Der Bergpfarrer Paket 4 – Heimatroman. Toni Waidacher
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Schließlich rappelte er sich auf und stieg hinunter. Eigentlich fühlte er sich einigermaßen sicher. Zugegeben, der Polizeiwagen vorhin hatte ihn schon erschreckt. Aber seine Tarnung müßte schon noch funktionieren. Durch seine Flucht ins Gebüsch wollte er lediglich verhindern, daß die Beamten vielleicht angehalten und ihn kontrolliert hätten. Auch wenn seine falschen Papiere wasserdicht waren – immerhin hatte er sie von einem Mann anfertigen lassen, der als As in seinem Fach galt – wollte er doch kein Risiko eingehen. Immerhin stand ja auch zu vermuten, daß die deutschen Behörden Marias Telefonanschluß abhörten, um ihm so auf die Spur zu kommen. Aus diesem Grund hatte er es vermieden, die gekauften Karten für das Handy bis zum letzten Cent zu vertelefonieren. Die verschiedenen Nummern hatten die Polizei bestimmt verunsichert.
Alles in allem fühlte der Mann, der als einziger wußte, wohin die dreißig Millionen Euro verschwunden waren, sich sehr sicher.
Er klopfte sich den Schmutz von der Kleidung, ordnete das Haar und marschierte ins Dorf hinein. Gleich nachdem er die ersten Häuser passiert hatte, sah Gebhard das Schild eines Wirtshauses. Davor standen Tische und Stühle, und er beschloß draußen zu essen, um nicht vielleicht von dem Wirt in ein Gespräch gezogen zu werden. Kaum hatte er sich gesetzt, kam auch schon ein junges Madel und brachte eine Speisekarte. Gebhard bestellte ein großes Glas Apfelschorle, das Wasser in seiner Flasche war fast alle. Zudem war es warm geworden und schmeckte ohnehin nicht mehr. Auf der Tageskarte standen nur wenige Gerichte, und er wählte ein Wiener Schnitzel, das mit Kartoffelsalat gereicht wurde. Als das Essen kam, verzehrte Gebhard es mit Behagen und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und trank noch einen Kaffee. Der Ort schien nicht von Touristen überlaufen zu sein. Außer ihm saß sonst niemand im Straßenlokal, und durch die geöffneten Fenster hatte er zuvor gesehen, daß der Gastraum nur mäßig besucht war.
Gerne hätte er ein wenig geschlafen und überlegte, ob er das Risiko eingehen konnte, nach einem Fremdenzimmer zu fragen. Doch dann entschied er sich dagegen. Er mußte zusehen, daß er Verbindung mit Maria bekam und nach Deutschland wechselte. Natürlich würde es zu einer Aussprache mit ihr kommen, das war ihm klar, genauso, wie er zu wissen glaubte, daß Maria nicht mit Vorwürfen sparen würde. Aber er war auch davon überzeugt, daß sie mit ihm gehen würde, wenn er ihr erst einmal schmackhaft gemacht hatte, was man mit so viel Geld alles anfangen konnte.
Freilich hätt’ ich schon längst fort sein können, dachte Thorsten Gebhard. Aber so eine Frau, wie die Maria, die trifft man nur einmal im Leben, und die gibt man nicht auf!
Er verlangte nach der Rechnung und zahlte. Das Trinkgeld fiel nicht zu üppig aus, aber er zeigte sich auch nicht knauserig damit. Das Madel wünschte ihm noch einen guten Tag und räumte sein leeres Glas ab. Thorsten Gebhard war sicher, daß sich die junge Frau später nicht mehr an ihn erinnern würde.
In einer Seitenstraße fand er einen Krämerladen. Als die ältere Frau, die gerade einkaufte, bezahlt hatte und nach draußen kam, ging er hinein. Der Laden schien aus dem letzten Jahrhundert zu stammen. Hier wurde noch am Tresen bedient. Gebhard erstand eine Dauerwurst, ein Stück Hartkäse, etwas Brot und zwei Flaschen Wasser. Der alte Mann, der ihn bediente, schien zu einem Schwätzchen aufgelegt und erkundigte sich nach dem Woher und Wohin. Der Millionendieb machte gute Miene zum bösen Spiel und erzählte, daß er von Süden heraufgekommen wäre und weiter nach Salzburg wollte.
»Und das alles zu Fuß«, sagte der Ladenbesitzer und nickte anerkennend. »Respekt!«
Gebhard verabschiedete sich und ging weiter. Vergeblich hielt er nach einem Postamt Ausschau. Ein Geschäft zu finden, in dem er ein neues Handy kaufen konnte, darauf hoffte er ohnehin nicht. Nicht in dieser Gegend. Endlich sah er das Gebäude, in dem die Post untergebracht war. Sie hatte zwar über Mittag geschlossen, aber immerhin konnte man den Fernsprecher benutzen, der gleich neben der Tür angebracht war. Gebhard suchte nach Kleingeld und warf ein paar Münzen ein. Seine Hände zitterten ein wenig, als er die Nummer wählte. Indes verzichtete er darauf, in Marias Wohnung anzurufen, und versuchte es gleich auf ihrem Handy.
Es dauerte eine Weile. Von seinen vorherigen Versuchen wußte er, daß es mindestens sechsmal läutete, bevor die Mobilbox ansprang. Hoffentlich ging sie jetzt ran. Hatte er die anderen Male die Botschaft hinterlassen, Maria solle die angezeigte Nummer zurückrufen, so hatte er diesmal nicht die Möglichkeit dazu. Sein Mobiltelefon schwamm in einem See.
Nach dem fünften Klingeln klickte es in der Leitung, und er hörte Marias Stimme.
*
Sie spazierten durch das Dorf, und Maria zeigte Wolfgang das Haus, in dem sie aufgewachsen war. Auch jetzt kehrten viele Kindheitserinnerungen wieder zurück. Manchmal begegneten ihnen Leute, die sie grüßten. Die junge Frau erwiderte die Grüße durch ein Lächeln und Kopfnicken, aber sie blieb nicht stehen, um mit den Menschen zu reden. Nachdem sie ihre Runde gedreht hatten, lenkten sie ihre Schritte zum Dorf hinaus. Eine prächtige Kulisse bot sich ihnen, als sie eine Wiese hinaufstiegen. Zum Greifen nahe schienen die Berge zu sein.
»Bist schon mal da oben gewesen?« fragte Wolfgang und deutete auf die Zwillingsgipfel »Himmelsspitz« und »Wintermaid«.
»Oft«, entgegnete Maria. »Pfarrer Trenker ist sehr viel mit uns aufgestiegen, als wir noch Jugendliche waren.«
»Er scheint mir sehr sportlich zu sein«, bemerkte der Beamte. »Irgendwie entspricht er so gar nicht dem Bild, das man gemeinhin von einem Landpfarrer hat.«
Sie lachte.
»Nein, wirklich net. Weißt du, wie man ihn nennt? Den Bergpfarrer. Schon in frühester Jugend ist er auf die Berge geklettert. Sein Studium hat er finanziert, indem er als Bergführer arbeitete, und da droben kennt sich niemand besser aus, als er.«
Sie setzten sich auf eine Bank, die am Wegesrand stand. Einen Moment lang schwiegen sie, dann ergriff Wolfgang das Wort.
»Wenn das alles hier vorüber ist, dann würd’ ich dich gern’ besser kennenlernen«, sagte er.
Maria nickte.
»Ja, das möcht’ ich auch«, antwortete sie.
»Weißt du, manchmal frage ich mich, ob es überhaupt der richtige Beruf ist, den ich ergriffen habe«, sinnierte er. »Abgesehen von dem ganzen Elend, das ich im Laufe der Jahre gesehen hab’, die vielen kleinen und großen Verbrechen, mit denen ich konfrontiert wurde, fühle ich, daß mein Mißtrauen den Menschen gegenüber immer mehr gewachsen ist. Und das ist kein schönes Gefühl.«
Maria verstand, was er damit sagen wollte. Wahrscheinlich kam bei jedem Menschen irgendwann der Punkt, an dem er sich die Frage stellte, ob wirklich alles richtig war, was er machte.
»Du weißt ja nix von mir«, fuhr er fort. »Aber vielleicht interessiert es dich, daß ich eigentlich net der Mensch bin, der ein geselliges Privatleben führt. Manchmal denk’ ich, ich sei mit meinem Beruf verheiratet. Es gab ein paar Beziehungen, die letztendlich daran gescheitert sind, daß ich ständig im Dienst bin, jederzeit abrufbar. Während andere am Wochenende in ihrem Garten arbeiten oder einen Ausflug ins Grüne unternehmen, sitz’ ich zu Hause und warte darauf, daß vielleicht das Telefon klingelt und ich zu einem Tatort gerufen werde.«
Bitterkeit und Resignation schwang in seinen Worten mit. Maria griff unversehens nach seiner Hand und drückte sie. Sie schauten sich an, und es war ganz selbstverständlich, daß sich ihre Gesichter näherten.
Der Kuß war liebevoll, und