Nelly - Ein Gespenst geht um!. Ursula Isbel-Dotzler

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Nelly - Ein Gespenst geht um! - Ursula Isbel-Dotzler Nelly

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      Ich schwöre bei meiner Ehre

      Wir sitzen auf einem gefällten Baumstamm am Rand des Bärentalwaldes. Auf dem Rösslehof wollte Sammy nicht bleiben. August und Molly sind mitgekommen. Molly sitzt auf Sammys Schoß.

      „Sie haben die ganze Nacht nur Zoff gehabt“, erzählt Sammy. „Ich hab’s voll durch die Wände gehört. Heute wollen sie zum Anwalt gehen und die Scheidung einreichen.“

      Sammys Eltern vertragen sich nicht mehr, das weiß ich schon lange. Jetzt ist die Kacke offenbar total am Dampfen. Sammy tut mir Leid. Ich überlege, wie ich ihr helfen könnte, aber mir fällt nichts ein. Irgend so einen blödsinnigen Spruch wie „mach dir keine Sorgen, das wird schon wieder“ will ich jedenfalls nicht ablassen.

      „Sie haben darüber geredet, bei wem ich nach der Scheidung leben soll“, erzählt Sammy weiter. Jetzt rollen ihr dicke Tränen über die Wangen. Ich lege den Arm um ihre Schulter und drücke sie an mich.

      „Mist und Scheißdreck!“, sage ich mitfühlend.

      „Mein Vater will, dass ich bei ihm bleibe. Aber er sagt, er zieht nach Basel zu meiner Großmutter.“

      Erschrocken sehe ich sie von der Seite an. „Nach Basel! Echt?“, sage ich. „Aber dann musst du ja von hier fort!“

      Sie nickt und fährt sich mit dem Handrücken über die Nase. Ich ziehe ein Taschentuch aus meiner Hosentasche und gebe es ihr.

      „Das können sie nicht mit mir machen“, höre ich sie durch das Taschentuch hindurch murmeln. „Ich lass mich nicht einfach so rumschieben wie ein Sofa oder einen Fernseher. Ich gehe nicht weg von Schwarzbach. Das ist doch mein Zuhause, hierher gehöre ich. Woanders will ich nicht leben!“

      „Dann bleibst du eben bei deiner Mutter“, erwidere ich.

      Sammys Stimme ist jetzt ganz leise. Ich denke, ich habe mich verhört. „Was? Sie will nach München ziehen? Du, das ist ja total weit weg! Viel weiter als Basel! Da fährt man mindestens fünf Stunden mit dem Auto …“

      „Weiß ich doch“, sagt Sammy. „Die können mich mal, du. Sollen sie doch machen, was sie wollen, aber mit mir nicht! Ich lass nicht zu, dass sie einfach so über mich bestimmen.“

      „Und was willst du dagegen tun?“, frage ich. Aber ich ahne schon, was jetzt kommt.

      „Ich mach die Flatter, das hab ich doch gesagt.“

      „Aha. Und wohin denn?“

      „Erst mal nach Freiburg.“

      „Nach Freiburg!“ Ich erschrecke. „Da kennst du doch keinen Menschen! Und wo willst du wohnen? Hast du überhaupt Geld? Sammy, mach bloß keinen Mist!“

      „Klar hab ich Geld. Hundertdreißig Mark. Und ich wohne erst mal in der Jugendherberge. Das hab ich mir schon überlegt.“

      „Mit hundertdreißig Eiern kommst du nicht weit.“

      „Vielleicht kannst du mir ja was leihen?“

      „Klar“, sage ich. „Alles, was ich habe.“ Das sind genau hundertvierundsiebzig Mark und achtzig Pfennige. Dass ich eigentlich auf einen Sattel für Lady spare, sage ich nicht. Schließlich ist Sammy meine beste Freundin.

      „Aber trotzdem kannst du nicht einfach so abhauen und irgendwo in der Stadt rumhängen. Du weißt doch, was da so alles passiert. Da sind diese Fixer und Dealer und jede Menge fiese Typen, die scharf auf Jugendliche und Kids sind.“

      „Ich kann schon auf mich aufpassen!“

      Das überzeugt mich nicht. Ich fange an, auf Sammy einzureden. Alles ist besser als abzuhauen, sage ich. Sie soll mit ihren Eltern sprechen und ihnen klarmachen, dass sie sie nicht einfach zwingen können von hier fortzugehen.

      „Die hören doch nicht auf mich“, behauptet Sammy und schnaubt in mein Taschentuch.

      „Also, du, wir gehen jetzt zu Kathi und erzählen ihr alles.“ Kathi ist meine Mutter. „Sie soll zu deinen Eltern gehen und ihnen sagen …“

      Sammy unterbricht mich. „Quatsch, das nützt doch nichts! Du darfst kein Wort sagen, versprich, dass du keinem was verrätst! Du musst dichthalten! Schwöre bei deiner Ehre!“

      Schließlich, nach langem Hin und Her, schwöre ich, dass ich nichts sage, weder meinen Eltern noch sonst wem, obwohl ich das für dumm halte. Denn besonders Kathi ist sehr begabt, wenn es darum geht, durchgedrehte Leute zur Vernunft zu bringen. Ich schwöre aber nur unter der Bedingung, dass Sammy verspricht, sich das mit der Flatter noch ein paar Tage zu überlegen.

      „Aber was soll ich dann machen?“, fragt sie. „Bei euch auf dem Rösslehof kann ich nicht bleiben, da suchen sie mich doch zuerst.“

      Das sehe ich ein. „Wie wär’s mit dem Mattenhof? Toni wird erst in drei Tagen aus dem Krankenhaus entlassen und die Lise ist ganz allein. Bei ihr könntest du vorerst bestimmt wohnen.“

      „Das ist zu verdächtig. Auf dem Mattenhof finden sie mich auch“, antwortet Sammy. Doch jetzt merke ich an ihrer Stimme, dass ihr etwas eingefallen ist.

      „Du“, sagt sie, „die kleine Berghütte droben auf dem Eulenkopf – wird die eigentlich noch vermietet?“

      Ich überlege. Die Eulenkopfhütte war früher mal eine Alm, wo ein alter Senner mit den Kühen aus den umliegenden Bauernhöfen den Sommer über hauste. Als der Senner starb, wurden die Kühe nicht mehr auf die oberen Bergweiden getrieben. Die Hütte wurde nur ab und zu an Urlauber vermietet.

      „Ich glaube nicht, dass da noch jemand wohnt“, sage ich. „Die Hütte ist schon ein bisschen baufällig, das habe ich im Frühling gesehen, als wir mal mit meinen Eltern auf den Eulenkopf gewandert sind.“

      Sammy nickt. „Okay. Dann verstecke ich mich erst mal da oben. Aber du musst jeden Tag kommen und mir Vorräte bringen und so.“

      „Schon“, sage ich. „Aber meinst du nicht, dass die Hütte abgeschlossen ist? Wie sollen wir reinkommen?“

      Wir sehen uns ratlos an. Dann will Sammy wissen, ob wir einen Dietrich im Haus haben.

      „Einen was?“, frage ich.

      „Einen Dietrich. Das ist so ein Ding, mit dem man Türen aufbringt, wenn man keinen Schlüssel hat. Es ist einfach ein Stück starker Draht, der irgendwie zurechtgebogen wird. Ungefähr wie ein kleiner Schürhaken. Mein Vater hat so was.“

      Was ein Schürhaken ist, wissen wir beide, weil es bei uns im Schwarzwald fast in jedem Haus einen Kachelofen gibt. Und einen Schürhaken braucht man zum Feuermachen.

      Ich denke scharf nach. „Könnte schon sein, dass wir auch so was haben“, sage ich dann. „Im Werkzeugkasten vielleicht. Soll ich mal nachsehen?“

      Sammy nickt. Jetzt ist ihr Gesicht nicht mehr so düster. Sie hat auch aufgehört zu weinen. „Gut, aber ich komme nicht mit. Ich warte hier auf dich. Mach schnell!“

      Das ist leichter gesagt als getan. Ich renne mit August über die Wiese, vorbei an den Pferden, und hoffe, dass mir keiner begegnet.

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