Incels. Veronika Kracher
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Incels - Veronika Kracher страница 4
Der Begriff »Meme« hat seinen Ursprung in dem von Richard Dawkins 1976 veröffentlichten Buch Das egoistische Gen und beschreibt einen kulturellen Code, der sich, einem Gen ähnlich, entwickelt, verbreitet und auch verändert. Inzwischen wird der Begriff »Meme« weitestgehend mit Internetphänomenen assoziiert. Die Kulturwissenschaftlerin Limor Shifman beschreibt ein Meme als »(a) eine Gruppe digitaler Begriffe, die gemeinsame Charakteristika in Inhalt, Form, und/oder Standpunkt teilen, die (b) im Gewahrsein auf andere Memes geschaffen wurden, und die (c) im Internet von vielen User*innen verbreitet, imitiert oder transformiert wurden.«11 Wir alle kennen und teilen Memes; sie sind zu einem integralen Bestandteil der modernen Kommunikation geworden, zu einem Code, der mittels eines Bildes über das Bild hinausgehende Inhalte und Botschaften vermitteln kann.
Neben ihrer alltäglichen Verwendung sind sie auch ein Mittel politischer Auseinandersetzung und spielen für die Alt-Right eine besondere Rolle. Bereits 2015 forderte der Trump nahestehende Strategieberater Jeff Giesea in der NATO-Publikation It’s time to embrace memetic warfare, Memes als politisches Mittel zu erkennen.12 Der Politikwissenschaftler Morris Kolman analysiert in seiner großartig mit I have no mouth but I must meme betitelten Studie, dass Memes, um eine gewisse Popularität zu erreichen und Klicks für ihre Seiten zu generieren, schnell verständlich, schnell teilbar und populär sein müssen. Politische Memes sind in sich geschlossene Botschaften und wesentlich einfacher zu rezipieren als etwas lästig Komplexes und von Widersprüchen Durchzogenes wie kritische Gesellschaftstheorie, die im schlimmsten Falle auch noch die Auseinandersetzung mit der eigenen Position innerhalb herrschender Verhältnisse verlangt. Memes werden in der Regel in einer politischen Echokammer konsumiert. Man kann sich mit den Inhalten und dem Netzwerk, auf dem das Meme gepostet wurde, identifizieren, und bekommt durch das Teilen des Memes vermittelt, man würde sich mit politischen Inhalten befassen oder gar politische oder theoretische Arbeit leisten.13
Gleichzeitig funktionieren Memes, gerade in einem Umfeld, das die eigene Klandestinität zelebriert, als eine Art »Erkennungszeichen«. Wer die obskuren Memes kennt, ist Teil einer »In-Group«. Nicht selten wird auf Boards wie 4chan, dem Ursprungsort zahlreicher Memes, darüber lamentiert, wenn die neueste Kreation von »Normies« entdeckt und adaptiert wurde. Die Alt-Right und White Supremacists schaffen immer wieder neue Memes, mit denen die Öffentlichkeit irritiert und vorgeführt werden soll. Ein Beispiel ist das »White Power«-Zeichen, das 2019 von der Anti Defamation League in die Liste der Hasssymbole aufgenommen wurde. Es ist das »Okay«-Handzeichen: Daumen und Zeigefinger bilden einen Kreis, die anderen drei Finger sind abgespreizt. Rechte haben es als Symbol adaptiert und posieren auf Fotos und Videos damit, um sich anderen »Eingeweihten« zu erkennen zu geben und so den Eindruck eines konspirativen Kollektivs zu erwecken. Memes (nicht nur) in Alt-Right-Kontexten haben also dreierlei Funktionen:
1.Das Vermitteln von auf den ersten Blick widerspruchsfreien, oberflächlichen Inhalten, denen jedoch eine tiefere ideologische Bedeutungsebene innewohnen kann, die nur Eingeweihten vorbehalten ist.
2.Die Identifikation der rezipierenden Person mit diesen Inhalten.
3.Das Schaffen eines Kollektivs, das sich mit dem Inhalt des Memes identifiziert und sich so von anderen abgrenzen kann.
Es verhält sich mit Memes also ähnlich wie mit den doch recht eigenen sprachlichen Codes der Alt-Right und der Manosphere: sie sind sowohl Mittel als auch Ausdruck einer Ideologie, die weit über das Wort oder Bild hinausgeht. Ich habe im Folgenden die gängigsten Memes von Incels aufgelistet sowie solche, die aus der Szene der White-Supremacists stammen, jedoch von Incels aufgegriffen wurden. Inzwischen sind viele dieser Memes aus ihrem 4chan-Kontext transzendiert und haben es in den Mainstream geschafft, wo sie, oftmals ungeachtet ihrer problematischen Herkunft, breitflächig rezipiert werden.
Rejected Doomer
Ein noch recht junges Meme ist der Rejected Doomer. Er ist ein Derivat des Anfang der 2010er Jahre etablierten »Wojack«- oder »Feels Guy«-Template: bei dem »Wojack« handelt es sich um die mit MS Paint gezeichnete Figur eines Mannes, der in der Regel Trauer, Frustration oder Einsamkeit ausdrückt. Der »Doomer« bezeichnet einen depressiven jungen Mann (es sind immer Männer, Frauen können für Incels lediglich als Projektionsflächen fungieren), der sich mit der allgemeinen Schlechtigkeit der Welt abgefunden hat. Er hat ein nihilistisches Weltbild, ist misanthropisch, und bleibt am liebsten für sich. Trotz allem bedauert er seine Einsamkeit, zieht sie aber der permanenten Enttäuschung vor, die ihn, seiner projektiven Betrachtungsweise nach, im zwischenmenschlichen Umgang erwartet. Das Meme spiegelt diese Enttäuschung wider: der Doomer stellt dem Objekt seiner Begierde eine Frage und wird von ihr enttäuscht – und somit in seinem Nihilismus wieder einmal bestätigt. Hass auf die Welt und die Mitmenschen werden so als Ausdruck von Weisheit, Abgeklärtheit und Lebenserfahrung kultiviert anstatt adäquat betrauert. Auch dieses Meme hat inzwischen seinen Ursprung transzendiert und wird auch in progressiven oder selbstironischen Kontexten verwendet, wie die Abbildung zeigt: Es greift satirisch auf, dass der reguläre Verfasser von Doomer-Memes Frauen unterstellt, sie hätten kein Interesse, sich mit Nischenthemen zu befassen, was als Sexismus entlarvt wird.
Rejected Doomer: eine klassische Version des Memes
Eine subversive Umkehrung und Kritik
Virgin/Chad
Wohl das Incel-Meme. Es stellt den jungfräulichen Versager neben den ihm in allen erdenklichen Kategorien überlegenen Chad, der als muskulös, selbstbewusst und mit einem sehr großen Penis ausgestattet dargestellt wird. Wie die meisten Memes hat auch »Virgin vs. Chad« seinen ursprünglichen Kontext inzwischen transzendiert und wird in der Regel verwendet, um einen Gegenstand in der Gegenüberstellung zu diffamieren; es ist oftmals ein Mittel der Polemik.
Eine neuere Version des Memes bedient sich des bereits referenzierten »Wojack«-Templates, das die überlegene Position des Chads noch verdeutlicht. Ausgehend von der antifeministischen Bezeichnung »Soyboy« für linke und profeministische Männer wird der Charakter des »Wojack« je nach Kontext als »Soyjack« tituliert, um aufzuzeigen, wie sehr ihn Feminismus verweichlicht hätte. Hier nimmt der Meme-Ersteller weniger selbstironisch die Rolle des Incels ein, sondern affirmativ die des maskulinen Chads, der dem Loser weit überlegen ist. Dieses Meme-Template wird auch regelmäßig verwendet, um stereotypisierte Darstellungen von weiblichem im Gegensatz zu männlichem Verhalten zu zeigen.
Der jungfräuliche Versager neben einem überlegenen Chad
Neuere Version des Memes: Soyboy vs.