FriesenFlut. Nané Lénard
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Читать онлайн книгу FriesenFlut - Nané Lénard страница 14
„Stimmt“, fiel Rita wieder ein, „die waren doch im letzten Jahr erst wegen der vergif…“, sie verschluckte den Rest des Satzes lieber.
„Erinnere mich bloß nicht daran“, stöhnte Oma
Pusch.
„Mich braucht ja wohl niemand mehr, oder?“, fragte Hinnerk eher rhetorisch. „Es wär aber schön, wenn ihr mich mit ins Boot nehmt, wenn es was Spektakuläres gibt oder wenn ihr einfach wieder mal meine Hilfe braucht.“
„Das ist ja wohl selbstverständlich“, sagte Oma
Pusch. „Schließlich verdanken wir den Fall doch überhaupt erst dir.“
Hinnerk strahlte. „Ja, genau. Dann werde ich jetzt duschen gehen, mir was Manierliches anziehen und nach Lina gucken. Wobei die ganz froh sein wird, ein bisschen Ruhe im Krankenhaus zu haben, schätze ich, bei diese neuen Nachbarn. Stimmt’s, Rita?“
„Zum Glück kriege ich davon nicht so viel mit, aber wer direkt daneben wohnt, der kann schon die Krise kriegen. Da gebe ich dir recht“, antwortete sie.
Nun war Oma Pusch hellhörig geworden. „Wieso weiß ich davon nichts?“
Rita machte ein betretenes Gesicht. „Du hattest immer so viel zu tun. Wir kamen beim Schmieren kaum zum Quatschen, weil immer wer am Tresen stand. Außerdem stecke ich mir meist was in die Ohren, wenn es zu unerträglich wird.“
„Wolltest du deswegen ein Wochenende mit mir verreisen?“, erkundigte sich Oma Pusch.
Verschämt nickte Rita. „Wegziehen will man ja nicht. Das ist wie eine Sturmflut oder ein Tsunami. Man kann nur hoffen, dass es vorbeigeht.“
„Feriengäste reisen doch immer wieder ab“, beruhigte Oma Pusch ihre Freundin. „Da haben wir doch auch schon so manches erlebt.“
„Es sind aber Friesen, Ostfriesen sogar, von Thunum oder so und nun unterhalten die das gesamte Süderriff mit ihren vier Rotzlöffeln“, schimpfte Rita. „Du weißt, ich habe wirklich nichts gegen Kinder, aber diese haben weder eine gute Kinderstube noch irgendwelches Benehmen. Keine Rücksicht auf ältere Menschen – weder jung noch alt. Beschämend ist das!“ Sie hatte sich richtig in Rage geredet.
„Da wird uns schon was einfallen“, versprach Oma Pusch.
Es klopfte. Vorsichtig öffnete Hinnerk die Tür. Er wollte sowieso gerade gehen, und mit den Behörden hatte er nichts am Hut. Also schlüpfte er gleich durch den Spalt und winkte nur noch einmal.
Der Finger hatte jetzt Vorrang. Anschließend würde Oma Pusch sich die Sache im Süderriff mal mit eigenen Augen ansehen. Schließlich hatte sie selbst fünf Kinder und 13 Enkel. Da wusste man Bescheid, wie der Hase lief.
Strandsucher
Zu ihrem Leidwesen mussten die Polizeibeamten Krischan Hansen und Martin Hinrichsen die Arbeiten am Strand überwachen. Schon die Absperrung war ein Fiasko gewesen, weil sie dauernd angesprochen worden waren und doch nichts sagen durften. Auf der Deichkrone standen nun die ganzen Gaffer. Sie glotzten auf die Bagger und Trecker. Dabei ersannen sie die tollsten Geschichten und tratschten sie weiter.
Manche hatten das Glück gehabt, eine Bank ergattern zu können. Andere hatten sich von ihren Campingplätzen Stühle nach oben geholt. Martin dachte bei sich, dass diese Leute einen Sockenschuss haben mussten, denn es passierte rein gar nichts, außer dass schwere Maschinen den Sand umgruben. Ihm war es ein Rätsel, wie man so eine belanglose Tätigkeit stundenlang beobachten konnte. Er selbst fand den ganzen Mist stinklangweilig und darüber hinaus höchst überflüssig, denn wenn man ein bisschen nachdachte, sprach alles dagegen, dass sie hier noch Leichenteile finden würden. Aber er war ja kein Kommissar und hatte nichts zu sagen. Wenn doch der Kopf so auffällig aus dem Sand geguckt und Oma Pusch dieser Finger in ihrem Kühlschrank so ins Auge gestochen hatte, musste man davon ausgehen, dass weitere Leichenteile ebenso sichtbar verborgen lagen. Er musste grinsen. Das hatte er schön gesagt. Es widersprach sich vom Wortlaut her, aber es war wirklich wahr. Jemand versteckte etwas so, damit man es fand, aber nicht so, dass es sofort auffiel. Hinnerk hatte ihm unlängst von dem ekeligen Kunstnagelfinger erzählt. Privat natürlich und außerhalb des Dienstes. Der alte Fischer war da ein bisschen komisch, aber das störte ihn nicht. Im Gegenteil, denn unter der Uniform war Martin Hinrichsen schließlich auch nur ein Mensch.
Oma Pusch hätte ihn und seine Theorie verstanden und ganz bestimmt unterstützt, wenn sie denn etwas von dem Schädel mitbekommen hatte. Wunderbarerweise war sie nirgends zu sehen gewesen. Auch jetzt nicht. Hinrichsen überlegte, ob ihn das stutzig machen sollte. Normalerweise war sie immer mit von der Partie. Das kam ihm komisch vor. Er konnte ja nicht ahnen, wie recht er hatte.
Fokke findet was
In der Rechtsmedizin gingen die umfangreichen Untersuchungen weiter. Enno stützte Fokkes These mittlerweile, dass es sich eher um einen Frauenkopf handelte, auch wenn er beileibe nicht so aussah. Die Augenhöhlen waren beim Skelett rundlicher, das Kinn spitzer.
Nun, die DNA-Untersuchung würde schließlich zutage fördern, mit welchem Geschlecht sie es hier zu tun hatten.
Inzwischen war auch der Finger eingetroffen, der vom Umfang her durchaus zu dem Schädel passen konnte. Aber Enno hatte schon Pferde … und das direkt vor der Apotheke. Er glaubte nichts, wenn es nicht bewiesen war und zwar schwarz auf weiß. Überlegen und fachsimpeln konnte man viel. Doch die Gerätschaften brachten immer Licht ins Dunkel.
Momentan brüteten Enno und Fokke über zwei milchigen Verschattungen im Röntgenbild, die sie sich nicht erklären konnten. Plötzlich hatte der angehende Rechtsmediziner eine Idee.
„Mensch, du, Enno, vielleicht hatte sie Watte oder so viskoelastische Ohrstöpsel drin“, überlegte er. Für ihn war es eindeutig eine Sie. „Die könnten reingerutscht sein.“
Enno schmunzelte. Das gefiel ihm, wie der Jüngere so voll bei der Sache war. „Dann empfehle ich dir, doch einfach mal nachzugucken.“
„Hab ich ehrlich gesagt schon“, gab Fokke zu, „ich war ja neugierig, aber bis dahin, wo ich mit dem Otoskop hingucken kann, da war nichts. Leider.“
„Dann müssen wir halt tiefer eindringen“, schlug Enno vor.
„Ja, dazu kommen wir doch gleich. Mir ist noch was aufgefallen. Guck mal, hier ist ein Hautdefekt, so als ob jemand etwas ,Tapete‘ herausgeschnitten hätte, also quasi nur die obere Schicht. Das sind doch eindeutig Messerspuren.“
„Tatkräftig“, wunderte sich nun auch Enno. „War vielleicht ein zu eindeutiges Erkennungsmerkmal. Eine große Warze, ein Muttermal, eine Narbe oder ein Tattoo, anhand derer die Person zweifelsfrei sofort zu identifizieren gewesen wäre. Ich könnte mir vorstellen, dass das nicht unbedingt im Sinne des Mörders war. Der will doch sicher Zeit gewinnen.“
„Ich will jetzt noch mal mit einer Sonde oder einem scharfen Löffel in den Ohren nachschauen. Vielleicht werde ich doch noch fündig, ohne den ganzen Kopf aufzusägen“, hoffte Fokke. „Wobei das auch ganz interessant wäre.“
Dazu schwieg Enno lieber. Etwas weniger Sägen und Sauerei kam ihm sehr entgegen.
„Probier