Ein Junggeselle zum Verlieben. Melody Carlson

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Ein Junggeselle zum Verlieben - Melody  Carlson

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Schule gegangen war. Wie sehr hatte sich die Welt seither verändert. Das Gebäude allerdings, das damals neu und modern gewesen war, hatte sich kaum verändert.

      Doch manche Dinge änderten sich eben nie. Im Laufe der Jahrzehnte hatte er beobachtet, dass die Teenager jedes Jahrzehnts sich auffallend ähnlich verhielten. Entfernte man die Schicht der jeweiligen Trends und Modeerscheinungen, kam in der Regel eine frustrierte Mischung aus Aufsässigkeit und Unsicherheit zum Vorschein. Und auch in seiner Generation war das so gewesen, wie er fairerweise eingestehen musste.

      Er erinnerte sich noch sehr gut an das Ende der 70er-Jahre. Auch in seiner Klasse hatte es Aussteiger, Faulpelze und Leute gegeben, die Drogen nahmen, doch seine Altersgenossen erschienen ihm auch jetzt noch, nach so vielen Jahren, viel authentischer als die Jugend der heutigen Zeit. Möglicherweise war seine Erinnerung durch das Alter getrübt, doch wenn er in der Zeit zurückblickte, sah er in der Jugend damals eine Authentizität, die er bei den Jugendlichen heute vermisste.

      Vielleicht weil es damals diese elektronischen Geräte noch nicht gegeben hatte. Alle seine Schüler besaßen diese neumodischen Tablets und Pods und Handys. Obwohl während des Unterrichts keine elektronischen Geräte erlaubt waren, hielten sich nur die wenigsten Schüler an diese Regeln. Manchmal machte ihn das verrückt.

      Was war nur passiert, dass die Kommunikation mit Freunden so unpersönlich geworden war? Auch wurde nur noch selten ein richtiges Gespräch geführt. Er verstand nicht, dass die Jugendlichen ständig diese Kurznachrichten mit schlechter Grammatik und dämlichen kleinen Bildern austauschten. Und wenn er seiner Klasse die Aufgabe stellte, einen Brief zu schreiben, hagelte es Beschwerden. Als hätte er von ihnen verlangt, sich die Augen auszureißen – oder ihre Handys zu zerstören.

      Neulich in der Klasse hatte er wirklich den Eindruck gehabt, Zombies vor sich sitzen zu sehen. Als wären die Jugendlichen innerlich abgestorben – nur noch eine leere Hülle. Er war altmodisch, das war ihm bewusst, aber in seinem tiefsten Innern war er der Überzeugung, dass die Computertechnologie dieser Generation ihre Seele gestohlen hatte. Und letztlich hatte diese Erkenntnis nur bestätigt, was er bereits gewusst hatte – dass es Zeit war auszusteigen.

      2

      Eine unerwartete Nervosität erfasste Willow West, als sie sich den Besucherausweis an ihre gebatikte und mit Spitze eingefasste Tunika heftete. Ihr Enkel Collin bezeichnete dieses Kleidungsstück als Hippiebluse, und jetzt fragte sie sich, ob sie sich für diesen Termin nicht doch lieber etwas konservativer hätte kleiden sollen. Wie auch immer, jetzt war es zu spät, und sie hatte ihren Besuch hier schon lange genug vor sich hergeschoben. Eigentlich hätte sie diese Sache bereits vor einem Monat in Angriff nehmen sollen. Aber als sie hörte, dass Mr Emerson in den Ruhestand gehen würde, wurde ihr klar, dass es allerhöchste Eisenbahn war. Wenn sie wollte, dass er Collin eine Empfehlung schrieb, musste sie ihr Anliegen an ihn herantragen. Die Ferien begannen in einer knappen Woche, und ein wenig Zeit musste sie ihm schon geben.

      Während Willow sich einen Weg durch die zu den Ausgängen drängenden Jugendlichen bahnte, fühlte sie sich wie ein Fisch auf dem Trockenen oder zumindest, als würde sie stromaufwärts schwimmen. Der Geruch in dem überfüllten Flur war eine Mischung aus Schweiß, stinkenden Tennisschuhen, billigem Parfüm … und etwas, das sie nur als jugendliche Angst beschreiben konnte. Oder es waren die Hormone der Jugendlichen, die außer Kontrolle waren.

      Sie drängte weiter. Irgendwie kam sie sich vor wie ein Eindringling, und sie hoffte inständig, dass Collin sie nicht entdeckte. Das wäre ihm bestimmt peinlich, oder er bekäme einen Schrecken und hätte Angst, dass etwas passiert sei. Ihr Vorhaben hatte sie für sich behalten. Sie kannte ja Collins Ehrgeiz und seine Neigung, sich in Kleinigkeiten hineinzusteigern, und sie wollte ihn nicht durch ihre Verschrobenheit, wie er das nannte, beunruhigen. Die vorsichtige Herangehensweise ihres Enkels an das Leben war sehr liebenswert, aber für sie auch ein wenig verstörend.

      Sie kam an der Vitrine mit den Siegespokalen vorbei, und Willow war erstaunt, wie wenig sich an der Warner High verändert hatte. Sogar die Poster schienen noch dieselben zu sein. Sie hatte Collin zwar gelegentlich an der Schule abgesetzt, aber das Gebäude hatte sie seit Jahren nicht mehr betreten. Nicht mehr seit ihrer eigenen Schulzeit vor vielen Jahren. Sie hoffte nur, dass es kein Fehler war, ohne einen Termin einfach vorbeizukommen.

      Zu ihrer Zeit war es in der Schule jedenfalls nicht so förmlich zugegangen. Dass sie nun einen Besucherausweis mit Foto bekam und ihre große Baumwolltasche von einem Sicherheitsbeamten durchsucht wurde, war ihrer Meinung nach ein Alarmzeichen. Es machte sie traurig, wenn sie sich vorstellte, was Collin Tag für Tag über sich ergehen lassen musste, obwohl er bestimmt mittlerweile daran gewöhnt war.

      Willow kam an den Verwaltungsräumen vorbei und überlegte, ob sie dort nach dem Weg fragen sollte, aber alle wirkten beschäftigt. Und eigentlich kannte sie sich doch aus. Wenn sich die Anordnung der Räume nicht wesentlich verändert hatte, was sie bezweifelte, dann fand sie die Sprachenabteilung im ersten Stock gleich rechts.

      Oben auf der Treppe stand ein junger Sicherheitsbeamter, der sie neugierig musterte. Willow lächelte ihn an, und auf einmal überfiel sie eine überraschende Unsicherheit, beinahe als rechnete sie damit, bei einem Regelverstoß ertappt zu werden. Dieses Gefühl schwappte vermutlich nur aus ihrer Erinnerung hoch. Zu ihrer Schulzeit war sie ständig mit einem schlechten Gewissen herumgelaufen, zum Beispiel damals, als sie und Shelly Hanson dabei erwischt worden waren, wie sie in der Toilette Gras geraucht hatten. Du meine Güte, was hatten sie sich nur dabei gedacht. Bei dem Gedanken lachte sie in sich hinein.

      Entschlossen ging sie an dem uniformierten Sicherheitsmann vorbei und betrat die Sprachenabteilung. Sie benahm sich kindisch, das war ihr bewusst. Schließlich hatte dieser dumme Zwischenfall mit dem Gras 1980 stattgefunden! Und zum Glück hatte sie nicht lange damit herumexperimentiert. Seit mehr als 30 Jahren hatte sie das Zeug nicht mehr angerührt. Geschockt stellte sie fest, dass ihre Jugendzeit tatsächlich schon so lange zurücklag. Vielleicht machte sie sich selbst etwas vor, aber meistens fühlte sie sich noch recht jung – nicht wie Anfang 50, sondern eher wie Ende 30. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie daran dachte, wie oft sie für Collins Mutter gehalten wurde und erklären musste, dass sie seine Großmutter war.

      Während sie nach Mr Emersons Klassenraum suchte, hoffte sie, dass sie sich nicht umsonst auf den Weg gemacht hatte. Vielleicht hätte sie doch vorher anrufen und sich vergewissern sollen, dass er auch tatsächlich da war. Und hoffentlich machte sie auf ihn nicht den Eindruck einer übereifrigen Großmutter, falls sie ihn denn wirklich antraf. Doch wenn Mr Emerson bereit war, ihrem Enkel irgendwie zu helfen, dann war es jede Anstrengung wert.

      Endlich hatte sie den richtigen Klassenraum gefunden. Sie spähte durch das schmale Fenster neben der Tür in den Raum. Das Licht war eingeschaltet. Ihre Hoffnung stieg. Womöglich war er noch in der Schule.

      Sie probierte, den Türgriff herunterzudrücken, doch leider war die Tür verschlossen. Was war nur heutzutage in den Schulen los? Wurde wirklich alles und jeder hinter Schloss und Riegel gehalten? In ihrer Verzweiflung klopfte sie an die Metalltür, und als sich nichts tat, pochte sie noch einmal mit aller Kraft dagegen.

      Schließlich öffnete sich die Tür zum Büro, und zu ihrer Erleichterung trat ein dunkelhaariger Mann heraus. Er war schlank und mittelgroß und blickte sie mit zur Seite gelegtem Kopf fragend an. Hoffentlich hatte sie sich nicht im Raum geirrt. Aus irgendeinem Grund hatte sie einen kahlköpfigen, korpulenten älteren Mann erwartet. Aber dieser Herr in Tweedjacke, dezent farbigem Hemd und schmaler Krawatte wirkte irgendwie jünger. Er erinnerte sie an einen Schauspieler aus einer TV-Sendung der 60er-Jahre – vielleicht war er aber auch ein Ehrengast in Mad Men gewesen.

      „Guten Tag?“ Mit einem freundlichen, aber neugierigen Lächeln öffnete er die Tür.

      Willow bemerkte seine leicht ergrauten Schläfen

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