Unheimlich. Ursula Isbel-Dotzler

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Unheimlich - Ursula Isbel-Dotzler

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      Ursula Isbel-Dotzler

      Unheimlich

      SAGA Egmont

      Unheimlich

      Copyright © 1994, 2018 Ursula Isbel-Dotzler und Lindhardt og Ringhof Forlag A/S

      All rights reserved

      ISBN: 9788711804612

      1. Ebook-Auflage, 2018

      Format: EPUB 2.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach

      Absprache mit Lindhardt og Ringhof gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk – a part of Egmont www.egmont.com

      Warte, bis es dunkel ist

      1

      „Du mußt mitkommen, Frankie“, sagte Kristin. „Ich fahre einfach nicht ohne dich!“

      „Sag das lieber meiner Mutter“, erwiderte ich düster. „Du weißt doch, wie ängstlich sie ist. Jedesmal, wenn ich ohne sie nur ein paar Kilometer von zu Hause wegfahre, steht sie Todesängste aus. Sie denkt immer gleich, ich würde entführt oder in den Orient verschleppt oder so.“

      Kristin lachte. „Aber von Schweden aus wird niemand in den Orient verschleppt! Wir werden ganz friedlich auf dem Land versauern, wo sich die Elche gute Nacht sagen.“

      „Elche?“ wiederholte ich. „Das sind doch diese riesigen Tiere mit den Geweihschaufeln auf dem Kopf? Laufen die dort frei herum?“

      Kristin nickte, daß ihr das lange blonde Haar wie ein Schleier vors Gesicht fiel. „Klar. In Schweden soll’s sogar noch Bären geben – oben im Norden, weißt du.“

      „Wenn du noch lange weitererzählst, komme ich bestimmt nicht mit“, sagte ich.

      „Ach was, das gilt doch nicht für Lilletorp. Da gibt’s nur blonde Bauern und rote Holzhäuser und Birkenwälder, Landluft und rosarote Schweinchen.“ Kristins blaue Augen sahen mich beschwörend an. „Wenn du nicht mitkommst, sterbe ich in den Ferien vor Langeweile, ich schwör’s dir! Dieses Lilletorp ist nicht mal auf der Landkarte eingezeichnet.“

      Ich seufzte. „Ich möchte ja mitkommen; und mein Vater würde mich sicher auch fahren lassen. Aber ich weiß nicht, wie ich meine Mutter überreden soll. Vier Wochen von zu Hause fort… Noch dazu eine so weite Reise! Sie wird sicher ein furchtbares Theater machen.“

      „Herrje, Frankie, in eineinhalb Jahren wirst du achtzehn. Deine Mutter muß sich daran gewöhnen, daß du bald erwachsen bist und deine eigenen Wege gehst“, sagte Kristin. „Verlaß dich nur auf mich, ich mach das schon. Sie weiß doch, daß mein Vater ein ernsthafter, achtbarer Mann ist, der den ganzen Tag über seinen Büchern sitzt. Zu einem Wissenschaftler hat sie bestimmt Vertrauen! Außerdem wohnt er jetzt in einem alten Pfarrhaus. Das ist doch ehrbar und anständig, dagegen kann sie nichts einzuwenden haben! Eine Haushälterin gibt’s da auch, und schließlich bin ich auch noch da. Komm jetzt, wir gehen gleich zu ihr und erledigen das.“

      Und Kristin nahm mich an der Hand, energisch wie immer. Dann gingen wir ins Haus meiner Eltern, um die Schlacht gemeinsam zu schlagen.

      2

      Die Ferien hatten angefangen, und gewisse Unerfreulichkeiten wegen der Zeugnisse waren überstanden. Ich kniete vor der Kommode in meinem Zimmer und schichtete Unterwäsche in den Koffer.

      „Nimm warme Sachen mit“, sagte meine Mutter von der Tür her. „In Schweden soll es schon früher als bei uns Herbst werden, die Leute machen dort ja auch eher Urlaub als wir. Ach Gott, wenn ich daran denke… Du vergißt doch nicht, mir jede Woche zu schreiben, Frankhild?“

      Ich nickte automatisch. „Wenn nur Kristins Mutter mitfahren würde, dann wäre ich beruhigt!“ sagte meine Mutter zum wiederholten Mal.

      „Aber das geht eben nicht“, erwiderte ich erschöpft. „Du weißt doch, daß Kristins Eltern schon seit ewigen Zeiten geschieden sind. Ihre Mutter lebt hier mit einem anderen Mann zusammen. Da kann sie doch nicht einfach Urlaub bei ihrem geschiedenen Mann machen! Außerdem fährt Kristin schon seit acht Jahren jedesmal allein in den Ferien zu ihrem Vater, und sie ist immer heil und gesund zurückgekommen.“

      „Ja, aber bisher hat Professor Zetterlund in Stockholm gelebt! So eine Großstadt ist schließlich etwas anderes als ein einsames Dorf auf dem Land!“

      Ich schob die Kommodenschublade zu und richtete mich auf. „Allerdings, das ist wirklich etwas anderes. In Großstädten gibt’s Mord und Totschlag, und auf dem Land passiert höchst selten etwas, das ist der Unterschied.“

      Das wirkte. Meine Mutter sagte nichts mehr. Sie ging in die Küche, um Reiseproviant für mich vorzubereiten. Ich packte meinen Koffer und die Reisetasche in Ruhe fertig.

      Dann rief Kristin an. „Du, wir sollten am besten morgen schon eine Stunde vor der Abfahrt am Bus sein“, sagte sie. „Dann können wir uns die Plätze noch aussuchen. Und geh früh ins Bett, damit du ausgeschlafen bist. Wir sind immerhin ungefähr zweiunddreißig Stunden unterwegs; schlafen kann man im Bus sowieso kaum.“

      Wider Erwarten schliefen wir nach zehnstündiger Fahrt im Europa-Bus doch, wenn auch unruhig und unbequem. Es gab viel zuwenig Platz für unsere Knie und unsere Füße; ab und zu wachte ich davon auf, daß Kristin meine Schulter als Kopfkissen benutzte. Ich träumte von einem düsteren Haus inmitten eines riesigen Waldes, in dem Kristins Vater wie die Hexe im Märchen von Hänsel und Gretel hauste.

      Gerade als der Traum richtig ungemütlich wurde, wachte ich auf und stellte erleichtert fest, daß wir in Hamburg waren. Hinter den Busfenstern war es schon dunkel. Kristin packte ihren Proviant aus.

      Nachts auf der Fähre nach Malmö wurde ich seekrank, obwohl eigentlich kein besonders hoher Seegang war. Ich kauerte auf einem Stuhl im Gang und fühlte mich sterbenselend.

      Kristin versuchte mich zu trösten. „In ein paar Stunden hast du’s überstanden“, sagte sie.

      Ich murmelte, daß ein paar Stunden eine verdammt lange Zeit sein können, und schloß die Augen wieder. Gerade jetzt wünschte ich mir, ich wäre zu Hause geblieben, doch das sagte ich ihr natürlich nicht.

      Als wir früh am nächsten Morgen endlich wieder festen Boden unter den Füßen hatten und in den Bus zurückkehren konnten, war ich heilfroh und dankbar.

      „Du siehst aus wie Entengrütze“, sagte Kristin aufmunternd.

      Da mir nun schon einmal so elend war, vertrug ich auch das Busfahren nicht mehr. Den ganzen Tag kauerte ich wie ein Häufchen Elend auf dem Sitz, aß keinen Bissen und warf nur ab und zu einen gequälten Blick aus dem Busfenster. Kristins Begeisterung über die Wälder und Seen, das Meer und die schwedischen Dörfer konnte ich nicht teilen. Ich wäre am liebsten ausgestiegen und hätte mich in den Straßengraben gelegt.

      Keiner konnte erleichterter sein als ich, als wir gegen Abend endlich

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