Der Torso. Elisabeth Langgässer

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Der Torso - Elisabeth Langgässer

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      Elisabeth Langgässer

      Der Torso

      Saga

      Der TorsoCoverbild / Illustration: Shutterstock Copyright © 1947, 2020 Elisabeth Langgässer und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726482867

      1. Ebook-Auflage, 2020

      Format: EPUB 2.0

      Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.

      SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk

      — a part of Egmont www.egmont.com

      BALLADE VOM MENSCHEN DIESER ZEIT

      Und als überm Bunker der Reichskanzlei

      Das Gewölbe die Last nicht mehr trug:

      Die Last der Erkenntnis, daß alles vorbei,

      Daß das Ende gekommen war — einerlei,

      Ob noch dicken sich würde der blutige Brei —

      Da erscholl eine Stimme: Genug!

      Sie erscholl durch den Himmel, dort klang sie sehr laut,

      In der Hölle tönte sie nach.

      Die alten Juden, die Gott noch geschaut

      Und den Goliath erschlagen, den Tempel gebaut,

      Die liefen herbei mit Kebse und Braut

      Und den Namen auf „weh» und auf „ach».

      In dem Bunker verbrannte ein Haufen Werg

      — Ihre Nase war wieder gut! —

      Dreck, Unrat und Magog und Magogs Zwerg

      Vergaste, verbrannte und stank, o merk!

      Sie aber kamen wie einst von dem Berg,

      Und ihr Blut war auch Christi Blut.

      Mit den Tafeln im Arm kam der alte Mann,

      Mit den Tafeln und einem Gesicht,

      Das in Dachau zertrümmert war. Schweißte und rann

      Noch immer von Tränen, und dann und wann

      Wischte er drüber. Ach Gott, man kann

      So was nennen ein menschliches nicht.

      Und er hatte ein Holzbein und humpelte sehr,

      Und er trug einen Stock in der Hand.

      Seine Galle war voll, seine Lende war. leer.

      Als Achilles ihn schleifte, war immer noch mehr

      An dem Hektor von Schönheit und Mann und Gewehr,

      Als man hier an dem Humpelnden fand.

      Eine Drehorgel zog er zur Reichskanzlei,

      Und er deutete mit dem Stab

      Auf des Dekalogs leisen und dringenden Schrei

      Und der Menschenart ewiges Alleinerlei,

      Und sein Stock war so schwer, und sein Herz war wie Blei,

      Ob es jemals ein schwereres gab?

      An dem Bunker standen vier Männer auch,

      Und der Vierte war Stadtkommandeur.

      „Whatʼs the matter?» hieß es nach Fug und Brauch

      Bei zweien. Der Dritte sah in den Rauch,

      Und: „qu’est-ce que c’est que ca?» ging ihm vom Munde ein Hauch —

      Doch der Vierte sprach gar nichts mehr.

      Denn was sollt’ er auch sagen, ich frage euch still,

      Da die Tatsachen hatten das Wort?

      Und was nutzt Einem, der es nicht wissen will,

      Daß doch Hektor im Unrecht war, und nicht Achill,

      Wenn die Ratte die Wahrheit auch pfeift auf dem Müll,

      Und der Ritzenwind auf dem Abort?

      Und die Drehorgel jammert und jammert so nah. . .

      Ihrem Sohn eine Hand auf das Knie

      Legt die gute Madonna von Fatima.

      Doch er sieht sie nur an, wie noch niemals er sah,

      Seit die Söldner ihn höhnten auf Golgatha:

      „Laß dein Bitten. Jetzt richte ich sie!»

      DER TORSO

      Als die drei männer mit ihrem holzpflug aus der Blockhütte in das Freie kamen, merkte man erst, wie tüchtig sie zugerichtet waren. Vor allem das Gesicht des Japaners war vollkommen platt geschlagen, es glich einer scharf geräucherten Flunder mit runzeliger Haut. Auch Johnny hatte ganz ordentlich bei der Sache was abbekommen; er schleifte das linke Bein ziemlich deutlich unter dem Körper her, der linke Arm war gleichfalls gelähmt, und wenn er lachte, verzog sich der Mund zu einer Diagonale in seinem Vollmondgesicht. Habakuk war noch am besten erhalten, obwohl ihm eigentlich durch den Luftdruck am schlimmsten mitgespielt worden sein mußte, doch waren seine Verletzungen nicht äußerlicher Art: er würde wohl für die Zeit seines Lebens eine losgerissene Niere und Gallenstörungen haben.

      Im übrigen waren alle drei froh, davongekommen zu sein. Evelyne, Johnnys Frau, meinte das übrigens auch. Freilich war ihre Stellung zwischen den übrig gebliebenen Männern noch ziemlich ungeklärt und jedenfalls ohne Vorbild — aber schon jetzt schien es ziemlich sicher, daß jeder von ihnen ein Recht auf sie hatte, von dem er übrigens noch nicht wußte, ob er Gebrauch davon machen würde, denn keiner hatte schon wieder Lust, sich zufällig zu vermehren. Weil Evelyne, wie sie behauptete, sich über alles erst klar werden mußte, war sie zu Hause geblieben. Johnny war einverstanden damit, denn sie störte ihn bloß beim Denken, und Denken — oder Vielmehr Erfinden — war jetzt die Hauptarbeit, die er zu leisten hatte.

      »Good bye, Evelyne!«

      »Good bye. Kommt bald wieder, sonst wird das Irish stew kalt. Und gib schön acht auf ihn, Habakuk, wenn er wieder das Bein zu rasch vorwärts zieht und über die Pflugschar fällt.«

      »Okay.« Und nun waren sie hier. Sie standen auf einer sandigen Fläche, die gegen den zweiten Abhang hin von

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