ARKADIA. Bernhard Kempen

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ARKADIA - Bernhard  Kempen

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brumme ich zögernd, während ich allmählich ins Grübeln komme. »Das wäre allerdings ein Aufhänger …«

      »Also bist du einverstanden?« Als Bob mich gebannt anstarrt, sieht er aus, als würde er jeden Augenblick vor Freude an die Decke springen. Jetzt hat er mich. Und er weiß es ganz genau.

      »Du lässt ja doch nicht locker, bis ich zugesagt habe.«

      »Völlig richtig!«

      Nachdem ich einige persönliche Angelegenheiten geregelt und meinen Wohnungscomputer für die lange Zeit der Abwesenheit instruiert habe, kann es losgehen. Meine Begeisterung hält sich nach wie vor in Grenzen, und als ich mit der Raumfähre in den Orbit geschossen werde, wo das Passagierraumschiff wartet, frage ich mich unwillkürlich, ob ich die gute alte Erde jemals wiedersehen werde. Ich habe zwar schon einige Weltraumflüge tapfer hinter mich gebracht, aber noch nie zuvor die Grenzen meines heimischen Sonnensystems verlassen. Als das Schiff irgendwo hinter der Bahn des Jupiter das Stringtriebwerk anwirft, um sich auf Überlichtgeschwindigkeit zu katapultieren, und durch die Sichtfenster nur noch stockfinstere Nacht ohne ein einziges Lichtpünktchen zu sehen ist, sinkt meine Stimmung auf den absoluten Nullpunkt.

      Was habe ich hier draußen im Nichts zwischen den Sternen verloren, im gähnenden Abgrund zwischen den Orten, an denen es sich ganz gut leben lässt? Ich muss mir immer wieder einreden, dass sich vor mir schon viele Menschen auf eine solche Reise begeben haben. Und von wenigen Ausnahmen abgesehen – mit denen ich mich jetzt nicht näher befassen möchte – haben sie alle wohlbehalten ihr Ziel erreicht. Etliche haben sich sogar dazu entschlossen, dauerhaft auf anderen Planeten in der Nähe ferner, fremder Sonnen zu leben. Trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass dieses Raumschiff in einer Art Jenseits unterwegs ist, weit draußen irgendwo hinter der Bahn des Pluto, der über das Reich des Todes herrscht …

      Um mich von derartigen Grübeleien abzulenken und die Flugzeit sinnvoll zu nutzen, habe ich mich mit allen möglichen Informationen über die Arkadier eingedeckt, um sie gründlich studieren zu können, während wir die knapp vierzig Lichtjahre hinter uns bringen. Die wesentlichen Fakten dürften zwar allgemein bekannt sein, aber ich will ja der Reihe nach vorgehen. Außerdem sollte man das Ausmaß der Ignoranz nicht unterschätzen, wenn es um die Frage geht, wie intensiv sich ein durchschnittlicher Erdbewohner mit dem befasst, was in der Welt außerhalb seines angestammten Wohnortes vor sich geht – wobei ich mich selbst gar nicht unbedingt von dieser durchaus pragmatischen Einstellung ausnehmen möchte.

      Entdeckt wurde der zweite Planet der Sonne Aura während der großen Erkundungszeit im Jahre 2126. Er ist etwas kleiner als unsere gute alte Erde, sodass ich mich in der dort herrschenden Schwerkraft von etwa 0,9 g leicht wie ein junges Reh fühlen werde. Und ich kann einigermaßen nachvollziehen, dass die Leute, die den Planeten seinerzeit als Erste betraten, aus dem Staunen nicht herauskamen. Denn Arkadia erwies sich in jeder Hinsicht als paradiesische Welt. Die Temperaturen schwanken zwischen fünfundzwanzig und dreißig Grad Celsius, tagsüber scheint ununterbrochen die Sonne, Regen gibt es nur nachts, und alles ist herrlich grün. Der ganze Planet sieht aus wie diese wunderbar kitschigen Bilder aus den Urlaubsprospekten vor der Raumfahrtzeit.

      Natürlich drängt sich nun die unausweichliche Vermutung auf, dass es doch irgendwo einen Pferdefuß geben muss. Denn ein solches Paradies kann es in Wirklichkeit gar nicht geben. Auf Hawaii oder Bali ist es ja auch ganz nett, aber dafür gibt es dort böse Hurrikans, Schlangen oder Tropenkrankheiten. Selbst in den billigen Science-Fiction-Romanen des zwanzigsten Jahrhunderts lauert auf jeder Paradieswelt ein geiferndes Monstrum oder Schlimmeres.

      Was Arkadia betrifft: Fehlanzeige. Dort gibt es keine Monstren, nicht einmal einen harmlosen Regenwurm. Denn die einzigen einheimischen Lebensformen sind Pflanzen, und die verhalten sich absolut friedlich, weil sie sich im Laufe ihrer Evolution niemals gegen fresswütige Tiere verteidigen mussten.

      Mehrere Wissenschaftlerteams wurden nach Arkadia geschickt, aber trotz intensivster Nachforschungen wurde wirklich nichts entdeckt, was menschlichem Leben gefährlich werden könnte. 2131 kamen dann die ersten Kolonisten. Und die fanden bald den Haken an der Sache. Arkadia ist nämlich einfach nur schön und weiter nichts. Es gibt keinerlei nennenswerte Bodenschätze, und in der moos- und farnähnlichen Pflanzenwelt wurde nichts gefunden, was sich irgendwie für menschliche Bedürfnisse verwerten ließe. Man holte die Kolonisten gerade noch rechtzeitig zurück, bevor sie aus lauter Langeweile auf die Idee kommen konnten, sich zur Abwechslung gegenseitig die Köpfe einzuschlagen.

      Nachdem ein paar Jahre lang Ruhe im Paradies herrschte, stellten schließlich die Nudisten den Antrag, eine neue Kolonie auf Arkadia gründen zu dürfen. Dem Antrag wurde sofort stattgegeben, da sich auf diese Weise die einzigartige Gelegenheit ergab, die Läuse im Pelz der verfilzten Erdgesellschaft loszuwerden. Die Nudisten haben sich bekanntlich aus einer Jugendbewegung im letzten Jahrhundert entwickelt, die nicht nur die Freiheit des Geistes, sondern auch des Körpers forderte. Zu Anfang dieses Jahrhunderts kam es dann zum leicht missglückten Genexperiment ihres Gurus Jack Rodriguez, worauf sämtliche Nudisten ihre Körperbehaarung verloren. Seitdem ist die totale Haarlosigkeit der Nudisten zu ihrem Markenzeichen geworden, sodass sich auch die meisten neuen Anhänger freiwillig der gentechnischen Haarentfernung unterziehen.

      Seit 2137 können sich die Nackedeis nun nach Lust und Laune auf Arkadia austoben. Dem Rest des Universums war es bislang ziemlich egal, was sie dort trieben, abgesehen von den Berichten über Sexakrobatik, Massenorgien oder Wettbumsen, die immer wieder durch die Boulevardmagazine geisterten. Doch dann bricht eines Tages im Jahre 2197 der Top-Reporter von Trash Universe auf, um erstmals persönlich und vor Ort die Tatsachen hinter all den Skandalmeldungen und Gerüchten zu recherchieren.

      Ich hasse Reisen. Ich kann es gar nicht oft genug sagen. Warum sich viele Menschen freiwillig dieser Tortur aussetzen und sogar einen Haufen Geld dafür bezahlen, werde ich nie begreifen.

      Während des Anflugs mit der Planetenfähre kann ich durch eine winzige Sichtluke einen ersten Blick auf die blaugrüne Kugel mit den sparsam hingetupften weißen Wölkchen werfen. Ganz nett, aber nichts, was einen erfahrenen Reporter vom Hocker reißen würde. Außerdem bin ich fest in meinem viel zu engen Sitz angeschnallt, sodass ich ohnehin keine übermütigen Luftsprünge vollführen könnte.

      Thela Hun dagegen strahlt geradezu vor Begeisterung. An Bord des Linienraumschiffs war sie neben mir der einzige Passagier mit dem Flugziel Arkadia. Ich habe mich unterwegs ein wenig mit der hübschen Chinesin aus Singapur mit dem langen, schwarzen Haar angefreundet. Während des Fluges haben wir uns abwechselnd in ihrer und meiner Koje die Zeit vertrieben, aber als sie mir dann von dem tollen Arkadier erzählt hat, den sie auf der Erde kennengelernt hat und mit dem sie nun ein neues Leben auf Arkadia beginnen will, bin ich etwas auf Distanz gegangen.

      Nach dem ansonsten stinklangweiligen Flug setzt das Gefährt mit einem unsanften Ruck auf. Ein dumpfes Klacken, unter dem die Fähre dröhnend vibriert, kündigt an, dass die luftdichte Schleusenkupplung verriegelt wurde. Wieder heißt es Warten, bis endlich das Okay von der Raumhafenkontrolle kommt und wir durch die Luke aussteigen dürfen.

      Doch nun geht es keineswegs an die frische Luft, sondern zunächst durch einen Tunnel, der nach Schmieröl und Desinfektionsmitteln stinkt und uns in die Quarantänestation führt. Der Planet steht unter strengen Schutzbestimmungen, damit niemand unangenehme Bazillen und andere Fremdorganismen in die heile Welt einschleppen kann. Menschen sollen die einzigen tierischen Schmarotzer bleiben, die auf Arkadia geduldet werden.

      Wir müssen uns ausziehen und uns diversen Bestrahlungen und chemischen Bädern aussetzen, bis wir angeblich sauber sind. Obwohl Thela mich bereits etwas näher kennengelernt hat, stört es mich ein wenig, dass man auf getrennte Räumlichkeiten für die Damen und die Herren der Schöpfung verzichtet hat, aber vermutlich würde sich der Aufwand bei dem spärlichen Reiseverkehr kaum lohnen. Außerdem

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