Der letzte Mensch. Mary Shelley

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Missbilligung und schließlich mit Widerwillen auf die Unklugheit und die Torheiten meines Vaters zu blicken. Dessen Anwesenheit konnte diese Wolken zwar zerstreuen; seine warmherzige Offenheit, sein glänzender Witz und sein vertrauensvolles Betragen waren unwiderstehlich: in einiger Entfernung jedoch, während immer neue Geschichten über seine Verfehlungen ins Ohr seines königlichen Freundes gegossen wurden, verlor er seinen Einfluss. Der Königin gelang es mit Geschick, diese Abwesenheiten zu verlängern und Beschuldigungen zusammenzutragen. Endlich wurde der König dazu gebracht, in ihm eine Quelle ständiger Unruhe zu sehen, und kam zu dem Schluss, dass ihm das kurzlebige Vergnügen seiner Gesellschaft langweilige Predigten und peinvolle Erzählungen von Exzessen, deren Wahrheit er nicht widerlegen konnte, einbrachte. Das Ergebnis war, dass er, um ihn zur Vernunft zu bringen, noch einen Versuch wagen und ihn im Falle des Misserfolges für immer abweisen wollte.

      Eine solche Szene muss von äußerstem Interesse und angespannter Leidenschaft gewesen sein. Ein mächtiger König, bekannt für eine herausragende Güte, die ihn bis dahin milde gestimmt hatte, und jetzt erhaben in seinen Ermahnungen, die mal als Bitten, mal als Rügen geäußert wurden, bat seinen Freund, sich seinen wahren Interessen zu widmen und sich zu entschließen, jenen Belustigungen zu entsagen, die ihn ohnehin bald verlassen würden, und seine großen Talente auf ein würdigeres Feld zu verlegen, in dem er, sein Souverän, ihm Stütze, Halt und Wegbereiter sein würde. Meinen Vater rührte diese Gewogenheit; für einen Moment schwebten ihm ehrgeizige Träume vor; und er dachte, dass es gut wäre, seine gegenwärtigen Beschäftigungen gegen edlere Aufgaben zu tauschen. Mit Aufrichtigkeit und Eifer leistete er das verlangte Versprechen: Als Unterpfand der fortwährenden Gunst erhielt er von seinem königlichen Herrn eine Geldsumme, um dringende Schulden zu begleichen und ihm zu ermöglichen, unter guter Aufsicht seine neue Laufbahn zu beginnen. In derselben Nacht, noch voller Dankbarkeit und guter Entschlüsse, ging diese Summe, und noch einmal so viel, am Spieltisch verloren. In seinem Bestreben, seine ersten Verluste wiedergutzumachen, riskierte mein Vater den doppelten Einsatz und zog damit eine Ehrenschuld auf sich, die er nicht begleichen konnte. Zu beschämt, um sich wieder an den König zu wenden, kehrte er London, seinen falschen Freuden und dem anhaftenden Elend den Rücken zu und vergrub sich, mit der Armut als seiner einzigen Begleiterin, in der Einsamkeit zwischen den Hügeln und Seen Cumberlands. Sein Witz, seine geistreichen Bemerkungen, der Ruf seiner persönlichen Reize, faszinierenden Manieren und gesellschaftlichen Talente wurden lange in Erinnerung behalten und weitererzählt. Wenn man fragte, wo dieser Liebling der Gesellschaft nun sei, dieser Gefährte der Edlen, dieser helle Lichtstrahl, der die Versammlungen des Hofes und der Heiterkeit mit unerhörter Pracht vergoldete, – hörte man, dass er ein verlorener Mann sei, der in Misskredit geraten sei; nicht einer dachte, dass es ihm zustehe, das anderen gewährte Vergnügen durch echte Dienstleistungen zurückgezahlt zu bekommen, oder dass sein langes Wirken als genialer Unterhalter die Auszahlung einer Pension verdiene. Der König beklagte seine Abwesenheit; er liebte es, seine Sprüche zu wiederholen, die Abenteuer, die sie miteinander erlebt hatten, zu erzählen und seine Talente zu erhöhen – hier aber endete seine Erinnerung.

      Derweil konnte mein vergessener Vater nicht vergessen. Er trauerte um den Verlust dessen, was ihm notwendiger war als Luft oder Nahrung – die Aufregung des Vergnügens, die Bewunderung der Edlen, das luxuriöse und geschliffene Leben der Großen. Ein Nervenfieber war die Folge, während dem er von der Tochter eines armen Häuslers gepflegt wurde, unter dessen Dach er wohnte. Sie war lieblich, sanft und außerdem freundlich zu ihm; auch kann es nicht verwundern, dass das frühere Idol der adligen Schönheit, selbst in seinem gefallenen Stande, dem niederen Häusler-Mädchen als ein Wesen von höherer und bewunderungswürdiger Art erscheinen sollte. Die Verbindung zwischen ihnen führte zu der unglückseligen Ehe, deren Spross ich war.

      Trotz der Zärtlichkeit und Sanftheit meiner Mutter beklagte ihr Ehemann noch immer seinen herabgewürdigten Stand. Nicht an körperliche Arbeit gewöhnt, wusste er nicht, auf welche Weise er zum Unterhalt seiner wachsenden Familie beitragen könnte. Zuweilen dachte er daran, sich an den König zu wenden; Stolz und Scham hielten ihn für eine Weile zurück; und ehe seine Bedürfnisse so dringlich wurden, dass sie ihn zu irgendeiner Betätigung zwangen, starb er. Für eine kurze Zeitspanne vor diesem Unglück blickte er in die Zukunft und betrachtete voller Angst die verzweifelte Lage, in der er seine Frau und seine Kinder zurücklassen würde. Seine letzte Bemühung war ein Brief an den König, voll berührender Beredsamkeit und gelegentlichem Aufblitzen jenes brillanten Geistes, der ein wesentlicher Teil von ihm war. Er überantwortete seine Witwe und Waisen der Freundschaft seines königlichen Gebieters und war es zufrieden, dass auf diese Weise ihr Wohlstand nach seinem Tode besser gesichert war als in seinem Leben. Dieser Brief wurde der Fürsorge eines Adligen anvertraut, der ohne Zweifel dieses letzte leichte Amt auf sich nehmen würde, ihn dem König in die Hand zu legen.

      Er starb verschuldet, und sein geringes Vermögen wurde sogleich von seinen Gläubigern beschlagnahmt. Meine Mutter, mittellos und mit der Bürde zweier Kinder belastet, harrte Woche für Woche und Monat für Monat in gespannter Erwartung auf eine Antwort, die nie kam. Sie hatte nie etwas anderes gekannt als die Hütte ihres Vaters; und das Herrenhaus des Gutsherrn war die vornehmste Art von Großartigkeit, die sie sich vorstellen konnte. Während mein Vater noch am Leben gewesen war, hatte er sie mit den Namen der Königsfamilie und des höfischen Kreises vertraut gemacht; aber solche Dinge, die nicht mit ihrer persönlichen Erfahrung übereinstimmten, erschienen ihr nach dem Verlust dessen, der ihnen Inhalt und Wirklichkeit eingehaucht hatte, vage und phantastisch. Wenn sie unter den gegebenen Umständen auch genügend Mut aufgebracht hätte, sich an die von ihrem Ehemann erwähnten adligen Personen zu wenden, so brachte sie doch der Misserfolg seines eigenen Ansuchens dazu, die Idee zu verbannen. Sie sah daher keinen Ausweg aus der bitteren Not: Ihre fortwährende Sorge, verbunden mit der Trauer um den Verlust des außergewöhnlichen Wesens, das sie weiterhin mit feuriger Bewunderung betrachtete, die harte Arbeit und ihre von Natur aus empfindliche Gesundheit erlösten sie schließlich von der traurigen Endlosigkeit des Mangels und Elends.

      Die Lage ihrer verwaisten Kinder war besonders trostlos. Ihr eigener Vater war Emigrant aus einem anderen Landesteil gewesen und schon lange gestorben; sie hatten keinen einzigen Verwandten, der sich ihrer angenommen hätte; sie waren Ausgestoßene, Arme, freundlose Wesen, denen nur das dürftigste Almosen zugestanden wurde, und die nicht einmal als Kinder von Bauern behandelt wurden, sondern als ärmer noch als jener Ärmste galten, der sie im Sterben der knauserigen Wohltätigkeit des Landes als ein undankbares Vermächtnis hinterlassen hatte.

      Ich, der Ältere der beiden, war fünf Jahre alt, als meine Mutter starb. Eine Erinnerung an die Reden meiner Eltern und die Botschaften, die meine Mutter mir in Bezug auf die Freunde meines Vaters mitzuteilen versuchte, in der vagen Hoffnung, dass ich eines Tages von dem Wissen profitieren könnte, schwebte wie ein undeutlicher Traum durch meinen Verstand. Ich stellte mir vor, dass ich anders und meinen Beschützern und Gefährten überlegen sei, aber ich wusste nicht, inwiefern oder weswegen. Das Gefühl der Verletzung, verbunden mit dem Namen des Königs und der Adligen, hing mir an; aber ich konnte aus jenen Gefühlen keine Schlüsse ziehen, die mir als Anleitung zum Handeln hätten dienen können. Mein erstes wirkliches Wissen über mich selbst besagte, dass ich ein schutzloses Waisenkind in den Tälern und Bergen Cumberlands war. Ich stand im Dienste eines Bauern; und mit einem Stab in der Hand und meinem Hund an meiner Seite hütete ich eine große Schafherde im nahen Hochland. Ich kann nicht viel Gutes über ein solches Leben sagen, und seine Qualen überstiegen bei Weitem seine Freuden. Es lag Freiheit darin, eine Gemeinschaft mit der Natur und eine sorglose Einsamkeit; aber diese, so romantisch sie waren, stimmten nicht mit dem Tätigkeitsdrang und dem Verlangen nach menschlicher Zuneigung überein, die charakteristisch für die Jugend sind. Weder die Aufsicht über meine Herde noch der Wechsel der Jahreszeiten genügten, um meinen regen Geist zu zähmen; mein Leben im Freien und die beschäftigungslose Zeit waren die Versuchungen, die mich früh zu gesetzlosen Gewohnheiten führten. Ich verband mich mit anderen, die wie ich ohne Freunde waren; ich formte sie zu einer Bande, ich war ihr Anführer und Hauptmann. Wir waren alle Hirtenknaben, und während unsere Herden über die Weiden verteilt waren, planten und verübten wir so manchen Schelmenstreich, der uns die Wut und die Rache der Bauern zuzog. Ich war der Anführer und Beschützer meiner Kameraden, und da

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