Deutscher Herbst 2015. Alexander Meschnig

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Deutscher Herbst 2015 - Alexander Meschnig

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und Wohnraum konkurrieren müssen. Jedes noch so vorsichtig vorgebrachte ökonomische Argument, etwa die Frage, was wir in Europa denn mit Millionen von unqualifizierten Einwanderern anfangen sollen, wo doch die Arbeitslosigkeit insbesondere junger Menschen in den südlichen Ländern der EU dramatische Dimensionen angenommen hat, wird mit dem inzwischen inflationären Begriff »menschenverachtend« rasch abgebügelt. In den allermeisten Fällen betrifft die selbsternannten »edlen Seelen« die eigene Entscheidung weder finanziell noch lebensweltlich. Wird dennoch einmal – selten genug – ein Asylantenheim in der unmittelbaren Nähe des meist bürgerlichen und wohlhabenden Wohnumfeldes errichtet, ist der Aufschrei jedes Mal groß. Das geht nun aber doch nicht!

      Es gilt allgemein: Rassistisch, das sind immer die anderen, etwa diejenigen, die auch für sich ein Recht auf ein zivilisiertes Umfeld fordern und den Preis der massenhaften und ungesteuerten Zuwanderung zahlen müssen. Dass Menschen aus korruptionsverseuchten Ländern, die über keinerlei demokratische Tradition verfügen, vielfach in tribalistischen Strukturen leben und denken, sich auf wundersame Weise und ohne größere Konflikte in unser politisches System und seine Werte integrieren, mag zwar ein frommer Wunsch sein, aber die Realität der letzten Jahrzehnte zeigt eine andere Tendenz – sieht man einmal von den Medien und den meisten Parteien ab, die alles dafür tun, das schöne Bild der bunten Republik nicht zu zerstören. Warnungen vor einer allzu naiven Sichtweise gibt es, aber sie werden entweder ignoriert oder die Verkünder der Botschaft in die rechte, gerne auch rechtspopulistische Ecke gestellt. Bezeichnenderweise sind es Politiker der SPD (einst traditionell die Vertreter des »kleinen Mannes«) wie Thilo Sarrazin oder der ehemalige Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky, die den Bezug zur Realität der normalen Bürger noch nicht ganz verloren haben – eine Tatsache, die längst nicht mehr zutrifft für ihre Partei, die sich mehr und mehr für ihre ehemaligen Stammwähler schämt. Die intellektuelle und akademische Elite schweigt in der Regel oder entspricht bei allen wichtigen Fragen rund um Zuwanderung und Integration ganz dem Typus des Weberschen Gesinnungsethikers. Eine der wenigen kritischen Stimmen, der Politikwissenschaftler Herfried Münkler, vor Kurzem selbst zur Zielscheibe linksextremer Denunzianten geworden, skizziert die aktuelle Situation, die für die nächsten Jahre bestimmend sein wird, in nüchternen Worten:

      »Die größte sicherheitspolitische Herausforderung des 21. Jahrhunderts wird nicht in der Gefährdung von Grenzen durch feindliche Militärverbände, sondern im Überschreiten dieser Grenzen durch gewaltige Flüchtlingsströme bestehen, die, wenn sie massiv auftreten, nicht der wirtschaftlichen Prosperität Europas zugutekommen, sondern die sozialen Sicherungssysteme der europäischen Staaten überfordern und damit die soziale Ordnung in Frage stellen. Gleichzeitig ist Europa infolge seiner Wertbindungen nicht in der Lage, diese Flüchtlingsströme an seinen Grenzen zu stoppen und zurückzuweisen, wie man dies bei einem militärischen Angriff versuchen würde.«

      IV.

      Über die Konsequenzen eines derartigen Szenarios auf längere Sicht nachzudenken mag kaum jemand. Die allgemeine Forderung, alle »Flüchtlinge« – und als solche werden inzwischen alle hier Eintreffenden unterschiedslos bezeichnet – unabhängig von ihren Gründen und ihrer individuellen Disposition aufzunehmen, ist da viel bequemer und gibt einem zugleich ein gutes Gewissen. In den klassischen Einwandererländern wie den USA, Kanada oder Australien sind nach einer Phase ungeregelter Einwanderung längst Immigrationsgesetze in Kraft getreten, die Zuwanderer auf ihren praktischen Nutzen für die Aufnahmegesellschaft prüfen. Was ist daran verwerflich? Einwanderer, wohlgemerkt: nicht politisch Verfolgte, die asylberechtigt sind, haben in der Regel ökonomische Gründe, sich für ein Land zu entscheiden. Wieso soll das nicht umgekehrt ebenso gelten? In Deutschland ist aber schon die einfache Frage: Können wir die Leute, die zu uns wollen, brauchen? Sind sie sozial und kulturell zu integrieren?, weitgehend tabuisiert. Fragen nach dem, was Einwanderer (von politisch Verfolgten und Asylberechtigten zu unterscheiden) für uns bringen, gelten als unmenschlich.

      Woher kommt diese Weigerung, sich mit den konkreten Folgen des Zuzugs Hunderttausender auseinanderzusetzen? Warum soll alles eine Bereicherung sein, was von außen kommt, während das Eigene abgewertet wird? All das Gerede von der bunten Republik, von Diversitäten und kultureller Bereicherung soll uns letzten Endes suggerieren, dass wir froh sein sollen, nicht im nationalen Sumpf zu versinken, der direkt in den Faschismus führt. »Ausländer, lasst uns nicht mit den Deutschen allein« – dieser Slogan der 80er Jahre drückt die Sehnsucht nach dem Anderen und die Abwertung des Eigenen in aller Deutlichkeit aus.

      Man kann in der aktuellen Situation ein allgemeines Symptom erblicken, das man mit dem Begriff der Dekadenz beschreiben kann. Diese besteht in einer feindseligen Haltung gegenüber der eigenen Gesellschaft und ihrer politischen Ordnung bei gleichzeitiger Glorifizierung alles »Fremden«, kurz: in einem Mangel an Selbstachtung und einem Hass auf das Eigene. Der Selbsthass und die eigene Bußfertigkeit, die in der Abwertung des Eigenen eine Tugend erblickt, sind so tief in den kulturellen Traditionen unserer protestantisch geprägten Schuldkultur verwurzelt, dass etwa jegliche Kritik an der selbstzerstörerischen Asylpolitik als moralisches Versagen und herzlose Haltung erscheint. Europa, der geografische und politische Raum, in dem die Menschenrechte erfunden wurden, wird so wahrscheinlich an der strikten Einhaltung seiner humanistischen Grundsätze zugrunde gehen.

       20. September 2015

      DIE FRANZÖSISCHE KASSANDRA: JEAN RASPAIL

      I.

      In seinem visionären Roman Das Heerlager der Heiligen, 1973 auf Deutsch erschienen, beschreibt der französische Autor Jean Raspail das Eintreffen von einer Million der ärmsten Inder an der französischen Küste. Bei Abfahrt der Flotte, die sich von Kalkutta aus mit hundert schrottreifen Schiffen auf den Weg macht, weigert sich einzig Australien (!) mit Verweis auf seine Einwanderungsgesetze, die Notleidenden aufzunehmen, und wird dafür von der Weltgemeinschaft geächtet und moralisch ausgeschlossen. Südafrika hat, als Apartheidstaat, sowieso keinen Ruf mehr zu verlieren und droht angesichts der Flotte vom Ganges mit militärischen Mitteln. Die ablehnende Haltung der beiden Staaten hat den Effekt, dass die hundert Schiffe vom Kap der Guten Hoffnung Richtung Norden steuern, Richtung Europa. Eine ungewöhnlich gute Wetterlage lässt die geheime Hoffnung der europäischen Regierungen, die Schiffe der Elenden würden in einem Sturm untergehen, rasch schwinden. Während alle darauf hoffen, dass der Kelch der Invasion an ihnen vorüber gehen wird, überbieten sich die einzelnen Regierungen, aufgrund des Drucks der moralisch Aufrechten in ihren Ländern, gegenseitig in Solidaritäts- und Willkommensadressen an die Flotte der Unglücklichen. Tägliche Medienkampagnen und eine landesweite pädagogische Indoktrination der intellektuellen Eliten verhindern jegliche kritische Auseinandersetzung in der französischen Öffentlichkeit über die Folgen des Ansturms der Elenden. Diese sollen vielmehr die kapitalistische und rassistische weiße Kultur – unter der Parole »Wir alle sind Menschen vom Ganges« läutern und erlösen.

      Ein großer, landesweiter Wettbewerb unter dem Motto »Kinder zeichnen das Weltgeschehen« hat das Thema »Wir und die Gäste vom Ganges« zum Gegenstand. Künstler und Prominente, die heroisch auf ihr Golfturnier am Wochenende verzichten, fungieren als Schirmherren. Eigens komponierte Balladen und Lieder ergänzen die erbauliche Veranstaltung. Zahlreiche Petitionen von linken Organisationen, Kirchen und Migrantenverbänden fordern die französische Regierung dazu auf, die potenziellen Einwanderer herzlich willkommen zu heißen. Zur gleichen Zeit beschließen siebzehntausendzweihundertzwölf Oberschullehrer, den Unterricht am folgenden Tag mit einer Ansprache gegen Rassismus zu beginnen.

      Aus Gründen, die im Roman nicht näher benannt werden, steuert die »Armada der letzten Chance«, wie ein bekannter linker Aktivist die Flotte in einem Anfall von Geistesblitz nennt, tatsächlich auf die Küste Frankreichs zu. Noch bevor sie mit ihrer Fracht von Toten, Sterbenden und Zerlumpten die südfranzösische Küste erreicht, flieht die Bevölkerung in böser Vorahnung bereits nach Norden. Militär und

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