10 Mordprozesse aus Deutschland . Walter Brendel

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10 Mordprozesse aus Deutschland  - Walter Brendel

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Warum sie das überhaupt tat, wird man wohl nie wissen.

      Auch damals wussten die Leute bereits, dass es Bordelle gibt und dass dort Männer hingehen. Es zeigte aber auch welche Gesellschaft dahingeht und welche Gesellschaftskreise Kontakt zu Edelprostituierten suchten. Das fand man spannend, denn es einen ganzen Schleier vom bürgerlichen Geschwafel über Familie und christliche Werte. Das war damals so verlogen, wie es das auch heute noch ist.

      Es gibt eigentlich zwei Skandale. Zu einem, wie kann mal als Prostituierte so viel Geld verdienen, denn die Vermögenslage der Nitribitt wurde ja nach und nach bekannt und der zweite Skandal war, warum findet man den Täter nicht.

      Als der Mord an der Prostituierten Nitribitt bekannt wurde, empörte die Öffentlichkeit daran vor allem „die Tatsache, dass man damit reich werden konnte“, schreibt Christian Steiger in seiner akribisch recherchierten „Autopsie eines deutschen Skandals“. 1954 verdiente Nitribitt netto siebenmal mehr als ein durchschnittlicher Bundesbürger im Jahr brutto. Nitribitt vererbte ihrer Mutter 70 000 DM aus zehn Monaten Arbeit 1957. „Nur manche der Männer, die sie besuchen, verdienen mehr als Rosemarie Nitribitt“, so Steiger.

      Im Grunde hat Rosemarie Nitribitt nicht nur dem oberen Drittel Deutschlands Dienste erwiesen. Immerhin zeigte die Hure im Pelzmantel, dass die Deutschen wieder wer waren. Ein Callgirl nannte man in den Folgejahren eine Nitribitt, so wie man um ein Tempo bittet, wenn man ein Papiertaschentuch möchte.

      Der Druck auf die Ermittler ist gewaltig. Hinzu kommt die verworrene Spurenlage. Theoretisch kommt jeder Freier als Täter in Frage. Der Kreis der Verdächtigten ist so ungewöhnlich groß. Allein im Kalender der Nitribitt finden sich über 60 Namen. Es gab eine Unzahl von Spuren und von Hinweisen in aller Welt. Es gab griechische Offiziere, es gab britische Kaufleute, es gab eine britischen Schriftsteller, mit dem sie eine enge Beziehung hatte und der nicht wusste, wovon sie lebt und der dann furchtbar enttäuscht, weil er sich in Rosemarie ernstlich verliebt hatte. Es gab amerikanische Flugkapitäne, saudische Prinzen – eine riesige Anzahl von Kontakten.

      Das entscheidende am Fall Nitribitt ist, dass - wenn sie mit normalem Menschen Kontakt gehabt hätte – wäre es nicht so kompliziert gewesen. Aber die große Anzahl von Politikern, Wirtschaftsbossen, Generälen, Vorstandsvorsitzende – das war schon allerhand.

      Um möglichst viele der Freier zu befragen und Einzelheiten erfahren zu können, setzt die Polizei die Männer unter Druck, mir einem Aufruf in Radio. So im Hessischen Rundfunk am 03.11.1957: „In der Frankfurter Wohnung der 24jährigen Ermordeten Rosemarie Nitribitt ist eine große Anzahl Fotos von Männern und Frauen gefunden wurden, deren Personalien noch nicht festgestellt werden konnte. Die Frankfurter Kriminalpolizei fordert diese Personen in ihrem eigenen Interesse auf, sich umgehend zu melden, weil sich zunächst auf diesem Weg versucht werden soll, die Identität festzustellen.“

      Man wollte den Männern diskret zu verstehen geben, die Polizei zu kontaktieren, bevor sie selbst von Polizisten besucht oder angerufen werden. Absolute Diskretion wurde zugesichert.

      Vor allem die ganz prominenten Freier müssen sich um ihren Ruf keine Sorgen machen. Die Polizei nahm sich ihrer fast fürsorglich an - interessierten sich bei Industriellenerbe Gunter Sachs mehr für die Direkteinspritzung seines 300-SL-Flügeltürers als für sein Alibi und fanden das Alibi „Golfunterricht“ von Krupp-Erbe Harald von Bohlen und Halbach überzeugender als dessen Fingerabdrücke auf einer angebrochene Flasche Beaujolais in Nitribitts Wohnung. Harald von Bohlen und Halbach wurde extra an einem Sonntag im Frankfurter Polizeipräsidium vernommen und auch sonst kommen ihm die Mordermittler großzügig entgegen. Es wurde durch den rückwärtigen Eingang hereingelassen, dass er nicht den Fotografen, die am Haupteingang warteten, in die Hände fiel. Es war schon klar, dass die Ermittler die Vorgaben hatten, kein Aufsehen zu erregen und die prominenten Freier nicht allzu hart anzugehen.

      Unter Verdacht steht aber gleich die Putzfrau Erna Krüger. Sie macht widersprüchliche Angaben und sie hatte offenbar gerade Streit mit Nitribitt gehabt. Zudem wusste sie, dass die Prostituierte große Summen Bargeld in ihrer Wohnung aufbewahrte. Die Putzfrau wurde natürlich sehr eingehend befragt, die Polizei hat auch erkannt, dass es ein Tatmotiv geben könnte und das auch die Persönlichkeitsstruktur zur Tat passen könnte und letzten Endes haben auch die Spuren am Tatort, der sehr erbitterte Kampf, davon gesprochen, das natürlich auch eine Frau die Täterin sein konnte. Das wurde nie ausgeschlossen. Ist also die Putzfrau die Mörderin?

      Viele Männer geraten unter Verdacht. Angriffe gegen den Körper, den Hals sind immer ein Zeichen von Nähe zum Opfer, besonders auch beim Sexualverbrechen, aber in diesem Fall kann man davon ausgehen, dass eine solche Motivation beim Täter nicht vorlag. Täter und Opfer kennen sich in der Regel, wenn eine solche Tötungsart vorliegt.

      Einiges deutet daher auf Nitribitts Vertrauten Heinz Pohlmann hin. Er ist stets in Geldnot und weiß, dass Rosemarie viel Bargeld in der Wohnung hat. Die Liste seiner Vorstrafen ist lang. Im Krieg wurde er wegen Plünderungen in Frankreich verurteilt, später fällt er öfters wegen Betrug und Urkundenfälschung auf, und auch ganz aktuell ist Pohlmann in der Bedrängnis, denn er hat Geld seiner Firma veruntreut. Wieder droht ihm ein Strafverfahren, wenn er die Summe nicht schnell zurückerstattet. Und tatsächlich verfügt Pohlmann kurz nach dem Mord über große Mengen an Bargeld. Er kann dann schnell nach der Tat seine Schulden bei seinem Arbeitgeber begleichen. Er bringt als in sehr kurzer Zeit einen Betrag von 20 000 bis 22 000 DM auf, hat aber vorher Mühe, Rechnungen zu bezahlen.

      Die Ermittler lassen Pohlmanns Wohnung in Frankfurt, Röderbergweg 217, durchsuchen. Seinen plötzlichen Reichtum erklärt er mit widersprüchlichen Versionen. Die Beamten suchen nach einer mausgrauen Hose mit Flecken an den Knien, die er am Tattag noch in die Reinigung brachte. Rost- oder Blutflecken? Die Hose geht zu den Akten. Es lässt sich aufgrund der Reinigung kein Blut mehr nachweisen. Für Pohlmann spricht aber, dass er sich am 2. September selbst bei der Polizei gemeldet hat und er gibt zu, Rosemarie am Tattag in ihrer Wohnung besucht zu haben. Und auch ein Alibi scheint vorhanden zu sein, durch Besuche, der er bei einer Nachbarin durchgeführt hat. Zwei Stundenwill er allein zu Hause gewesen sein, dann kurz in einer homosexuellen Bar und einen Freund abgeholt haben. Das sind alles Angaben, die später überprüft werden aber nicht bestätigt werden können. Die Zeugen sagen zwar, dass es diese Treffen gegeben habe, aber man wisse nicht mehr den genauen Tag.

      Am Ende verhaftete man Pohlmann als Hauptverdächtigten du er sitzt 10 Monate in Untersuchungshaft. Pohlmann, der nicht mehr oder weniger verdächtig war als andere, aber wesentlich weniger wichtig und wohlhabend. Im Dezember 1958 kommt er jedoch wieder frei, da das Landgericht Frankfurt keinen dringenden Tatverdacht sieht. Der geschäftstüchtige Pohlmann verkauft seine Sicht der Dinge der Zeitschrift „Quick“ für 18 000 DM.

      Das war damals ein relativ großer Knaller, dass ein Tatverdächtigter seine Erinnerungen über das Mordopfer gegen Honorar ausbreitet. Pohlmann wittert bald die Chance auf noch mehr Geld. Mit einen Hamburger Anwalt verhandelt er über den Verkauf seines Wissens über Krupp. In einem geheimen Vertrag werden Pohlmann von einer Essener Firma 200 000 DM Schweigegeld geboten. Der beendet damit die Zusammenarbeit mit „Quick“. Begründer wurde es damit, dass die Zeitung das Tabu bricht und den Namen Harald von Bohlen und Halbach nennt, was er sich schon fast gewünscht hat, um aus der Belastung der Affäre herauszukommen.

      Ist es vorstellbar, dass ein Mörder so lange und standhaft seine Tat leugnet, bei der Polizei und bei der Presse? Und bei den Vorstrafen. Pohlmann ist ja eigentlich ein Betrüger und nun stellen Sie sich die Persönlichkeit eines Betrügers vor. Er muss ja andere überzeugen, etwas zu geben, was er unter normalen Bedingungen nicht machen würde. Und damit muss er überzeugend sein. Er spielt eine Rolle im Theater.

      Seine Bühne ist der Prozess. Knapp zweieinhalb Jahre später beginnt das Verfahren gegen Pohlmann. Die Staatsanwaltschaft war überzeugt, dass er der Täter ist und dass man auch die notwendigen Beweise dazu hat. Schon Tage vorher war in Frankfurt

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