Heliosphere 2265 - Der komplette Fraktal-Zyklus. Andreas Suchanek
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»Sir«, unterbrach ihn Lieutenant Kensington. »Ich konnte die Sensorauflösung ein wenig verbessern. Neben den menschlichen Lebenszeichen orte ich auch eine Parlidensignatur.«
»Die Marines sollen sich auf Feindkontakt einstellen«, sagte Jayden zu Commander Ishida.
Konnte es tatsächlich sein, dass die Parliden ein Schiff der Space Navy geentert hatten? Damit hatte sich die PROTECTOR gerade in ein politisches Pulverfass verwandelt.
*
Corporal Mark Pride blickte aus dem Bullauge auf die HYPERION, die rasch kleiner wurde. Nach allem, was Captain Cross im Briefing mitgeteilt hatte, erwies sich die Mission als zunehmend problematisch.
Beim Anflug an die PROTECTOR hatte die Kommandobrückencrew festgestellt, dass der Traktorstrahl nicht einsetzbar war, weil sich die Oberfläche der Hülle auf molekularer Ebene verändert hatte. Erst nach einer umfangreicheren Rekalibrierung und erneuten Feinabstimmung konnten beide Schiffe miteinander gekoppelt werden.
Leider hatte die Strahlung noch weitere Auswirkungen. Der Funk war gestört. Und ohne Funkverstärker gelang es nicht, Kontakt mit der K.I. der PROTECTOR herzustellen, wodurch Captain Cross auch nicht auf die internen Kamera-Feeds zugreifen konnte.
Und jetzt war Mark mit seinem Team auf dem Weg in feindliches Gebiet – denn als nichts anderes sah er die PROTECTOR an. Lieutenant Kensington hatte einen Parlidenkontakt ausgemacht. Da sich keines dieser Aliens an Bord eines Schiffes der Space Navy befinden sollte, mussten sie mit feindlichem Beschuss rechnen.
Das Shuttle vibrierte kurz, als sie die Strahlenblase durchflogen. Kurz darauf stabilisierte sich die Flugbahn wieder.
»Ich sende den Code an den Computer der PROTECTOR. Wenn er von keinem Offizier an Bord widerrufen wird, dürfte es keine Probleme geben«, meldete Pilot René Lagrange aus dem Cockpit. »Er wurde akzeptiert.«
Die Tore des Shuttlehangars fuhren auseinander und ließen sie ein.
»Der Hangar ist leer, keine Lebenszeichen«, meldete der Pilot.
»Also gut, Jungs, jetzt gilt es«, sagte Mark zu seinem zwölfköpfigen Team. »Ihr wisst, wie es aussieht. Uns erwartet eine unbekannte Anzahl an Parliden – bisher wurde einer geortet, doch der Scan war ungenau -, vermutlich mehrere verletzte Offiziere. Es wird nur geschossen, wenn es unvermeidbar ist. Wir durchforsten das Schiff, koppeln einen Phasenfunkverstärker an«, dabei blickte er zu den Alvarez-Brüdern, die den Verstärker in ihrem Rucksack bei sich trugen, »und kümmern uns um die Verletzten. Noch Fragen?«
Auf das vielstimmige »Nein, Sir« öffnete er das Zugangsschott des Shuttles.
In Dreier-Teams sprangen sie durch die Luke. Seine Jungs waren Profis, was mit jeder ihrer Bewegungen deutlich wurde.
»Pride an HYPERION.«
Die Antwort blieb aus. Wie vermutet durchdrang das Signal die Strahlenblase nicht. Erst musste der Verstärker angeschlossen werden.
»Sir, Palok hier«, erklang eine weibliche Stimme aus seinem Helmfunk. »Ich befinde mich im Steuerbüro des Hangars. Sie sollten meinen OpDa checken.«
Die einzelnen Servo-Suits konnten untereinander Daten austauschen. Als Anführer des Teams konnte er zudem auf den optischen Datenstrom zugreifen, der von den übrigen Suits verarbeitet wurde.
Er schaltete seine Frequenz auf die visuelle Aufnahme von Private Paloks Helmkamera und starrte im nächsten Moment in das grauenvoll verzerrte Gesicht eines Toten. »Können Sie ihn identifizieren?« Mark reagierte instinktiv professionell.
»Es handelt sich um Lieutenant Tim Simmens«, las Palok vom Aufnäher der Uniform ab. »Anhand der immensen Menge an Blut, die hier überall zu finden ist, gehe ich von multiplen Stichverletzungen aus.«
Seit wann stechen die Parliden auf ihre Opfer ein?, fragte sich Pride. »Markieren Sie den Fundort und machen Sie weiter.«
»Aye, Sir.« Sie beendete den Funkkontakt.
Normalerweise konnte sich auch die Kommandobrückencrew der HYPERION zuschalten, doch durch die Störung war das nicht möglich.
Diego und Alejandro Alvarez, die beiden Brüder aus dem spanischen Sektor der Erde, flankierten Mark, als er sich zum Maschinenraum aufmachte.
Bereits in den ersten Minuten gingen Meldungen von allen Teams ein. Überall auf dem Schiff lagen Tote. Was auch immer hier geschehen war, es hinterließ ein grausiges Bild. Aufgehängte, erstochene und aufgeschlitzte Offiziere. Ein untypisches Bild für Schiffe, die von Parliden geentert wurden. Im Verlauf des Krieges hatten die Sternköpfe aufgebrachte Schiffe meist mitsamt ihrer Crew in die Luft gesprengt. Sie machten keine Gefangenen, zogen aber auch nicht schlachtend umher. Sie waren effizient, kalt und brutal.
Im Maschinenraum fanden sie den Chefingenieur.
»Das ist ja widerlich«, brachte Diego hervor. »Das sieht fast so aus, als hätte er sich selbst umgebracht.«
Mark musste ihm im Stillen beipflichten. »Der Chefingenieur lag am Boden, ein Laserschneider steckte in seiner Brust, ein Pulser lag direkt neben ihm. Die Crew des Maschinenraums lag in Lachen aus ihrem eigenen Blut, niedergestreckt von Pulserschüssen.
»Alejandro, Diego, schließt diesen verdammten Phasenfunkverstärker an. Jetzt!«
Die beiden zuckten zusammen und begannen hektisch zu arbeiten.
Captain Cross würde es gar nicht gefallen, das hier zu sehen. Und obwohl Mark im Laufe seiner Karriere schon einiges erlebt hatte, dachte er mit Grauen daran, dass sie als Nächstes die Kommandobrücke aufsuchen mussten.
*
Jayden atmete erleichtert auf, als im Inneren des Holotanks der Maschinenraum der PROTECTOR in einem Regen aus Pixeln erschien. Eine Erleichterung, die nur wenige Sekunden anhielt. »Corporal Pride, geben Sie mir einen Statusbericht.«
»Was Sie sehen, spiegelt den bisher abgesuchten Schiffsbereich wider«, erklang die Stimme des Marines aus dem Akustikfeld. »Vom Shuttlehangar bis zum Maschinenraum fanden wir nur Tote. Kein Parlidenkontakt.«
Jayden schluckte. »Begeben Sie sich zur Kommandobrücke.«
»Verstanden, Sir.«
Der Corporal ging auf direktem Weg zum multidirektionalen Lift, der das Schiff vom Bug bis zum Heck durchzog. Am Rande des Aufnahmefeldes waren die Silhouetten der Brüder Alvarez zu erkennen, die ihren Vorgesetzten flankierten.
Wohin Pride auch blickte, überall herrschte Chaos: zertrümmerte Maschinen, zersplitterte Panels, tote Körper. Die oberflächliche Betrachtung der Leichen zeigte, dass sie allesamt durch äußere Gewalteinwirkung umgekommen waren.
Jayden ballte die Fäuste.
»Noch ist nichts bewiesen«, murmelte Commander Ishida und schenkte ihm einen durchdringenden Blick.
Ihre Gelassenheit sorgte dafür, dass er noch wütender wurde. Am liebsten hätte er sich einen Pulser gegriffen und wäre seinen Marines auf die PROTECTOR