Lieblingsplätze Kassel und Nordhessen. Rüdiger Edelmann
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Wie in vielen anderen Städten ist Kassel-West (offizieller Name bis 2010) ein ehemals feiner Stadtteil. Leider hat auch hier die fatale Bombardierung Kassels ihre Spuren in Form von 1950er-Jahre-Architektur in den zerbombten Zwischenräumen hinterlassen. Aber große Teile des Viertels hatten Glück und präsentieren sich heute fein restauriert und in altem Glanz. Die Lebensader deutet mit der Friedrich-Ebert-Straße und dem August-Bebel-Platz auf die sozialdemokratische Geschichte der Stadt, auch wenn die Namen der großen Sozialisten nicht so recht zum großbürgerlichen Ambiente zu passen scheinen.
Menschen mit großen Namen haben zeitweise hier gelebt. Samuel Beckett war in den 1920er-Jahren Dauergast bei Onkel und Tante, hauptsächlich aber wegen der Liebe zu seiner Cousine Peggy. Rita Hayworth machte eine Stippvisite zur Truppenunterhaltung in den 1940er-Jahren und der Stummfilmregisseur Friedrich Wilhelm Murnau verbrachte seine Kindheit hier.
Mir hat es der alte Teil zwischen Stadthalle und der Kneipenmeile angetan. Buchläden, Feinkostläden, Biomärkte, Cafés und Kneipen zieren heute den Stadtteil. Kreative Modegeschäfte (zum Beispiel für maßgeschneiderte Korsetts) geben den besonderen Kick. Sapori D’Italia am Bebelplatz mausert sich in der Mittagszeit zur gern besuchten Ersatzkantine und in der Friedrich-Ebert-Straße wartet mit dem Voit eines der Kasseler Top-Restaurants. Man kann hier prima lustwandeln und sich in vermeintlich bessere Zeiten zurückdenken. Die Wohngegend ist hoch geschätzt, ein vorübergehender Aufenthalt aber ebenfalls schön.
In der Querallee an der Ecke Goethestraße findet sich der Filmladen, Kassels erstes Programmkino mit Filmen jenseits des Massenangebots.
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Vorderer Westen
Rund um Kongress Palais Kassel
Holger-Börner-Platz 1
34119 Kassel
Filmladen Kassel e.V.
Goethestraße 31
34119 Kassel
0561 707642
Kassel: Indisches Restaurant Trimurti
Natürlich bemühe ich mich als Besucher, die regionale Küche meines Aufenthaltsortes kennenzulernen. Natürlich gelingt das aber nicht immer, und dann steht man am frühen Abend mit einem Hungergefühl in einer fremden Stadt und weiß nicht so recht, wo man hingehen soll. Verschärft stellt sich die Situation für die dar, die sich vegetarisch oder vegan ernähren. Deshalb sei ein Tipp für diejenigen genannt: das indisches Restaurant Trimurti.
»Trimurti« kommt aus der Hindi-Sprache und bedeutet so viel wie »Dreieinigkeit« oder »drei Götter«. Diese Göttlichkeit liegt in meinen Augen in der indischen Küche darin, dass einem an nichts fehlt, ganz gleich welche kulinarischen Vorlieben man hat – selbst wenn wie im Trimurti ausschließlich vegane und vegetarische Gerichte serviert werden.
Was vor einigen Jahren als eine Art Schnellimbiss startete, hat sich inzwischen zu einem gemütlichen Restaurant gemausert. Das Interieur ist trotz Wandel traditionell indisch geblieben: bunte Farben, eine blinkende Lichterkette im Schaufenster und eine Theke, die tagsüber mit einem kleineren Angebot insbesondere die Studenten des benachbarten Universitätsteils versorgt. Abends jedoch bietet Familie Vasudev fein gewürzte Kulinarik à la carte.
Thali-Gerichte mit schmackhaften Linsen und weiterem Gemüse ergänzen vegetarische Masala-Varianten. Diverse Currys stehen auf der Karte, und der Nichtvegetarier bekommt den »Chicken-Ersatz« in Form des indischen Käses Paneer. Salate, verschiedenste Fladenbrotsorten, Pakoras und Samosas runden das Angebot ab. Die Getränkekarte reicht von Chai über Lassis und Säfte bis zu Wein, Bio-Hefeweizen und indischem Bier. Im Sommer lädt ein kleiner Garten im Hinterhof ein. Hier wird jeder glücklich, der sich niederlässt.
Natürlich gibt es in Kassel auch sehr gute italienische – neben Gambero Rosso, Teatro sei Da Vinci genannt – und griechische Restaurants (Eat Greek, Daphne).
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Restaurant Trimurti
Wilhelmshöher Allee 61
34121 Kassel
0561 766 88 66
Kassel: Theater im Centrum
Die Theaterszene in der Stadt ist schwierig. Das Staatstheater spielt auf drei Bühnen mit finanziellem Zuschuss. Die Komödie Kassel ist längst eine Kooperation mit kleinen Schauspielhäusern aus Bremen, Lübeck und Bielefeld eingegangen, denn alleine zu überleben scheint unmöglich. Dieser Chancenlosigkeit begegnet Michael Fajgel, Chef des Theaters im Centrum (tic), mit einem ganz eigenen Konzept. Als er 2003 die Bühne in einem ehemaligen Gottesdienstraum eröffnete, wusste er sicher nicht, dass er das so lange durchhalten würde. Im kleinen Theater zog das Musical ein.
Stücke in Lizenz einzukaufen gaben weder Budget noch Bühnengröße her. So kreierte Michael Fajgel seine Stoffe selbst: eigene Handlungsstränge in Mischung mit bekannten Songs und Melodien. Das tic spielt jährlich rund 160 bis 200 Vorstellungen. Ein festes Ensemble kann sich das Theater nicht leisten, aber es ist bis heute selbstständig und kommt ohne Subventionen aus.
Immer steht das musikalische Vergnügen im Vordergrund – egal, ob auf der Bühne ein junges Pärchen mitsamt künftiger Schwiegereltern in eine Hotelbruchbude hereinschneit und sich die Zeit mit einer Karaoke-Maschine vertreiben muss, oder ob es um eine deutsche Showgeschichte geht, die komödiantischen Inhalt mit Songs aus der Motown-Ära verbindet. Der Spaß liegt auch in den bekannten Songs begründet. Sie garantieren verlässlich gute Stimmung im Publikum, gleich ob Schlager, Pop oder Rock ’n’ Roll. Gelegentlich ist auch ein wenig Selbstironie dabei, wie beim Erfolgsstück Ewig Jung, in dem das tic des Jahres 2048 die Szenerie bildet. Selbst im zum Altersheim umgebauten Theater rocken die Schauspielersenioren die Bühne, die als Gemeinschaftsraum dient.
Das bringt Sympathie, denn wer träumt nicht davon, auch im Alter noch »forever young« zu sein. Möge der Spaß noch lange anhalten, bei den Zuschauern wie beim tic-Team.
Leider beziehungsweise glücklicherweise sind die Vorstellungen oft ausverkauft. Eine frühzeitige Reservierung ist empfohlen.