Der Herr auf der Galgenleiter. Hugo Bettauer
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Читать онлайн книгу Der Herr auf der Galgenleiter - Hugo Bettauer страница 4
Herr Siegel, der wie vom Schlag gerührt war, obwohl er schon seit geraumer Zeit Unheil ahnte, wollte sofort ins Bureau kommen, aber Herr Lustig hielt ihn mit den Worten davon ab: ›Es hat keinen Zweck. Ich bin todmüde und werde mich jetzt auch nach Hause begeben. Morgen, zeitig früh, werden Sie mich im Bureau finden.‹
Nun, man hat ihn auch gefunden. Als die Reinmachefrauen um sieben Uhr kamen, hing Herr Lustig als Leiche an dem Spiegelhaken in seinem Zimmer.«
Der Buchhalter begann neuerlich zu schluchzen. Lothar stierte geistesabwesend vor sich hin und sprach unhörbar wohl zehnmal die Worte in sich hinein: »Ich habe ja gar kein Geld, was soll ich anfangen?«
Der Hauptkassier, Herr Holzer, und der Prokurist Siegel kamen in Begleitung eines Polizeikommissärs aus dem Hause. Siegel blieb bei Leichtwag stehen und sagte mit erstickter Stimme: »Herr Doktor, Sie sind auch ein Opfer dieses trügerischen Wüstlings, wie der arme Herr Lustig und tausende andere.«
Lothar aber wandte sich mit einem verzerrten Lächeln an den Kassier: »Herr Holzer, gerade heute wollte ich ein paar Millionen beheben. Geht das nun nicht, wirklich nicht?«
Der Kassier lachte gereizt auf.
»Ihnen ist gottlob zum Spaßen zumute! Mir nicht. Fünfzigtausend Kronen und ein paar Briefmarken sind noch da und die hat das Gericht auch mit Beschlag belegt. Die Tresors und die Möbel werden gerade für die ersten Anwaltsspesen ausreichen!«
Da die Menschen schreiend, weinend, schimpfend herandrängten, ordnete der Polizeibeamte die Schließung des Tores an, und Lothar stand wieder draußen, von Hunderten umringt, die Nachrichten hören wollten und ihn mit aufgeregten Fragen bestürmten. Ein junger Bursch drängte sich dicht an ihn heran, ein älterer Herr, den Lothar gut kannte, packte ihn am Arm und schrie: »Hundert Alpine habe ich bei den Gaunern gehabt! Was sagen Sie zu solcher Gemeinheit?«
Lothar machte sich los, sagte achselzuckend, während ihm der Speichel im Munde zusammenlief: »Was soll man sagen? Ich muß jetzt gehen, es ist spät!«
Griff automatisch nach seiner Taschenuhr. Sie war weg. Klar und deutlich erkannte Lothar, daß der Bursch, der sich vorhin an ihn herangedrängt, ihm die Uhr gezogen hatte.
»Also bin ich ein Bettler«, sagte sich Lothar laut, als er nun aus dem Bereich der Menschen war, und schlich langsam, gebeugt, mit schlotternden Knien, das Rückgrat gesteift vor Schrecken und Aufregung, die Wollzeile hinunter gegen den Stubenring.
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