Nikolas Nickleby. Charles Dickens

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Nikolas Nickleby - Charles Dickens

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die felsenfeste Überzeugung bei, daß keine Spekulation so vielverheißend und risikolos wie die gegenwärtige sei.

      So ging denn die Petition zugunsten der Bill einstimmig durch, und die Versammlung trennte sich unter Beifallsrufen. Mr. Nickleby und die anderen Direktoren verfügten sich nach einem Speisehaus, wo sie ein Lunch einnahmen und es, da die Gesellschaft ja erst im Entstehen war, mit nur je drei Guineen pro Kopf für ihre Bemühungen in Anrechnung brachten.

      Mr. Ralph Nickleby trat nach dem Mahle in ungewöhnlich guter Laune den Heimweg an. Als er bei der St.-Pauls-Kirche anlangte, trat er in einen Torweg, um seine Uhr zu richten, und wie er so den Schlüssel in der Hand und die Augen auf den Zeiger der Kirchturmuhr gerichtet dastand, trat plötzlich Newman Noggs an seine Seite.

      »Ah, Newman«, sagte Mr. Nickleby aufblickend. »Das Schreiben wegen der Hypothek angelangt, was?«

      »Falsch«, brummte Noggs.

      »Was? Und es war auch niemand deshalb im Bureau?«

      Noggs schüttelte den Kopf.

      »Aber was ist denn also gekommen?«

      »Ich«, entgegnete Newman.

      »Und was sonst noch?«

      »Dies da«, erwiderte Noggs und zog einen versiegelten Brief aus der Tasche. »Poststempel Strand, schwarzes Siegel, schwarzer Rand, Frauenzimmerhand, C. N. in der Ecke.«

      »Schwarzes Siegel?« fragte Mr. Nickleby mit einem Blick auf den Brief. »Die Schrift kommt mir bekannt vor. Es sollte mich nicht wundernehmen, Newman, wenn mein Bruder tot wäre.«

      »Glaub's wohl«, versetzte Noggs ruhig.

      »Wieso?«

      »Na, weil Sie sich überhaupt über nichts wundern«, antwortete Newman.

      Mr. Nickleby öffnete den Brief, las ihn mit steinerner Miene, steckte ihn dann in die Tasche und begann, wieder seine Uhr aufzuziehen.

      »Es ist, wie ich erwartet habe, Newman«, sagte er dabei. »Er ist tot. Hm, kommt mir recht ungelegen. Ich hätt's nicht gedacht.«

      »Kinder hinterlassen?« forschte Noggs.

      »Zwei. Das ist's doch eben«, brummte Mr. Nickleby und ging schnell weiter.

      »Zwei«, wiederholte Noggs mit leiser Stimme.

      »Und auch eine Witwe. Alle drei sind jetzt in London. Hol sie der Henker. Alle drei hier, Newman!«

      Noggs blieb ein wenig hinter seinem Gebieter zurück und schnitt merkwürdige Grimassen. Ob infolge von Krämpfen, eines Schmerzgefühls oder eines innerlichen Lachens, konnte niemand als er selbst sagen. Der Ausdruck des menschlichen Gesichtes ist sonst ein Spiegel der Seele, aber Newman Noggs' Züge blieben in allen Gemütsstimmungen ein unlösliches Rätsel.

      »Gehen Sie nach Hause«, sagte Mr. Nickleby nach einer Weile und warf dabei seinem Schreiber einen Blick zu wie einem Hund. Die Worte waren kaum ausgesprochen, als Newman bereits über die Straße glitt und sich im Augenblick in dem Gedränge verlor.

      »Hübsch ausgedacht«, brummte Mr. Nickleby im Weitergehen vor sich hin, »hübsch ausgedacht. Mein Bruder hat nie etwas für mich getan, und ich habe es auch nicht erwartet; aber kaum ist ihm der Atem ausgegangen, hält man sich an mich. Ich soll jetzt für ein stämmiges Weib, einen erwachsenen Jungen und ein dito Mädchen sorgen. Was gehen sie mich an? Ich kenne sie doch gar nicht.«

      Unter solchen und ähnlichen Betrachtungen schlug Mr. Nickleby den Weg nach dem Strand ein, zog den Brief zu Rat, um hinsichtlich der Adresse nicht fehlzugehen, und machte schließlich vor der Türe eines Hauses ungefähr in der Mitte der sehr belebten Straße halt.

      Es mußte hier ein Miniaturmaler wohnen, denn neben dem Tor war ein großer vergoldeter Rahmen festgeschraubt, auf dem sich auf schwarzem Samtgrunde zwei Porträts in Marineuniform nebst den dazugehörigen Teleskopen – das eines jungen Herrn in Scharlach, der einen Säbel schwang, und das eines Gelehrten mit hoher Stirne, einer Feder, einem Tintenfaß, sechs Büchern und einem Vorhang – befanden. Daneben sah man noch das ungemein ansprechende Bild einer jungen Dame, die in einem riesigen Wuste von Manuskripten las, und die liebenswürdige ganze Figur eines großköpfigen, kleinen Knaben mit Beinen, die perspektivisch zu der Größe von Salzlöffelchen verkürzt waren. Außer diesen Kunstwerken prangten noch viele Köpfe von alten Damen und Herren auf blauem und braunem Hintergrunde, die sich gegenseitig zulächelten – und eine zierlich geschriebene Preisliste mit gepreßtem Rand.

      Mr. Nickleby warf einen verächtlichen Blick auf diese Armseligkeiten und klopfte mit Doppelschlägen an die Türe, bis ihm ein Dienstmädchen mit ungemein schmutzigem Gesicht öffnete.

      »Ist Madam Nickleby zu Hause?« fragte Mr. Ralph ungeduldig.

      »Sie heißt net Nickleby; Sie meinen vielleicht La Creevy?« antwortete das Mädchen und wollte sich eben näher auslassen, als eine weibliche Stimme von einer fast senkrechten Treppe herunter die Frage vernehmen ließ, zu wem der Herr wolle.

      »Zu Mrs. Nickleby«, erwiderte Ralph.

      »Das ist doch im zweiten Stock, Hanna«, fuhr dieselbe Stimme fort. »Was du doch für ein dummes Ding bist. Ist die Herrschaft im zweiten Stock zu Hause?«

      »Es is eben jemand hinausgegangen, aber ich glaube, es war von der Dachstube, aus der man den Kehricht heruntergetragen hat«, versetzte das Mädchen.

      »So sieh nach«, erwiderte das unsichtbare Frauenzimmer. »Zeig dem Herrn, wo die Klingel ist, und sage ihm, er dürfe nicht mit einem Doppelschlag klopfen, wenn sein Besuch im zweiten Stock gilt. Ich kann überhaupt das Klopfen nicht gestatten, wenn nicht die Klingel gebrochen ist, und dann muß es durch zwei einfache Schläge geschehen.«

      »Schon gut«, sagte Mr. Ralph und trat ohne weiteres in das Haus. »Pardon, sind Sie Madame La – wie ist Ihr Name?«

      »Creevy – La Creevy«, versetzte die Stimme, und zugleich tauchte ein gelber Kopfputz über dem Geländer auf.

      »Ich möchte, wenn Sie erlauben, einen Augenblick mit Ihnen sprechen, Madam.«

      Die Stimme ersuchte Mr. Nickleby heraufzukommen, doch dies war bereits geschehen, ehe sie noch ausgesprochen hatte, und als Mr. Ralph im ersten Stock anlangte, wurde er von der Besitzerin des gelben Kopfputzes empfangen, deren Kleid und Gesicht so ziemlich von derselben Farbe waren. Miss La Creevy war eine geziert aussehende jugendliche Dame von fünfzig Jahren, und ihr Zimmer bildete ein passendes Seitenstück zu dem vergoldeten Rahmen an der Türe. Nur daß hier die Kunstproduktion üppiger wucherte und der Raum selbst um ein beträchtliches schmutziger war.

      »Ehüm«, begann Miss La Creevy, zimperlich hinter ihren seidenen Halbhandschuhen hüstelnd, »Sie wünschen wohl ein Miniaturporträt? Ihr Gesicht ist sehr markant, Sir. Sind Sie früher schon gesessen?«

      »Sie sind, wie ich sehe, hinsichtlich meines Hierseins im Irrtum, Madam«, versetzte Mr. Nickleby in seiner gewohnten plumpen Weise. »Ich habe kein Geld übrig, um es für Miniaturbilder wegzuwerfen,

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