselbe, Sir«, sagte Mr. Squeers mit geheuchelter Überraschung.

      »Der Herr, der eine Anzeige in die Zeitung einrücken ließ?«

      »Ja, in der Times, der Morning Post, dem Chronicle, Herald und Advertiser, hinsichtlich der Erziehungsanstalt Dotheboys Hall, bei dem anmutigen Dorfe Dotheboys in der Nähe von Greta Bridge in Yorkshire«, bestätigte Mr. Squeers. »Sie kommen in Geschäftsangelegenheiten, Sir, wie ich an ihren beiden jungen Begleitern bemerke. Wie geht es dir, mein junger Freund? Und wie geht's dir, mein Junge?«

      Mit diesen freundlichen Worten tätschelte Mr. Squeers die zwei hohläugigen, verhungert aussehenden kleinen Knaben, die der Fremde mitgebracht hatte, auf den Kopf und wartete, was ihm dieser mitzuteilen habe.

      »Ich bin Farbwarenhändler und heiße Snawley, Sir«, stellte sich der Fremde vor.

      Squeers nickte mit dem Kopf, als wolle er damit sagen: ein sehr schöner Name.

      »Ich gedenke, Mr. Squeers, meine zwei Knaben ihrer Anstalt anzuvertrauen.«

      »Es schickt sich vielleicht nicht für mich, Sir, mich selbst zu loben«, versetzte Mr. Squeers bescheiden, »aber Sie hätten keine bessere Wahl treffen können.«

      »Hm«, brummte der Fremde. »Zwanzig Pfund jährlich, glaube ich, Mr. ...«

      »Guineen«, verbesserte der Schulmeister. »Pfund! Was meinen Sie, Mr. Squeers, da ich gleich zwei mitbringe?«

      »Wird sich kaum machen lassen, Sir«, erwiderte Mr. Squeers gekränkt, als ob ihm noch nie früher ein derartiger Antrag gestellt worden wäre. »Doch wir wollen sehen. Viermal fünf ist zwanzig und dies doppelt genommen... Also gut, auf ein Pfund mehr oder weniger soll es uns nicht ankommen. Aber Sie müssen mich bei Ihren Bekannten empfehlen, Sir, damit ich auf diese Weise wieder auf meine Kosten komme.«

      »Sie sind keine starken Esser«, warf Mr. Snawley hin.

      »Oh, das kommt weiter nicht in Betracht«, meinte Squeers, »wir nehmen in unserer Anstalt keine Rücksicht auf falsche Appetite. – Die gesündeste Kost, Sir, die man in Yorkshire nur haben kann, und die besten Lehren in jeder Hinsicht. Alles, was sich ein Knabe nur zu Hause wünschen kann, Mr. Snawley!«

      »Ich lege vor allem auf Sittlichkeit großes Gewicht«, bemerkte Mr. Snawley.

      »Ich freue mich außerordentlich, dies zu hören«, versetzte der Schulmeister stolz und warf sich in die Brust. »Gerade was Moral anbelangt, hätten Sie kein besseres Institut finden können.«

      »Davon bin ich überzeugt, Sir«, erwiderte Mr. Snawley. »Ich habe mich bei einem Herrn, auf den Sie sich beriefen,

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