Corona Magazine #355: Dezember 2020. Uwe Anton
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Doch das war leider nicht das Ende der Geschichte.
Das wird man ja wohl noch sagen dürfen …
Star Trek war immer ein Kind seiner Zeit und setzte in seiner Handlung unterschiedliche Schwerpunkte. Da die reine Schilderung einer friedlich gewordenen Galaxis zumindest allein naturgemäß nicht für spannende Unterhaltung ausreichte, beleuchtete man in der Serie von Anfang an die nach wie vor bestehenden Konflikte der Wirklichkeit auf metaphorische Weise.
Wurde in der klassischen Originalserie vorwiegend der Kalte Krieg zwischen den beiden damaligen Supermächten thematisiert, ging es in Das nächste Jahrhundert oftmals um die immer weiter voranschreitende Automatisierung, während man in Star Trek: Deep Space Nine (1993–1999) den niemals völlig überwundenen Faschismus thematisierte. So widmete sich jede der neuen Serien den zentralen Themen ihrer jeweiligen Entstehungszeit.
Nachdem es eine ganze Weile den Anschein gemacht hatte, dass die (reale) Menschheit wirklich mit kleinen Schritten auf eine Zukunft à la Star Trek zugegangen sei, wendete sich das Blatt ausgerechnet mit Beginn des neuen Jahrtausends. Plötzlich gewannen überall auf der Welt radikale Ideologien, die viele Leute für längst überwunden gehalten hatten, wieder zunehmend an Kraft; plötzlich war wieder verstärkt die Rede von »uns« und den »anderen«, die nicht zu »uns« gehören – oftmals ohne klar zu definieren, warum und weshalb.
Als sei diese Entwicklung per se nicht schon bedrohlich genug, kristallisierte sich in der Star Trek-Fanszene ein ebenso belastendes wie merkwürdiges Phänomen heraus: Auch unter den Trekkies gab es plötzlich Leute, die besagten extremen Ideologien nicht abgeneigt schienen; der Autor dieses Artikels nennt sie nachfolgend hin und wieder die »andersdenkenden« Trekkies. Während der Großteil der Fans der Meinung war, dass dergleichen nicht mit der Roddenberry’schen Philosophie vereinbar sei, glaubten die andersdenkenden Trekkies, durchaus positive Entsprechungen bezüglich der jeweiligen aktuellen Situation im Star Trek-Universum gefunden zu haben.
War etwa die Sternenflotte nicht auch manchmal ziemlich rigoros gegen Eindringlinge von außen vorgegangen, die die Föderation zu unterwandern drohten? Und trat man Meinungen, die gegen das Oberkommando gerichtet waren, nicht auch in der Welt von James T. Kirk (William Shatner) und Jean-Luc Picard (Patrick Stewart) recht entschieden entgegen? Schließlich hatte dieser Arterhaltungstrieb ja nichts mit Extremismus zu tun. Natürlich war man gerade als (andersdenkender) Trekkie ja kein Faschist, aber …!
Sachlich betrachtet jedoch hinken alle diese Vergleiche, gerade in Bezug auf die Philosophie von Star Trek.
Roddenberry hatte bereits in den 1960er-Jahren bei der Konzipierung der klassischen Originalserie sehr klar Stellung bezogen, welche Haltung in ihr transportiert werden würde. Natürlich lassen sich manche Episoden unterschiedlich interpretieren und auf die eine oder andere Weise betrachten, doch zur Unterstützung von extremistischen Ideologien taugt keine einzige der darin getroffenen Aussagen.
Bele jagt Lokai
Eins der offenkundigsten und am meisten bezeichnenden Beispiele für die Haltung gegenüber dem Faschismus im Star Trek-Universum ist die Episode Bele jagt Lokai, Folge Nummer 15 der dritten Staffel der klassischen Originalserie. Die Crew der Enterprise nimmt das verletzte humanoide Alien Lokai (Lou Antonio) vom Planeten Cheron an Bord, dessen Haut auf der linken Körperseite schwarz und auf der rechten weiß ist. Einige Zeit später kommt das Alien Bele (Frank Gorshin) an Bord des Schiffs, dessen Körper ebenfalls eine schwarze und eine weiße Seite hat. Allerdings ist Beles Haut rechts schwarz und links weiß.
Im Lauf der Handlung muss die Enterprise-Crew erkennen, dass Beles Volk das von Lokai seit Jahrtausenden grundsätzlich allein wegen des geringfügigen Farbunterschieds unterdrückt und jagt. Am bitteren Ende bleibt die Erkenntnis, dass der unsinnige Krieg den Planeten Cheron schon lange verwüstet und unbewohnbar gemacht hat.
Deutlicher kann man es eigentlich nicht ausdrücken, oder? Die Gründe für den Faschismus in dieser Folge sind absolut nichtig und liegen in der Fehlannahme begründet, die unterjochte Gruppe nähme den Unterdrückern etwas weg und auch umgekehrt.
»Ganz so einfach ist es in der Wirklichkeit aber nicht!«, argumentieren besagte andersdenkende Trekkies da natürlich und nennen vielerlei Gründe dafür, warum in der Vergangenheit bis in die Gegenwart hinein bestimmte kulturelle und gesinnungsmäßige Gruppen ausgegrenzt und angegriffen werden.
Haltbar ist spätestens auf den zweiten Blick keiner dieser Gründe. Oder ist es etwa wirklich so gefährlich und bedrohlich, dass es unter Menschen mehr als nur eine einzige Hautfarbe gibt?
Vier Lichter … oder fünf …?
Auch in Das nächste Jahrhundert bezogen die Macher deutlich Position. Eine der eindringlichsten Folgen zum Thema Faschismus, diesmal mit Fokus auf dessen unmenschliche Methodik, ist die Doppelfolge Geheime Mission auf Celtris Drei – Teil 1 und Teil 2, die die zehnte und elfte Episode der sechsten Staffel darstellt. Picard gerät darin in die Fänge des sadistischen cardassianischen Gul Madred (David Warner), der ihn sowohl körperlich als auch seelisch foltert, um an geheime Informationen zu gelangen. Da Folter ein fester Bestandteil der cardassianischen Methodik ist, bringt Madred gar seine kleine Tochter zu einer der unmenschlichen Sitzungen mit.
Eins der Ziele ist das Brechen von Picards Willen: Ihm werden vier Lichter gezeigt, und der Folterer besteht darauf, es handle sich um fünf. »Ich sehe vier Lichter!«, brüllt ihm der Captain nach seiner Befreiung am Ende der Folge mit brechender Stimme ins Gesicht.
Aha, liebe andersdenkende Trekkies ... Ihr denkt, es würde gar nicht sonderlich schaden, wenn in diesem und auch in allen anderen Ländern der freien Welt eine Regierung an die Macht käme, die »härter durchgreift« als es die aktuelle Politik tut? Die »den anderen« nicht mehr alles durchgehen lässt und »da anpackt, wo es nötig wäre«? Darf man sich das Ganze in etwa so vorstellen wie in dieser Folge?
»Das sind schließlich die Cardassianer in der Serie, und da schwingt jede Menge echte Hollywood-Dramatik mit!«, sagen einige von euch.
Nein, die gezeigten Methoden sind allesamt echt und finden bis heute in totalitären Staaten auf dieser Welt ihre Anwendung. Staaten, denen ihr in euren Denkmustern zuweilen Vorbildcharakter zugesteht.
Schuldfragen
Eine der erschütterndsten Anklagen von Faschismus und Extremismus findet sich in Deep Space Nine. Die 19. Folge der ersten Serienstaffel, Der undurchschaubare Marritza wird mitunter sogar von Lehrpersonal zur Veranschaulichung der Thematik herangezogen.
Auf der Station will sich ein liebenswerter älterer Cardassianer gegen eine Erkrankung behandeln lassen. Es stellt sich heraus, dass der vermeintliche kleine Beamte Aamin Marritza (Harris Yulin) in Wahrheit der gesuchte Kriegsverbrecher Gul Darhe’el ist,