Ein Junggeselle zum Verlieben. Melody Carlson
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„Interessant.“
„Mögen Sie Kunst?“ Neugierig blickte sie ihn an. Er wirkte auf sie nicht wie ein großer Kunstkenner.
„Ich glaube, dass es mit der Kunst wie mit der Schönheit ist – sie wird mit dem Blick des Betrachters erkannt. Ich bin ganz bestimmt kein Experte, aber ich weiß genau, was mir gefällt.“
Erneut griff sie in ihre Tasche und zog einen Werbeflyer für die Ausstellung am Abend heraus. Wie ihre Visitenkarte war auch er etwas zerknittert. „Dann haben Sie vielleicht Interesse an dieser Veranstaltung.“
Seine Augenbrauen zogen sich in die Höhe, als er den Flyer überflog. „Ein Kunstspaziergang?“
„Ja. Er beginnt heute Abend um sieben. Es gibt kleine Häppchen, Musik und viel Spaß. Alle hier aufgeführten Galerien werden bis neun Uhr geöffnet haben. Wir haben die Veranstaltung Letzter Freitag genannt. Ich hoffe, dass unser Angebot angenommen wird und wir das jeden Monat anbieten können. In Bezug auf die Kunst muss Warner unbedingt endlich aufwachen.“ Sie lächelte. „Das ist einer der Gründe, warum ich wieder hierhergezogen bin.“
„Um Warner aufzuwecken?“, fragte er verwundert.
Sie lachte leise. „So ähnlich.“ Sie knipste ihre Tasche zu und richtete sich auf. „So, ich möchte Ihnen jetzt nicht mehr länger die Zeit stehlen, Mr Emerson.“ Sie trat einen Schritt zurück und hielt kurz inne, sodass er Gelegenheit hatte, sie aufzufordern, ihn doch beim Vornamen zu nennen. Als er das jedoch nicht tat, dankte sie ihm für seine Bereitschaft, Collin eine Empfehlung zu schreiben, und verabschiedete sich fröhlich.
Während sie durch den jetzt verlassenen Flur lief, dachte sie über Mr Emerson nach. Er war so ganz anders als alle anderen Leute, die sie kannte. Und in ihrem Leben hatte sie schon viele Menschen kennengelernt. Aber wie tickte dieser seltsame Mann? Und warum war er so steif und zugeknöpft … und wirkte so traurig? Doch die drängendste Frage war: Warum übte er diese seltsame und unerwartete Anziehung auf sie aus und wie um alles in der Welt sollte sie damit umgehen?
3
Bis zum Abend hatte sich George eingeredet, dass er nur zu dieser Kunstveranstaltung auf der Main Street ging, weil sie ihm einen Vorwand bot, Lorna Atwoods immer noch ausstehende Einladung zum Abendessen ablehnen zu können. Die Behauptung, er hätte andere Pläne, war eine Notlüge gewesen. Aber jetzt hatte er an diesem Abend tatsächlich etwas vor. Die Herausforderung bestand nur darin, das Haus zu verlassen, ohne Lorna dabei erneut über den Weg zu laufen.
George hatte seinen geliebten schwarzen Tweedblazer, ein hellblaues Hemd und eine burgunderfarbene Krawatte gewählt. Jemand hatte ihm einmal gesagt, die Farbe Blau würde seine Augen besonders hervorheben. Nicht dass das heute Abend einem Menschen überhaupt auffallen würde. Doch als er durch sein Küchenfenster spähte, um zu sehen, ob Lorna Atwood auf der Lauer lag, fühlte er sich gut angezogen. Ihre hell erleuchtete Veranda schien verlassen zu sein, und so setzte George seinen Lieblingshut auf und schlüpfte zur Tür hinaus.
In einem Punkt hatte Lorna Atwood recht gehabt – der Wettermann hatte Regenschauer für den Abend angekündigt, und tatsächlich zogen bereits Wolken am Himmel auf. Darum nahm George zur Vorsicht noch einen Regenschirm mit.
„Mr Emerson“, rief Lorna mit einem Hauch von Siegesfreude in der Stimme, als er das Haus verließ. „Wie nett, Sie heute Abend zu sehen.“
„Guten Abend“, erwiderte er kurz angebunden, während er sich gleichzeitig fragte, wo sie auf einmal hergekommen war und wie schwierig es wäre, sich von ihrer Gesellschaft zu befreien. „Sie gehen aus?“
„Tatsächlich, so ist es“, flötete sie. „Da Sie heute nicht zum Abendessen kommen konnten, beschloss ich, heute Abend in die Stadt zu gehen. Ich habe gehört, dass es dort eine Veranstaltung mit Livemusik gibt. Sozusagen eine Eröffnungsveranstaltung für den Sommer.“
„Ach ja?“ George hielt inne.
„Gehen wir in dieselbe Richtung?“, fragte sie. „Vielleicht können wir einander unterwegs Gesellschaft leisten.“
„Ich, äh, wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen, mir ist gerade eingefallen, dass ich noch etwas vergessen habe. Etwas, das ich heute Abend mitnehmen muss.“
„Ich kann warten.“
„Nein, nein, gehen Sie ruhig ohne mich. Ich brauche noch ein paar Minuten, um es fertigzustellen.“ Er nickte ihr höflich zu, drehte sich abrupt um und eilte in sein Haus zurück. Er hatte das Gefühl, gerade einem Geschoss ausgewichen zu sein, und war sehr erleichtert, dass er nicht wirklich gelogen hatte. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass es bereits fast halb sieben war. Er durfte jetzt keine Zeit mehr verlieren.
George ging schnurgerade zu seiner Schreibmaschine, die ihn durch das College begleitet hatte. Das Schreiben, das er bereits am Nachmittag begonnen hatte, war noch in der Maschine eingespannt und schon fast fertig. Ohne seinen Hut abzunehmen, setzte er sich an seinen Schreibtisch und tippte die letzten beiden Zeilen, anschließend zog er das Blatt vorsichtig aus der Maschine, überflog schnell noch einmal den Text und setzte seine Unterschrift darunter. Während er die Seite ein wenig herumschwenkte, damit die Tinte schneller trocknete, plagten ihn Gewissensbisse. Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, Willow West das Empfehlungsschreiben schon heute Abend zu geben, aber es war nun mal ein willkommener Vorwand gewesen, Mrs Atwood aus dem Weg zu gehen.
Nachdem die Tinte getrocknet war, faltete er den Brief vorsichtig zusammen, steckte ihn in einen Umschlag und schrieb Miss Willow West darauf. Er fragte sich, warum sie wohl ihren Mädchennahmen behalten hatte, aber vermutlich hatte das etwas mit ihrer künstlerischen Laufbahn zu tun. Und es war ja auch wirklich ein klangvoller Name. Er steckte den Umschlag in die Innentasche seines Jacketts. Bestimmt war Lorna Atwood mittlerweile schon lange fort, und so machte er sich auf den Weg in die Stadt.
Da sich die Galerie von Willow West auf der anderen Seite des Ortes befand, beschloss George, auf direktem Weg dorthin zu gehen. Damit war hoffentlich die Gefahr nicht so groß, Lorna Atwood auf ihrem Spaziergang zu begegnen. Auf den Bürgersteigen zu beiden Seiten der Main Street waren erstaunlich viele Fußgänger unterwegs. Aus den geöffneten Türen einiger Läden drang Musik zu ihm herüber und die mit kleinen Lichterketten geschmückt Eichen neben der Straße verliehen der Stadt ein festliches Aussehen.
Etwas beklommen betrat George die Galerie von Willow West. Er fühlte sich beinahe wie ein unerwünschter Eindringling, der in eine Zusammenkunft hineinplatzte, zu der er nicht eingeladen war. Aber das war natürlich lächerlich, denn Miss West hatte ihn ausdrücklich eingeladen. Außerdem hatte er etwas für sie dabei. Die Galerie war ziemlich geräumig, hell erleuchtet und erstaunlich gut besucht. Die Gäste standen in kleinen Gruppen zusammen, und die meisten Besucher hatten Getränke und kleine Schnittchen in der Hand und plauderten miteinander, als wäre dies eine Party. Vielleicht kam er ja tatsächlich ungelegen.
Mit den verschiedenen Stell- und Trennwänden, die Willow aufgestellt hatte, wirkte die Galerie beinahe wie ein Labyrinth, aber George bemühte sich, sich an die Galeriebesucher anzupassen, und vertiefte sich in die verschiedenen Gemälde, Skulpturen und Stoffkreationen. Auch wenn eine ganze Reihe der Ausstellungsstücke Willow Wests Namen auf den kleinen weißen Erklärungskärtchen trugen, so schienen die meisten doch von anderen Künstlern geschaffen worden zu sein. Und die Preise der Kunstwerke kamen ihm unerhört hoch vor. George konnte sich irren, aber er bezweifelte, dass jemand in Warner so viel Geld für Kunst ausgeben würde.
„George