Descartes. Eine Einführung. Hans Poser
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Werfen wir einen kurzen Blick auf einige der Regeln. Die erste Regel verlangt die Ausrichtung der Erkenntniskraft (ingenium) auf das Ziel, unerschütterliche und wahre Urteile hervorzubringen. In der Erläuterung wird gesagt, [36]dies solle gleichermaßen für alle Wissenschaften gelten, weil die »menschliche Weisheit« unabhängig von ihrem Gegenstand »stets ein und dieselbe bleibt«.21 Das ist eine höchst ungewöhnliche Begründung für die Einheit der Wissenschaft, denn nicht die Sache – die Einheit des Kosmos oder die Einheit Gottes als letzte Ursache der Welt –, sondern das menschliche ingenium sichert die Einheit. Zwar ist diese Argumentation im Ramismus vorgeformt;22 dennoch bleibt die Wende zum Erkenntnissubjekt bemerkenswert, sind wir doch meist geneigt, eine solche Wende erst Kant zuzubilligen.
Erkenntnis, die nicht täuscht, beruht für den Descartes der Regulae nur auf Intuition und Deduktion.23 Dabei definiert Descartes folgendermaßen:
Unter Intuition verstehe ich nicht das Vertrauen in die unbeständigen Sinne oder das trügerische Urteil einer schlecht zusammensetzenden Anschauung [imaginatio], sondern einen so einfachen und deutlichen Begriff des reinen und aufmerksamen Geistes, daß über das, was wir einsehen, schlichtweg kein Zweifel mehr übrigbleibt. Oder, was dasselbe ist: einen zweifelsfreien Begriff des reinen und aufmerksamen Geistes, der allein im Licht der Vernunft seine Wurzeln hat und deshalb sogar gewisser ist als die Deduktion selbst, weil er einfacher ist [37]als sie, die ihrerseits freilich vom Menschen auch nicht verkehrt durchgeführt werden kann […].24
Hiernach gibt es eine einzige Geisteskraft als letzte Quelle aller zuverlässigen Erkenntnis – die Intuition. Ganz beiläufig gibt Descartes in der Erläuterung der Regel ein Beispiel für diese Art zuverlässiger Erkenntnis, etwas, das später für ihn zentral werden soll, hier aber neben anderem eher unterläuft: Jeder, schreibt er, kann » intuitiv erkennen, daß er existiert, daß er denkt« (»unusquisque animo potest intueri, se existere, se cogitare«).25
Fragen wir uns nun, was die Regulae insgesamt vermitteln. Müssen wir, da Descartes sie nie vollendet hat, schließen, sie seien ein Irrweg gewesen? Dem widersprechen die Methodenregeln des Discours de la Méthode, die in zentralen Punkten dem nämlichen Anliegen folgen. Warum aber gibt Descartes dann das skizzierte Regelwerk auf? Die Antwort scheint dreifacher Art zu sein:
Erstens lassen sich die Wissenschaften faktisch nicht nach dem Prinzip der Auflösung von Gleichungen aufbauen, so dass die Differenzierung in 36 Regeln ihren Zweck nicht hätte erfüllen können.
Zweitens sieht Descartes, dass das Denken an einer anderen Stelle als ursprünglich gedacht seinen zweifelsfreien Fixpunkt findet, weshalb sich der Ausgangspunkt von der Mathematik zum Ich verschiebt.
Drittens glaubt Descartes – anders als in den Regulae – feststellen zu können, dass das menschliche Denken nicht [38]nur bis zu denjenigen unvollkommen verstandenen Problemen gelangen kann, die sich in hypothetische Aussagen verwandeln lassen, sondern dass es ungleich weiter vorzustoßen vermag, nämlich bis hin zu Beweisen der Existenz Gottes.
Die skizzierte Ausweitung wird schon in den methodischen Regeln des Discours deutlich, die nun behandelt werden sollen. Zugleich gibt es eine klare Linie, die von den Regulae zum Discours und darüber hinaus durch das ganze Werk führt, denn zeitlebens wird die Gewissheit der Mathematik für Descartes das Musterbild begründeten Denkens sein.
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