144. Der Krone versprochen. Barbara Cartland
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»Nur ziemlich herrisch. Und einen Moment lang dachte ich, ich würde es nicht schaffen, Chloris zu retten.«
»Aber du, du - hast mich gerettet? Ich darf John heiraten?« drängte Chloris.
Ihre Mutter nickte.
»Oh, danke Mutter, danke! Aber wie konnte die Königin nur auf etwas so Grausames - so Schreckliches kommen wie den Versuch, uns zu trennen?«
»Du mußt daran denken«, sagte die Prinzessin leise, »daß die Königin vor allem die politische Situation in Europa im Auge hat.«
»Politik hin oder her«, wandte Giona trotzig ein, »wir sind auch Menschen, und die Königin hat kein Recht, uns wie Marionetten zu behandeln, die auf ihren Befehl hin zappeln!«
Prinzessin Louise, die bisher ihre ältere Tochter angesehen hatte, blickte nun auf die jüngere der beiden, die zu ihren Füßen saß.
»Ich weiß, wie du fühlst, mein Liebling. Aber du mußt begreifen, daß das Privileg, von königlichem Blut zu sein, auch Pflichten mit sich bringt, und daß man diesen Pflichten immer nachkommen muß.«
Giona hatte das schon früher gehört und sagte nur: »Aber du hast Chloris gerettet, Mama, und das war sehr, sehr klug von dir!«
»Sehr klug!« stimmte auch Chloris bei und wischte sich die Tränen ab, die ihr bereits bei dem Gedanken, was alles hätte passieren können, die Wangen hinuntergelaufen waren.
»Ja, du bist gerettet und kannst John heiraten«, sagte Prinzessin Louise, »und die Königin hat versprochen, für dein Hochzeitskleid und einen Teil deiner Aussteuer aufzukommen.«
Chloris’ Schrei war ein reiner Freudenschrei. Sie rannte zu ihrer Mutter, umarmte und küßte sie.
»Du bist großartig, Mama! Wie hast du das nur so wunderbar geschafft? Ich weiß nicht, wie ich dir je danken kann, und ich bin sicher, John wird dir auch danken wollen.«
Die Prinzessin reagierte nicht so freudig bewegt, wie es ihre Töchter eigentlich erwarteten, und Giona fragte: »Was ist los, Mama? Ich sehe doch, daß dich noch etwas bedrückt.«
Prinzessin Louise schaute auf Gionas Hand in der ihren und sagte mit sanfter Stimme: »Wie du gesagt hast, ich habe Chloris gerettet, aber Ihre Majestät plant immer noch, die Unabhängigkeit Slawoniens zu retten.«
Wieder entstand ein kurzer Moment bedeutsamer Stille, bevor die Prinzessin fortfuhr: »Ihre Majestät wies mich darauf hin, daß sie zur Zeit keine jungen Verwandten im heiratsfähigen Alter hat, außer Chloris und natürlich dich, Giona!«
Chloris verschlug es für einen Moment den Atem. Giona jedoch war plötzlich ganz still, und ihre Finger wurden in der Hand der Mutter ganz steif.
»Hast du gesagt... mich, Mama?«
»Ja, mein Liebstes. Ich glaube, du bist zu jung, was ich auch Ihrer Majestät sagte. Aber da sie bereits das Zugeständnis gemacht hatte, daß Chloris König Ferdinand nicht heiraten muß, gab es nichts, was dagegen sprach, daß du es tun wirst.«
»Ich kann es nicht glauben!« hauchte Giona.
Während sie sprach, erhob sie sich von den Knien und ging zum Fenster, als bekäme sie keine Luft mehr.
Als sie Giona da gegen das helle Sonnenlicht stehen sah, wurde sich Prinzessin Louise wieder bewußt, wie schmal und kindlich ihre Tochter noch war. Und dennoch war es unmöglich gewesen, sich dem Druck, den die Königin auf sie ausgeübt hatte, zu widersetzen.
»Giona ist viel zu jung, Madame«, hatte sie protestiert, »und obwohl ich die große Ehre zu schätzen weiß, die Ihre Majestät uns mit diesem Heiratsvorschlag macht, ist es doch wirklich ganz unmöglich.«
»Was soll das heißen - unmöglich?« hatte die Königin kühl gefragt.
Die Prinzessin hatte ihre Worte sorgfältig gewählt, da sie wußte, daß jedes von größter Wichtigkeit war.
»Giona wird im nächsten Monat erst achtzehn, Madame. Sie hat bisher ein sehr ruhiges Leben geführt und, wie auch Ihre Majestät gut weiß, noch an keinen gesellschaftlichen Veranstaltungen teilgenommen.«
Prinzessin Louise hatte eine kurze Pause gemacht; sie wußte, daß die Königin aufmerksam zuhörte. Aber der unbewegte Gesichtsausdruck verriet ihr, daß Ihre Majestät keinerlei Mitgefühl empfand.
Schnell fuhr sie fort: »Ich wollte Sie, Madame, gerade bitten, sie an einem offiziellen Tee teilnehmen zu lassen. Ich hoffte, daß sie auf diese Weise zu einigen der Bälle eingeladen würde, die diese Saison für die anderen Debütantinnen gegeben werden.«
Es hatte eine kurze Pause gegeben, bevor die Königin geantwortet hatte: »Ich hätte es vorgezogen, Chloris nach Slawonien zu schicken, aber wenn es unmöglich ist, das John Cressington gegebene Versprechen zu brechen, dann muß Giona an ihrer Stelle fahren.«
»Aber, Ihre Majestät, sie ist doch viel zu jung!« hatte Prinzessin Louise noch einmal lahm protestiert.
»Es ist keine Frage von Jugend oder Alter, meine liebe Louise«, hatte die Königin erwidert, »sondern die Frage, was am besten für Slawonien ist.«
Und nach einer eindrucksvollen Pause hatte sie weitergesprochen: »Die Wahl liegt zwischen einer jungen Königin einerseits und der Unterwerfung unter die mächtigen österreichisch-deutschen Zielvorstellungen andererseits; die Österreicher und die Deutschen würden Slawonien am liebsten in der langen und ständig wachsenden Reihe der abhängigen Staaten sehen.«
Da hatte Prinzessin Louise gewußt, daß sie besiegt war, und jetzt sagte sie zu den beiden Mädchen, die sie fassungslos anblickten: »Es gab nichts, was ich tun konnte, nichts außer zuzustimmen.«
»Aber Mama, wie kann ich in Slawonien leben, wenn das bedeutet, daß ich so weit weg von dir sein werde, und wie kann ich einen Mann heiraten, den ich noch nie vorher gesehen habe?«
»Vielleicht magst du ihn ja, wenn du ihn das erste Mal triffst«, sagte Chloris zaghaft. »Schließlich wird er doch herkommen, und vielleicht verliebst du dich in ihn. Du bist doch nicht etwa in irgendjemand anderen verliebt?«
Giona wußte, daß Chloris nur deshalb so zuversichtlich sprach, weil sie erlöst und glücklich war, daß nicht sie den slawonischen König heiraten mußte.
Prinzessin Louise fühlte sich plötzlich sehr müde und lehnte sich in ihren Sessel zurück.
Dann sagte sie leise: »Ich fürchte, es besteht überhaupt keine Aussicht, daß der König hierher kommt oder daß wir ihn überhaupt vor der Hochzeit sehen werden.«
Giona drehte sich zu ihr um.
»Was sagst du da, Mama?«
»Ihre Majestät hat sich vom Botschafter überzeugen lassen, daß die Situation prekär ist und sofortiges Handeln geboten scheint. Sie hat deshalb entschieden, daß du nach Slawonien fährst, sobald wir deine Aussteuer zusammen haben. Es wird eine offizielle Hochzeit in der dortigen Kathedrale geben, um der Bevölkerung klar vor Augen zu führen, daß König Ferdinand von Großbritannien unterstützt wird und daß Königin Viktoria ihm wohlgesonnen ist.«
Giona